Er ist bunt, er ist schrill, er ist laut, doch er ist vor allem eins: eine Demonstration. Der Christopher Street Day (CSD), der bereits seit Jahrzehnten in vielen Städten auf der ganzen Welt gefeiert wird, macht aufmerksam auf die Ausgrenzung und Anfeindung von queeren, also lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen.
Denn auch wenn in den vergangenen Jahren viel für die gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland getan wurde, gibt es noch immer viele Reibungspunkte zwischen Selbstverständlichkeit und traditionellen Weltbild. "Vielfalt vereint" lautet so das Motto des CSD in diesem Jahr in Würzburg und soll an das zusammen und füreinander Einstehen der vielfältigen Lebensweisen und sexuellen Orientierungen erinnern. Acht Menschen aus Würzburg erklären, warum dieser Tag für sie so wichtig ist.
Sophie Rumpel (sie/ihr), 33: "Wir brauchen Orte, an denen wir einfach nur da sein dürfen."
Für mich ist es ganz selbstverständlich, dass unsere Gesellschaft einen CSD braucht. Der wichtigste Grund dafür ist die Awareness, also die Aufmerksamkeit auf diese Themen zu lenken und den Menschen den Raum zu geben, über ihre Probleme und Anliegen zu sprechen. Denn wir erleben leider noch immer oft queere Diskriminierung in Deutschland. So erhalte auch ich immer zum Beispiel manchmal Hassbotschaften von Menschen, von denen ich eigentlich dachte, dass sie meine Freundinnen oder Freunde sind. Sie werfen mir vor, dass ich die Frauenrechte verraten würde und Ähnliches.
Vor Kurzem wurden die Eckpunkte für das Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt, welches das Leben für trans- und intergeschlechtliche Menschen verbessern und das Transsexuellengesetz ablösen soll. Dass Alle, die trans, nicht-binär oder inter sind, mit der Veröffentlichung der Eckpunkte dem Selbstbestimmungsgesetz einen Schritt näher gekommen sind, ist für mich so wichtig. Wir brauchen Orte, an denen wir einfach nur da sein dürfen. Orte an denen wir Freundinnen und Freunde finden. Orte, an denen wir uns nicht einsam fühlen. Unsere Identität und Vielfalt durch Selbstbestimmung anzuerkennen, schafft diese Orte.
Ralph Lechner (er/ihm), 54: "Der CSD will und muss aufmerksam machen."
Der CSD ist wichtig für die Sichtbarkeit von queeren Menschen. Und in meinem Fall auch ganz klar, um einfach mal eine Normalität zu erleben, die im Alltäglichen leider so nicht gegeben ist. Das bedeutet für mich, sich mit Seinesgleichen auch mal in einer größeren Menge zu treffen und festzustellen, dass wir, so wie wir sind, vollkommen normal sind. Interessen sind naturgegeben. Auch bei meinem Werdegang gab es mal heterosexuelle Ideen. Und es tut der Seele manchmal verdammt gut, wenn wir uns selber verdeutlichen, dass wir eben nicht nur zwei oder drei Menschen sind, sondern ganz viele.
Natürlich spricht der CSD nicht jede homosexuelle Person an, einige können sich mit der bunten, schrillen Szene nicht identifizieren. Doch der CSD will und muss aufmerksam machen- auf alle queeren Menschen. In ihrer ganzen Vielfalt.
Max Hirschberger (er/ihm), 25: "Wir haben noch keine Diskriminierungsfreiheit erreicht."
Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum es einen CSD braucht. Zum einen habe ich es als weißer und schwuler cis Mann eigentlich ziemlich gut innerhalb der queeren Community. Im Zweifelsfall hat niemand so wenig Diskriminierung zu befürchten und so viele Privilegien wie ich. Aber es ist wichtig, zu erkennen und festzustellen, dass genau das nicht für die ganze Community gilt.
Wir machen gerade große Schritte, was die Abschaffung der Diskriminierung von trans Personen angeht, Stichwort Selbstbestimmungsgesetz. Doch Studien zeigen, dass wir noch lange nicht am Ziel sind. So ist vor zwei Jahren eine Studie der Grünen Bayern veröffentlicht worden, wie Diskriminierung in Bayern ausschaut und wie die Depressionsraten von queeren Personen aussehen - und die sind leider sehr hoch. Doch das liegt definitiv nicht daran, dass queere Personen vermehrt depressiv sind, sondern die Gesellschaft sorgt dafür. Das zeigt, dass wir offensichtlich noch keine Diskriminierungsfreiheit erreicht haben.
