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Würzburg
Mit den Nacht-Mediatoren unterwegs an Würzburgs Hotspot: So reagieren die Feiernden am Sanderauer Mainufer
Die Anwohner wollen Ruhe, die jungen Leute feiern: Hier treffen berechtigte, aber gegensätzliche Interessen aufeinander. Wie vermitteln die Mediatoren am Mainufer der Würzburger Sanderau?
Die Mediatoren Thilo Wolf (vorne) und Stefan Schneider im Gespräch mit Feiernden auf der Sanderauer Mainwiese.
Foto: Thomas Obermeier | Die Mediatoren Thilo Wolf (vorne) und Stefan Schneider im Gespräch mit Feiernden auf der Sanderauer Mainwiese.
Anna Kirschner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:44 Uhr

Freitagabend am Sanderauer Mainufer: Es ist 20 Uhr, die Hitze des Tages ist angenehmer Wärme gewichen, und auf zahlreichen Picknickdecken sitzen junge Menschen. Einige Gruppen haben Musikboxen dabei, die Bässe dröhnen.

Deshalb sind heute drei Mediatoren und eine Mediatorin des Projekts "Miteinander leben & feiern – Allparteiliches Konfliktmanagement in Würzburg" unterwegs. Zusammen mit der projektleitenden Konfliktmanagerin Jenifer Gabel laufen sie das Mainufer ab dem Sebastian-Kneipp-Steg mainaufwärts ab. Ihr Ziel: mit den Feiernden ins Gespräch kommen und sie für die verschiedenen Interessen in der Sanderau sensibilisieren. Noch ist es hell, und das Ansprechen der Feiernden leichter.

Die Mediatoren und Mediatorinnen des Projekts 'Miteinander leben und feiern': Jochen Sauer, Sabrina Waldmann, Thilo Wolf, Projektleiterin Jenifer Gabel und Stefan Schneider (von links).
Foto: Thomas Obermeier | Die Mediatoren und Mediatorinnen des Projekts "Miteinander leben und feiern": Jochen Sauer, Sabrina Waldmann, Thilo Wolf, Projektleiterin Jenifer Gabel und Stefan Schneider (von links).

Glasflaschen und Musikboxen auf der Mainwiese

Schnell treffen die Mediatoren auf die erste große Ansammlung von Personen, die eine Musikbox dabei haben, aus der laute Musik kommt. Um die 20 Menschen prosten sich zu, Glasflaschen klirren, einige grölen und jubeln. Es handelt sich um zwei Gruppen, einen Junggesellinnenabschied und eine Gruppe Jura-Studierender, die heute ihre letzte Prüfung geschrieben haben. Die Mediatoren beschließen, sich vorzustellen.

Unterwegs sind sie immer in Zweierteams: Sabrina Waldmann, 31 Jahre, Sachbearbeiterin und ehemals im Sicherheitsdienst beschäftigt, und Jochen Sauer, 30 Jahre, Informatiker, bilden ein Team. Der 57-jährige Thilo Wolf, selbständiger Grafikdesigner, und Stefan Schneider stellen das zweite Team. Schneider, 53 Jahre alt und Psychologe und Gesundheitsmanager, nutzt eine Metapher, um sein Ziel zu beschreiben: "Das hier ist deren Wohnzimmer. Da sitzen Jungs und Mädels in Badehosen – ich gehe ja in deren Intimzone. Ich sensibilisiere nur dafür, dass andere auch ihr Wohnzimmer hier haben." Die anderen, das sind die Anwohnenden, die sich von den täglichen Feiern in ihrer Wohn- und Lebensqualität stark beeinträchtigt fühlen.

"Wir gehen einen rein kommunikativen Weg. (...) Wir haben kein Mandat, zu intervenieren."
Projektleiterin Jenifer Gabel
Janina Wulff (links) greift gerne in die Süßigkeitentüte, die Jochen Sauer und Sabrina Waldmann dabei haben. Maximilian Dappert (vorne) findet das Konzept der Stadt gut.
Foto: Thomas Obermeier | Janina Wulff (links) greift gerne in die Süßigkeitentüte, die Jochen Sauer und Sabrina Waldmann dabei haben. Maximilian Dappert (vorne) findet das Konzept der Stadt gut.

