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Würzburg
Nach Messerattacke: Stadt Würzburg plant "so bald als möglich" eine Trauma-Ambulanz für Geflüchtete
Geflüchtete kommen mit teils schweren Traumata in Deutschland an und fallen dann durchs Raster. Das soll in Würzburg anders werden – auch vor dem Hintergrund der Messerattacke.
Geflüchtete kommen mit teils schweren Traumata in Deutschland an und fallen manchmal durch jedes Raster. Das möchte die Stadt Würzburg künftig ändern (Symbolbild). 
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Geflüchtete kommen mit teils schweren Traumata in Deutschland an und fallen manchmal durch jedes Raster. Das möchte die Stadt Würzburg künftig ändern (Symbolbild). 
Christine Jeske
 und  Lara Meißner
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:28 Uhr

Sie haben Folter oder Vergewaltigung erlebt, ihre Familie sterben sehen, um ihr Leben gebangt oder es auf der Flucht beinahe verloren: Wenn Geflüchtete in Deutschland ankommen, liegt hinter vielen  eine Zeit, die tiefe Spuren hinterlassen hat.

Um den Menschen so gut es geht zu helfen, will die Stadt Würzburg nun so schnell wie möglich ein ambulantes Psycho-Soziales-Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge einrichten - auch vor dem Hintergrund der Messerattacke 2021 und des Axt-Attentats 2016. Die Ambulanz wird unterfrankenweit die einzige Anlaufstelle sein, in der Geflüchtete Zugang zu einer Trauma-Therapie in Muttersprache mit Dolmetscherinnen und Dolmetschern haben werden.

"Derzeit besteht eine Lücke, die dringend geschlossen werden muss", mahnte Michael Urbas vom Würzburger Kreisverband des Bayrischen Roten Kreuzes (BRK) in dieser Woche vor dem Sozialausschuss des Würzburger Stadtrats. Der Leiter des sozial-psychiatrischen Bereichs und Sonderpädagogin Victoria Jung stellten das bislang einzige Programm vor, das Geflüchteten derzeit in Würzburg zu Verfügung steht. Als Einzelkämpferin leitet Jung die "Initiative für traumatisierte Flüchtlinge".

30 bis 40 Prozent der Geflüchteten leiden unter Störungen in Folge von Traumata

30 bis 40 Prozent der Geflüchteten in der Anker-Einrichtung in Geldersheim (Lkr. Schweinfurt) seien von einer Traumafolgestörung betroffen, das habe eine Untersuchung Anfang des Jahres ergeben, sagt Jung: "Diese Menschen haben ein deutlich höheres Risiko für eine chronische psychiatrische Erkrankung." In so einem Fall sei der Handlungsspielraum der Initiative sehr begrenzt: "Gemeinsam mit Dolmetschern versuchen wir, die Leute halbwegs zu stabilisieren. Doch dort endet die Versorgung bislang." Unbehandelt könnten sich die Symptome schnell verschlimmern, Psychosen oder Drogenmissbrauch die Folge sein.

"Für viele Geflüchtete sind therapeutische Angebote unerreichbar - und schon gar nicht in der Muttersprache, dabei ist gerade das für die Therapie so wichtig", sagt Urbas. Die Hilfen seien an den Asylstatus geknüpft: "Während für physische Gebrechen gut gesorgt ist, gibt es für psychische Krankheiten einfach kein ausreichendes System." Zwar könnten auch Geflüchtete in psychiatrischen Kliniken notversorgt werden – "aber sobald sie die Klinik verlassen, fallen sie wieder durchs Raster".

Nicht nur vor dem Hintergrund des Messerangriffs, bei dem im Juni 2021 ein schwer psychisch kranker Somalier in Würzburg drei Frauen getötet und weitere Personen teils schwer verletzt hatte, drängt es der Stadt Würzburg, das ambulante Psycho-Soziale-Zentrum einzurichten. "Sobald als nur möglich" soll das Zentrum eröffnen, sagt Sozialreferentin Hülya Düber.

"Gerade geht es noch um die Finanzierung", erklärte Düber. "Aufgrund der schwierigen Haushaltslage konnten wir keine direkte Finanzierung über das Innenministerium erreichen und stellen jetzt einen Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge." Konkrete Räumlichkeiten habe man hingegen schon im Blick, so Oberbürgermeister Christian Schuchardt. 

Eine andere Trauma-Ambulanz ist auf akut traumatisierte Menschen spezialisiert

Das geplante Zentrum ist nicht zu verwechseln mit der Trauma-Ambulanz innerhalb der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz der Universität, deren Fortbestand derzeit diskutiert wird. Im Gegensatz dazu richte sich die geplante Ambulanz für Geflüchtete an Menschen, "die nicht im System integriert sind und möchte ihnen ein niederschwelliges Angebot machen", sagt Claudia Lother, Sprecherin der Stadt Würzburg.