Umso wichtiger ist es für uns, den CSD als Demonstration mit politischem Inhalt weiter zu führen und weiter zu tragen und zu zeigen, dass wir für unsere Rechte weiter kämpfen. Es gehört aber ebenso dazu, uns zu feiern.
Electra Illusion (er/ihm; sie/ihr), 21: "Jeder CSD ist in erster Linie eine Demonstration."
Der Christopher Street Day fand zum ersten Mal 1970 statt - in Gedenken an den Stonewall-Aufstand im Jahr davor (Anmerkung der Redaktion: Stonewall war eine Serie von gewalttätigen Konflikten zwischen homosexuellen sowie trans Menschen und Polizeibeamten in New York City). Gerade deshalb finde ich es wichtig, dass wir ihn Jahr für Jahr feiern, damit wir uns daran erinnern, warum wir diese Rechte haben und woher sie kommen. Viele Menschen, meistens heterosexuelle Personen, versuchen mir zu erzählen, dass wir den CSD ja gar nicht mehr brauchen und der Tag ja eh nur eine große Party ist. Dabei vergessen sie vollkommen, dass jeder CSD in erster Linie eine Demonstration ist und immer eine politische Agenda verfolgt.
Wir müssen den CSD ernst nehmen, denn wir queere Menschen sind nur einen Regierungswechsel davon entfernt, sämtliche Rechte wieder verlieren zu können. Wir müssen nur in andere Länder blicken, in Polen beispielsweise hat die Regierung nun LGBTQIA+-freie Zonen errichtet. Die Menschen dort können Pride nicht feiern, deshalb ist es so wichtig, uns mit diesen Menschen zu solidarisieren und unsere Freiheit zu nutzen.
Martina Kapuschinski (sie/ihr), 56: "Wir müssen das Erreichte auch bewahren."
Ich kümmere mich um die politische Eröffnung des CSDs, weil der Kampf um Akzeptanz und gleiche Rechte noch nicht vorbei ist. Wir müssen das Erreichte aber auch bewahren. Ein Rückschlag wäre fatal. Ich fordere weiterhin die Aufnahme der sexuellen Identität in Artikel 3 des Grundgesetzes. Das Familien- und Abstammungsrecht muss reformiert werden und in Bayern fehlt noch ein Aktionsplan gegen queerfeindliche Gewalt und Diskriminierung.
Wir in Deutschland müssen uns auch dafür einsetzen, damit weltweit die Situation Queerer sich verbessern und vor allem die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Liebe abgeschafft wird.
Der CSD ist auch wichtig für das Gemeinschaftsgefühl und das Selbstbewusstsein queerer Menschen. Sie sehen ich bin nicht allein, es gibt viele, die so beziehungsweise ähnlich fühlen wie ich.
Lucas Kesselhut (er/ihm), 29: "Die Gesellschaft ist keineswegs so tolerant, wie sie oft vorgibt."
Auch, wenn ich nicht derjenige bin, der einem CSD gezielt hinterherreist, bin ich der Meinung, dass es die Demonstration braucht. Warum? Weil die Gesellschaft keineswegs so tolerant ist, wie sie oft vorgibt. Denn je näher das Thema kommt, desto schneller schwindet häufig auch die Akzeptanz für die LGBTQ-Community - nach dem Motto "Schwul sein ist völlig okay, aber der Nachbar über mir soll doch bitte eine Ehefrau und keinen Ehemann küssen".
Die CSD-Demonstration kann helfen, sich zumindest für eine begrenzte Zeit nicht verstecken zu müssen. Und das ist extrem wichtig für Personen, denen der Mut fehlt, so zu leben, wie sie leben möchten.
Oft wird kritisiert, an den Paraden kippen sich die Teilnehmer stupide die Hucke voll und wanken sturzbesoffen und (halb)nackt durch die Gegend. Ob das denn die Toleranz für die queere Community fördere. Nein, sicher nicht. Aber das ist nur ein kleiner Teil der Teilnehmer*innen. Der Großteil möchte erreichen, dass queere Menschen endlich in einer gänzlich toleranten Gesellschaft leben können. Und darum geht es beim CSD – nach wie vor.
Dorie Hoffmann (sie/ihr), 40: "Für die Gleichberechtigung muss gekämpft werden!"
Derzeit wird häufig die Frage gestellt, ob es denn immer noch den CSD bräuchte, schließlich hat die queere Community doch schon so viel erreicht. Darauf möchte ich gerne zur Verdeutlichung eine Gegenfrage stellen: braucht es denn heuer noch einen Frauentag? Denn auch im Bereich Frauen*rechte hat sich doch seit dem Mittelalter viel getan... Bei beiden Beispielen lautet meine Antwort ganz klar: Ja, es braucht sie auf jeden Fall! Denn solange ein Teil der Gesellschaft noch unterdrückt, diskriminiert oder ausgegrenzt wird, muss für die Gleichberechtigung gekämpft werden.