Ab 22 Uhr keine Musikboxen am Sanderauer Mainufer erlaubt

Die nächste Gruppe mit Musikbox ist nicht weit entfernt. Jochen Sauer und Sabrina Waldmann gehen auf sie zu, doch man versteht das Gespräch kaum, so laut ist die Musik. Sauer verteilt Lollis und Gummibärchen und erklärt ihr Anliegen, und dass ab 22 Uhr keine Musikboxen mehr erlaubt sind, aber hinter der Konrad-Adenauer-Brücke eine Feierzone eingerichtet ist.  Maximilian Dappert, 22, kennt die Regeln schon, die "finde ich sowieso gut". Auch die Feierzone: "Ich finde es geil, dass wir als Feiernde nach hinten gehen können. Nicht jeder will in den Club und zehn Euro für einen Drink zahlen."

Mit ihm feiert Janina Wulff, 23 Jahre alt. "Finde ich gut, dass ihr das macht", lautet ihr Feedback an die Mediatoren. Und: "Man versteht das, hier sind Anwohner und Kinder. Die wollen nicht gestört werden. Um zehn Uhr nach hinten gehen, ist voll okay."

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Mediatorin Sabrina Waldmann freut sich über das positive Feedback: "Nicht jeder nimmt's so positiv auf", sagt sie zu Wulff. "Danke für euer Verständnis", sagt Jochen Sauer, "dann bleibt mal weiter im Flow." Der erste Kontakt ist geknüpft.

Die Musik wird nicht unmittelbar leiser, doch ohnehin ist das Ziel des Teams Prävention statt Intervention, sagt Projektleiterin Jenifer Gabel: "Wir gehen einen rein kommunikativen Weg. Wir sind kein Teil von sozialer Arbeit oder Polizei oder Ordnungsdienst. Wir haben kein Mandat, zu intervenieren."

Nacht-Mediatorin Sabrina Waldmann und ihr Teamkollege  Jochen Sauer waren am Freitag zwischen 20 und ein Uhr am Mainufer unterwegs.
Foto: Thomas Obermeier | Nacht-Mediatorin Sabrina Waldmann und ihr Teamkollege  Jochen Sauer waren am Freitag zwischen 20 und ein Uhr am Mainufer unterwegs.

Die nächste Gruppe besteht aus etwa zehn Personen, sie sitzen in ihre Unterhaltung vertieft auf einer Picknickdecke. Hier läuft keine Musik. Sabrina Waldmann und Jochen Sauer nähern sich dennoch. "Hi, wir wollen uns vorstellen", sagt Waldmann. "Wir schauen, ob es euch gut geht beim Feiern. Wenn ihr was braucht, dürft ihr uns das sagen." Die Gruppe hört aufmerksam zu. Nach einem kurzen Austausch verabschieden sich Waldmann und Sauer wieder, sie wollen nicht stören. "Sehr sympathisch", findet die Gruppe. "Die meisten Sachen lassen sich durch Kommunikation lösen", sagt ein junger Mann, "fünf Sterne auf Google!", ein anderer.

"Ich hatte echt Angst, dass hier alles verboten wird, Alkohol, Musik, das ganze Leben am Main."
Dennis Aç, Wirtschaftsstudent

Bässe vom Mainufer lassen Fensterscheiben vibrieren

Gegen 20.45 Uhr ist die erste Runde am Mainufer beendet. Jenifer Gabel eilt nach Hause, um Süßigkeiten-Nachschub zu besorgen. Sie wohnt selbst in der Sanderau, nah an den Mainwiesen. Als sie zurückkehrt, berichtet sie, dass in ihrer Wohnung die Fensterscheiben von den lauten Bässen vibrieren. Die Mediatoren teilen sich auf: Jenifer Gabel, Sabrina Waldmann und Jochen Sauer laufen weiter in Richtung Mainterrassen. Thilo Wolf und Stefan Schneider kehren um, zurück Richtung Stadtmitte, um die Gruppen mit den lauten Musikboxen noch einmal anzusprechen. 

