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Würzburg
Nach homo- und transfeindlicher Gewalt in deutschen Großstädten: Kann Würzburg Vorbild für queerfreundliches Leben sein?
Am "Transgender Day of Remembrance" wird Opfern transfeindlicher Gewalt gedacht. Ist Queerfeindlichkeit ein Thema in Würzburg und wie sicher fühlen sich Transpersonen hier?
Beim Würzburger CSD kamen über 2.000 Menschen zusammen, um sich für queerfreundliches Leben in der Stadt starkzumachen. Reicht das aus, um als Vorbild für andere deutsche Städte zu dienen?
Foto: Patty Varasano | Beim Würzburger CSD kamen über 2.000 Menschen zusammen, um sich für queerfreundliches Leben in der Stadt starkzumachen. Reicht das aus, um als Vorbild für andere deutsche Städte zu dienen?
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 18.05.2023 02:33 Uhr

Der Tod von Malte C. im September dieses Jahres hat viele Menschen schwer erschüttert und vor Augen geführt, dass Homophobie und Queerfeindlichkeit noch immer in Teilen der Gesellschaft verbreitet und gelebt wird. Der 25-Jährige wurde beim CSD in Münster zusammengeschlagen, als er sich schützend vor zwei junge Frauen stellte, die homophob beleidigt wurden. Und auch hinter der brutalen Attacke auf drei Männer in der Kieler Innenstadt am ersten Novemberwochenende wird nach Angaben der örtlichen Polizei ein homophobes Motiv vermutet.

In Würzburg unterdessen kamen beim diesjährigen Christopher Street Day rund 2000 Menschen zusammen - so viele wie noch nie. Die Stadt versteht sich als queerfreundlich, aufgeschlossen und engagiert. Und auch Oberbürgermeister Christian Schuchardt setzt sich immer wieder dafür ein, dass Diskriminierung gegen queere Menschen keinen Raum in Würzburg findet. Macht Würzburg es also besser als andere Großstädte? Kann die Stadt Vorbild für andere deutsche Großstädte sein? Und was sagen queere Menschen selbst, fühlen sie sich hier wohl?

Unterschiede bei der Diskriminierung auch innerhalb der queeren Kreise

Lysander Laier ist Transmann und gehört damit zu einem Teil der queeren Community, die sehr häufig Anfeindungen und Diskriminierungen ausgesetzt sind. Denn Transsexualität und Transgender sind in der breiten Gesellschaft häufig immer noch nicht akzeptiert. Laier sagt, dass er sich in Würzburg nicht immer wohlfühlt. "Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass jemand eingreift, wenn etwas passiert." Doch alles schlecht reden möchte er nicht. Es gäbe auch immer wieder positive Erlebnisse, die Laier überraschen. Im Großen und Ganzen überwiege aber das Gefühl sich unsicher zu fühlen.

Lysander Laier fühlt sich als Transmann in Würzburg oft nicht wohl. Zum Beispiel Volksfeste meidet er seit seinem Coming-out.
Foto: Thomas Obermeier | Lysander Laier fühlt sich als Transmann in Würzburg oft nicht wohl. Zum Beispiel Volksfeste meidet er seit seinem Coming-out.

Volksfeste und bestimmte Orte in Würzburg meide er seit seinem Outing konsequent. Denn mit steigendem Alkoholpegel würde Diskriminierung unverhohlener geäußert. Das sei häufig ein Problem von genderqueeren Personen, also Menschen, die mit äußeren Geschlechtsmerkmalen geboren wurden, die nicht ihrer Identität entsprechen. "Deine Sexualität kannst du verstecken oder selbst entscheiden, mit wem du sie teilen willst." Bei Transpersonen sei das nicht möglich, denn ihr Äußeres sei immer präsent.

Angriffe auf Transpersonen gibt es immer wieder. Daran soll der "Transgender Day of Remembrance" am 20. November jeden Jahres erinnern. An diesem Tag soll all den Menschen gedacht werden, die Opfer von Transfeindlichkeit geworden sind. Auslöser für diesen Gedenktag war der Mord an der amerikanischen Transfrau Rita Hester im November 1998, der bis heute nicht abschließend aufgeklärt werden konnte.