Die Trauma-Ambulanz wiederum ist auf akut traumatisierte Menschen spezialisiert. Dort wurden viele Betroffene des Messerangriffs vom Juni 2021 unterstützt, aber auch andere Gewaltopfer, informiert Marion Schowalter. Sie ist die Psychologische Leiterin der Trauma-Ambulanz.

Die Universität hatte als Reaktion auf die Messerattacke im Zusammenwirken mit dem Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS) die Trauma-Ambulanz im September 2021 an der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz angegliedert. Der Vertrag mit der Uni läuft zum Jahresende aus, so Psychotherapeutin Schowalter. Aktuell beraten sich Uni und Uniklinik, wie es weitergehen könnte, hieß es in einer Mitteilung. Also, ob die Psychotherapeutische Hochschulambulanz in die Uniklinik überführt werden soll.

 
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  • D. H.
    Ich frage mich nur, wie das unsere Vorfahren, die aus den Ostgebieten unter erbärmlichsten Bedingungen zum Ende des zweiten Weltkrieges fliehen mussten, gemeistert haben. Frauen ohne Männer mit kleinen Kindern unter Angriffen von Tieffliegern. Sie haben es gemeistert, sich integriert und sich eine neue Existenz geschaffen. Und das alles ohne psychotherapeutische Hilfe.
    Wenn man will oder auch muss, kann man.
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  • H. S.
    es braucht keine "Trauma-Ambulanz", sondern eine vernünftige Abschiebepolitik für straffällige Schutzsuchende....
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  • C. B.
    Gute Idee, zumindest ist jetzt mal eine Stadt in Deutschland aufgewacht. Ich denke, sofern hier noch niemand in einem Flüchtlingslager war, kann man sich gar nicht vorstellen, was diese Menschen dort jeden Tag durchmachen. Teilweise sind diese für Jahre, sogar Jahrzehnte in diesen Lagern und verlieren. Jegliche Perspektive.
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  • G. K.
    Un-fass-bar!

    Sich um die Psyche der Geflüchteten zu kümmern ist aus vielen verschiedenen Gründen wichtig und richtig – und sollte nicht zuletzt auch in unser aller Interesse sein.

    Da reagiert mal jemand auf einen extrem tragischen Vorfall, zieht die richtigen Schlüsse und versucht, mit den richtigen konstruktiven Maßnahmen wenigstens die Wahrscheinlichkeit für Wiederholungen zu reduzieren …

    Und eine Parade von neidgetriebenen Whataboutismen ist das Einzige, was der reflexgesteuerte deutsche Durchschnittsmichel dazu von sich zu geben im Stande ist.

    Zum Fremdschämen, werte Mitforisten hms, Alabtros, klecki und Lutterbeck.

    Einfach nur zum Fremdschämen …
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  • H. K.
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  • H. K.
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  • R. B.
    Sehr geehrter Leser, leider müssen wir ihren Kommentar aufgrund einer fehlenden Quelle für ihre Behauptung sperren. Gerne können Sie ihren Kommentar noch einmal mit einer Quelle zu der Behauptung über psychisch gestörte Flüchtlinge posten. Mit freundlichen Grüßen, Digital-Management der Main-Post
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  • H. S.
    Für sowas ist Geld vorhanden, das Ganze dient rein der Aussendarstellung .
    Der Trend geht weiter:
    Für die Deutschen ist kein Geld da (z.Ahrtal).
    Für so ne "Sache" fragt man nicht nach Geld. Die Stadt sollte lieber die eigenen Bürger unterstützen.
    Was dies kostet , könnte man monatlich der Würzburger Tafel zukommen lassen.
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  • D. B.
    Nicht nur für Ahrtal ist kein Geld da. Eine Psychotherapie zu bekommen ist fast unmöglich bzw. die Wartezeiten sind so lang, dass man sich fragt, was das überhaupt bringen soll. Und... der Würzburger Attentäter hat sich aus der Klinik selbst entlassen, mehr muß man nicht dazu sagen!
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  • R. B.
    Wird man eine solche Trauma-Ambulanz auch für die Opfer und die Hinterbliebenen einrichten?
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  • P. P.
    Wo bitte ist eine Tafel für die Geschädigten - Heidingsfeld/Barbarossaplatz.
    Kein Geld dafür da oder nicht so wichtig ???
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  • d. e.
    Wer kümmert sich um Deutsche die Opfer von Flüchtingskriminalität wurden ?
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