Mehrere Missbrauchsbetroffene üben Kritik an der katholischen Kirche. Sie sprechen von Versagen der Institution im Umgang mit dem Thema Missbrauch und den Missbrauchsbetroffenen. Sie kommen aus den Diözesen Freiburg, Würzburg, München-Freising, Regensburg und Rottenburg-Stuttgart und haben sich kürzlich in einem Verein zusammengeschlossen: in der "Betroffeneninitiative Süddeutschland".
Ein Vorstandsmitglied ist der Würzburger Theologe und EDV-Fachmann Bernhard Rasche. Zusammen mit der Journalistin Astrid Mayer (Freiburg) und der Religionslehrerin Ingrid Pollner (Regensburg), die ebenfalls zum Vorstand gehören, will der 62-Jährige die Vernetzung von Betroffenen kirchenunabhängig voranbringen. Insgesamt gibt es zehn Gründungsmitglieder.
"Die Zahl der Frustrierten wächst", sagt Bernhard Rasche. Sicher gebe es unter den Betroffenen Personen, "die Bischöfe über den Klee loben; andere fühlen sich dagegen durch deren Verhalten und auch vom Umgang der Betroffenen untereinander zutiefst verletzt und unverstanden". Rasche sei deswegen nach kurzer Teilnahme im April 2021 aus dem Würzburger Betroffenenbeirat ausgetreten.
Bernhard Rasche: Betroffene werden nicht adäquat von den Kirchen begleitet
Der gebürtige Rhöner begleitet seit vielen Jahren ehrenamtlich "Überlebende", wie sich die Betroffenen selbst nennen, und musste erleben, wie er dennoch drei "verloren" hat: zwei durch Suizid. Eine Person sei durch das seelische Leid krank geworden und gestorben, sagt Rasche. Eine adäquate Begleitung von Betroffenen müsste eigentlich die Institution zur Verfügung stellen, das sei jedoch nicht der Fall – auch nicht in der evangelischen Kirche. "Wir erwarten deshalb, dass beide Kirchen unsere Arbeit unterstützen", so Rasche.
Bernhard Rasche: Unsere Betroffeneninitiative gibt es schon länger. Die Mitglieder trafen sich in einem informellen Rahmen und haben sich gegenseitig unterstützt. Jetzt wollen wir im größeren Rahmen agieren. Unser Motto ist: Hilfe zur Selbsthilfe! Die Betroffeneninitiative Süddeutschland ist kirchenunabhängig und losgelöst von den Betroffenenbeiräten, die in den katholischen Bistümern durch Aufruf der Bischöfe oder durch die Bischofskonferenz installiert wurden.
Rasche: Dazu zählt zum Beispiel die Interessensvertretung von Betroffenen nach außen, die Verhinderung von Retraumatisierung im Kontakt mit der Institution Kirche. Ein Anliegen ist auch der Austausch von Informationen und Wissen über Tatorte sowie die Vernetzung von Betroffenen zur gegenseitigen Unterstützung.
Rasche: Wir sind keine Ersatztherapeuten und keine Ersatzmissbrauchsbeauftragten. Wir versuchen Menschen zu begleiten und die Forderungen der Menschen aufzugreifen und dann auch öffentlich zu machen. Denn viele Betroffene sind dazu nicht fähig. Und längst nicht alle haben von der Kirche Rechenschaft verlangt. Sie mussten vielmehr erleben, dass ihnen nicht geglaubt wird.
Rasche: Unter anderem bei den Anträgen für die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) in Bonn. Es geht es uns um Transparenz – egal, ob es Erstanträge oder erneut gestellte Anträge sind. Die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung ist völlig undurchsichtig. Uns sind Fälle bekannt, dass Betroffene einen Betrag zugesprochen bekommen haben, sich beschwerten und dann einen Aufschlag erhielten. Das heißt: Gewinnen werden erneut die Starken, die sich durchsetzen können.
Rasche: Grundsätzlich ja, wobei diese Gespräche oft sehr belastend sind. Betroffene brauchen deshalb nicht nur eine Begleitperson, die sie emotional unterstützt. Sie brauchen auch eine fachliche parteiliche Person an ihrer Seite. Etwa Kommunikationsexpertinnen und -experten, die merken, was in diesen Gesprächen passiert, die unterbrechen, wenn es nötig ist. Und dann ist es oft leider so: Bischöfe machen nach solchen Gesprächen ein Häkchen in ihrem Kalender: Erledigt. Aber das kann nicht das Ende der Gespräche sein.
Rasche: Auch hier fordern wir Transparenz und werden aktiv. Eine unmögliche Situation ist zum Beispiel, dass die beiden Personen, die von den Betroffenenbeirats-Gremien in diese Aufarbeitungskommissionen gewählt werden, anonym bleiben. Betroffene wollen jedoch generell wissen, von wem sie dort vertreten werden. Mit einher geht auch die Ungewissheit, ob jemand und wer in ihre Akten schaut. Und generell ist nicht nachvollziehbar, was in diesen Aufarbeitungskommissionen überhaupt passiert.
Rasche: Die bundesdeutschen Betroffeneninitiativen werden sich mit einer gemeinsamen Erklärung zu Wort melden. Und auch wir, als Betroffeneninitiative Süddeutschland, werden in München präsent sein.
Info und Kontakt: www.betroffeneninitiative-sueddeutschland.de sowie kontakt@betroffeneninitiative-sueddeutschland.de Melden können sich alle von sexualisierter Gewalt betroffene Menschen, ebenso Angehörige.
an Gewalt und Willkür, Ausnutzung als billiger Arbeitskraft und Einschränkungen aber zum Glück nicht an das Thema dieses Artikels.