Zahlen zu queerfeindlichen Gewalttaten oft nicht repräsentativ

In Würzburg kam es im vergangenen Jahr zu keinen Angriffen auf queere Personen. Das geht aus einer Anfrage der Partei Bündnis90/Grüne beim bayerischen Innenministerium hervor. Insgesamt wurden in ganz Bayern 71 Fälle gemeldet, 44 allein in München. Die LGBTIQ+ Fachstelle "Strong!" hingegen hat 165 Vorfälle in Bayern gemeldet bekommen. 24 davon richteten sich gegen Transpersonen und 90 waren homophob motiviert.

Bettina Glöggler, Sprecherin von "Strong!" weißt darauf hin, dass die Zahlen wenig mit der tatsächlichen Realität zu tun hätten, da "gerade Transpersonen so häufig Anfeindungen erleben, dass sie vieles privat verarbeiten". Ihrer Einschätzung nach hätte die besonders gegen Transpersonen gerichtete Diskriminierung im Jahr 2022 noch zugenommen. Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen ermahnt: "Nach wie vor werden unzählige Delikte nicht oder falsch erfasst, zu selten aufgeklärt und es fehlt ein niedrigschwelliger Zugang, um Taten zu melden."

Rechtspopulismus bedroht queeres Leben in Deutschland 

In Würzburg habe es solche Gewaltangriffe auf Transpersonen und queere Menschen bisher nicht gegeben, erklärt Michael Fischer von der Rosa Hilfe in Würzburg, räumt aber ein: "Dass uns keine Angriffe bekannt sind, heißt nicht, dass es sie nicht gibt." Laut Fischer würden vor allem queere Menschen den Weg zur Polizei selten gehen. Die Gründe dafür sind vielfältig, beginnen aber schon damit, dass bei der Datenaufnahme der Polizei lediglich die zwei Geschlechter für männlich und weiblich zur Auswahl stünden. Das schließe genderqueere Personen von Beginn an aus, so Fischer.

Gewalt gegen Transpersonen sei aber vor allem eine Frage der Definition, denn Gewalt könne ja nicht nur physisch, sondern auch verbal sein. Dass sich queere Menschen in Würzburg nicht uneingeschränkt sicher fühlen, kann Fischer verstehen. Doch die Gründe dafür sieht er nicht in der breiten Masse der Bevölkerung, sondern bei diskriminierenden und ausgrenzenden Strömungen am rechten Rand: "Was wir aus den Reihen von 'Eltern stehen auf' oder den 'Querdenkern' hören, bereitet mir schon sehr Sorge", so Fischer.

In Würzburg machen sich viele Menschen stark gegen Diskriminierung

Dass in deren Reden gegen queere Menschen gehetzt werde, sei bekannt. Als Beispiel nennt er den Aufruf zum Christopher Street Day, die Regenbogenflaggen zu verbrennen. "Aus Worten werden schnell Taten", mahnt Fischer. Das Problem sei, dass durch solche Aussagen das Gefühl vermittelt werde, dass die breite Masse hinter der Diskriminierung und dem Hass stünde. "Das ist aber kein alleiniges Problem der Stadt Würzburg, sondern ganz Bayern, ganz Deutschlands und Europas", sagt Fischer.

Sophie Rumpel hat bisher vor allem positive Erfahrungen in Würzburg gemacht. Die Stadt ist ihrer Meinung nach sehr queerfreundlich.
Foto: Thomas Obermeier | Sophie Rumpel hat bisher vor allem positive Erfahrungen in Würzburg gemacht. Die Stadt ist ihrer Meinung nach sehr queerfreundlich.

Doch er möchte Würzburg und die Menschen, die hier leben, auch loben. Es gäbe viele Menschen in der Stadt, die offen sind, ihre Stimme gegen Diskriminierung erheben und zeigten, dass Hass gegen queere Menschen in Würzburg keinen Platz habe.

Würzburg muss das Erreichte bewahren

Diesen Eindruck teilt auch Sophie Rumpel, als Transfrau fühlt sie sich in Würzburg wohl. "Würzburg ist eine queerfreundliche Stadt." Zwar habe auch sie schon die ein oder andere unangenehme Erfahrung gemacht, zum Beispiel an der Tür eines Clubs oder auch immer wieder beim Besuch der Toilette, doch sie sieht vor allem die positiven Seiten der Stadt. "Hier leben viele junge Menschen, viele Studierende und diese Generation ist viel offener."