Worüber sich streiten lässt, ist aus meiner Sicht einzig die Form der Demonstration. Der Großteil der (heterosexuellen) Gesellschaft denkt bei einem CSD an eine schrille, bunte Party. Wenn bei dem Demonstrationszug durch die Stadt dann auch noch Lkw mit lauter Musik, teils von Firmen gesponsert mitfahren, erhält das Ganze mitunter einen sehr kommerziellen Touch. Ob es das braucht, da gehen die Meinungen auch in der Community weit auseinander.
Am CSD machen queere Personen auf sich aufmerksam, indem sie sich sichtbar machen. Sie gehen gemeinsam auf die Straße, um mit Sprechchören, Schildern oder in Reden auf vorherrschende Missstände aufmerksam zu machen. Aber auch, um die Politik und die heteronormative Gesellschaft zum Umdenken aufzufordern.
Lillet Lube (sie/ihr), 23: "Es ist wichtig, Sichtbarkeit zu zeigen."
Es gibt immer noch tagtäglich queerfeindliche Übergriffe, deren trauriger Höhepunkt vor Kurzem in Oslo mit zwei Toten gipfelte. Auch in Würzburg wurden die beiden Regenbogenstreifen mehrmals mit grauer Farbe beschmiert und übermalt. Aufgrund dieser Übergriffe ist es umso wichtiger, Sichtbarkeit zu zeigen. Und wann geht das besser, als bei einem CSD. Nach zwei Jahren Corona Pause kann endlich wieder ein Demonstrationszug für die Rechte queerer Menschen durch die Innenstadt stattfinden. Es ist für die LGBTQIA+ Community wichtig, zusammenzukommen und sich gegenseitig auszutauschen. Vor allem für queere Menschen im ländlichen Raum gibt es nicht genügend Safe Spaces und daher ist der CSD ein wichtiges Ereignis im Jahr.
Obwohl schon viele Erfolge gefeiert werden konnten, gibt es noch vieles, wofür gekämpft werden muss. Wie zum Beispiel die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und den erschwerten Bedingungen für queere Menschen, Blut spenden zu können. Auch die andauernde Diskriminierung und Anfeindung queerer Menschen im Alltag ist leider immer noch ein Thema. Deshalb freue ich mich auch dieses Jahr, wieder für die Rechte queerer Menschen auf die Straße gehen zu können.
Der politische Auftakt des CSD Würzburg ist am Freitag, 8. Juli, um 19 Uhr im Ratssaal des Rathauses. Der Demozug am Samstag startet um 12 Uhr am Hauptbahnhof. Um 14 Uhr startet das Straßenfest mit Bühnenprogramm am Cube/Hublandplatz 1. Am Sonntag findet um 10 Uhr als Abschluss des CSD-Wochenendes ein QueerGottesdienst auf der Wiese nahe dem Zeller Tor beim Apothekenweiher statt.
"AIDS verseuchte Sau"
bezeichnet,
meine ( HIV+, VL UNG) Anzeige diesbezüglich hat allerdings weder die Polizei interessiert und erst recht keine Staatsanwaltschaft.
Ich hätte noch einige Beispiele mehr parat....
" Alleine die Tatsache, dass Du mit einem Mann zusammen bist, zeigt doch schon, wie blöd Du bist und dass Du nix im Kopf hast".
Juristisch ist da bisher nichts dagegen zu machen,
und wer hier die Notwendigkeit des Einsetzens für die Interessen queerer Menschen in Abrede stellt,
der die das hat's wohl immernoch nicht kapiert,
wie vielfältig die Diskriminierung durch sogenannte Normale daherkommen kann!
Auch den mutigen Frauen sei Danke gesagt, die für ihre Rechte gekämpft haben, prügelnden Ehepatriarchen zum Trotz.
Sonst wäre es wohl heut'noch normal, Kinder auf den richtigen Weg zu schlagen und die Ehefrau als persönliches Eigentum zu betrachten.
Ach so, diese Art Männer gibt's heute noch?
Dann muss es auch weitergehen mit dem Kampf für Akzeptanz und Gleichberechtigung!
Der Begriff Kampagne ist in diesem Zusammenhang unangebracht.
Und möglicherweise gibt's unglückliche Geschöpfe, deren einzige Motivation für Irgendwas darin besteht, an Geld kommen zu wollen, ich gehöre sicher nicht zu denen!
Ansonsten scheints fast, als hätten Sie zur Diskussion kaum etwas beizutragen ( außer ein paar albernen Mutmaßungen ohne Belege).