Die rechtspopulistischen Strömungen bereiten aber auch Rumpel Sorge. Es komme vor allem darauf an, "das, was die Stadt bisher erreicht hat, zu beschützen und weiter daran zu arbeiten". Rumpel wünscht sich mehr Bildungsarbeit an den Schulen, in Unternehmen und, dass die Stadt Würzburg "endlich einen Antidiskriminierungsplan bekommt".

 
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    Kaum einen Menschen interessiert dies.
    Dafür hab ich mein Abo nicht, um solche Berichte zu finanzieren.
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  • Einwohner
    Den täglichen queeren Bericht in der Mainpost gib uns heute...
    Kann man bitte auch mal einen Tag nur über wichtige Dinge berichten ohne queer und hose?
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  • mail@marc-stuermer.de
    Luxusprobleme der ersten Welt...
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  • Mic_Ro
    Ein Artikel, der eigentlich total überflüssig ist weil er eigentlich nichts aussagt!
    Warum muss man die Menschen anders behandeln oder sich verbiegen oder ein Schuldgefühl bekommen wenn man sie falsch ansieht, anspricht oder bei der Geschlechterwahl das d fehlt?
    Sich selbst nicht so wichtig nehmen und profilieren wollen! Denn
    So ein Quatsch! Jeder geht auf ein Klo! Jeder hat die selben Ausscheidungen und geht aufrecht wie ein Mensch!
    Lysiander Laier leidet höchstens unter einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom und die Zeitung hat wohl keine anderen Probleme gefunden!

    Jeden so behandeln als das was er ist, als einen Menschen!
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  • FischersFritz
    Ich fürchte, ein großer Teil der Menschen, die geschlechtsbezogen diskriminieren, greifen auch andere Minderheiten an.

    Diese Menschen brauchen nur einen Vorwand, um sich als den „sozial Stärkeren“ zu sehen. Mit einer hinreichenden Zahl an Gleichgesinnten vernetzt, werten sie die Bestätigung ihrer eigenen Filterblase als gesellschaftliche Legitimation für ihr krudes Welt- und Menschenbild.

    In vielen Fällen dürfte es meiner Meinung nach keine wirkliche Rolle spielen, weshalb solche „Menschen“ andere Individuen diskriminieren … der Migrant wird genauso gemobbt wie der Homosexuelle, der Behinderte oder der Langzeitarbeitslose … es geht nicht um das „Warum“. Man braucht keinen Grund, nur ein Opfer!

    Das Problem ist aus meiner Sicht nicht fehlende Toleranz gegenüber Queeren, sondern das höchst armselige Bedürfnis mancher Menschen, sich selbst eine höhere „Wertigkeit“ zusprechen zu müssen als Menschen, die in irgendeiner Form anders sind als sie selbst.

    Rassismus ist unter uns ...
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  • FischersFritz
    Zitat: „Laut Fischer würden vor allem queere Menschen den Weg zur Polizei selten gehen. Die Gründe dafür sind vielfältig, beginnen aber schon damit, dass bei der Datenaufnahme der Polizei lediglich die zwei Geschlechter für männlich und weiblich zur Auswahl stünden. Das schließe genderqueere Personen von Beginn an aus, so Fischer.“

    Hm … äh … also … im Ernst jetzt?

    Die Polizei weist mich ab, wenn das Geschlecht in meinem Personalausweis nicht im Formular für die Datenaufnahme zur Auswahl steht?

    Sorry, aber das glaub‘ ich nicht … irgendwelche Polizisten hier, die das bestätigen können?
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  • jh@verantec.de
    Das stimmt nicht. Es gibt nicht nur männlich oder weiblich in der polizeilichen IT. Weiterhin gibt es eine sogenannte Handlungsanweisung, wie mit Trans-Menschen kommuniziert werden soll, da sich manche mit der Anrede unsicher sind. Vor- und Zunahme ist hilfreich und dann einfach fragen, wie der Mensch angesprochen werden möchte. Mit freundlichen Grüßen
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  • Souldream
    Bitte mit Quellenangabe.
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  • stefan.wolz@web.de
    Das ist der Punkt. Denn auch der Mörder von Malte C. ist kein Teil unserer Gesellschaft.
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  • Albatros
    Aus welcher Gruppe der Bevölkerung kommen sie denn?
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