Fotoserie

Eine Gruppe von an die 20 Menschen ist dazugekommen, auch darunter viele Studenten, die das Ende ihrer Prüfungsphase feiern. Aus einer Musikbox dringt laute Musik. Der 24-jährige Dennis Aç, Wirtschaftsstudent, spricht Schneider direkt an, fragt, was ab 22 Uhr gilt, und wie die erste Woche für die Nacht-Mediatoren lief. Das Konzept findet er "top. Ich hatte echt Angst, dass hier alles verboten wird, Alkohol, Musik, das ganze Leben am Main."

Thilo Wolf kommt mit anderen Gruppenmitgliedern ins Gespräch. "Die einen wollen feiern, die anderen schlafen", sagt Wolf. Ein Student stimmt ihm zu: "Was ja voll verständlich ist." Eine Formulierung, die an diesem Abend häufig fällt: "voll verständlich." Die meisten jungen Leute haben nichts gegen das Bedürfnis der Anwohnenden, ihre Ruhe zu haben – aber vor 22 Uhr wollen sie auch feiern dürfen. Es geht um die unterschiedlichen, berechtigten Ansprüche an den öffentlichen Raum in der Stadt.

Aber nicht alle können mit der Rolle der Mediatoren und Mediatorinnen etwas anfangen. Der 22-jährige Paul etwa findet: Ich habe Respekt vor Leuten, die ihren Job machen, und wenn die mit mir reden wollen, werde ich zuhören. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Ziele strenger werden. Dass solche Leute dann Spaßbremsen werden. Und dann könnte ich mir vorstellen, dass es bei manchen Gruppen, die mehr Alkohol getrunken haben, zur Eskalation kommt." Doch während Paul das erzählt, zeigt die Sensibilisierung Wirkung: Jemand dreht die Musik leiser. 

Eines der zentralen Probleme: Laute Musikboxen gehören für die jungen Leute zum Feiern dazu, stören aber die Anwohnenden.
Foto: Thomas Obermeier | Eines der zentralen Probleme: Laute Musikboxen gehören für die jungen Leute zum Feiern dazu, stören aber die Anwohnenden.

Eine weitere Gruppe feiernder Studierender überzeugen die Mediatoren Schneider und Wolf, die verstreuten Bierflaschen aufzusammeln. Ohne zu ermahnen, sondern mit der Anmerkung: Hier könnte jemand stolpern. Auf dem weiteren Weg Richtung Norden zeigt sich: Die Gruppe mit der lauten Musikbox, der Maximilian Dappert und Janina Wulff angehörten, ist verschwunden. Dafür feiern die Frauen des Junggesellinnenabschieds und die Jura-Studenten noch bei lauter Musik. Die Bässe wummern, mittlerweile ist es dunkel, etwa 21.40 Uhr. Es gibt keine Beleuchtung. Die Laternen, die die Mediatoren und Mediatorinnen am Gürtel tragen, spenden etwas Licht. Gabel, Sauer und Waldmann haben inzwischen aufgeschlossen. 

Teilweise wird die Musik nach der Kontaktaufnahme leiser gemacht

Das Konzept, sich erst bei Tageslicht vorzustellen, und dann bei Dunkelheit an den Erstkontakt anzuschließen, hat funktioniert. Einige der teilweise betrunkenen Feiernden erinnern sich, man kommt schnell wieder ins Gespräch. Sabrina Waldmann nimmt Kontakt mit einigen der Feiernden auf, die die Musik leiser drehen. "Voll korrekt von dir", sagt sie. 

Währenddessen unterhält sich Jenifer Gabel mit dem Jurastudenten Calvin: "Warum geht ihr nicht einfach weiter hoch, Richtung Weiher?" Calvin zeigt sich diskussionsfreudig: "Was ist der Unterschied? Ich könnte mit meiner Box da hinten auch die Anwohner hier vorne stören. Ich verstehe die andere Seite, aber es braucht auch freien Raum zum Feiern."

Kurz vor 22 Uhr brechen die Frauen vom Junggesellinnenabschied und die Jurastudenten dann auf. Decken werden ausgeschüttelt, Habseligkeiten zusammengesammelt. Sie wollen in der Sanderstraße weiterfeiern. Die Mediatorinnen und Mediatoren drehen bis etwa ein Uhr weiter ihre Runde.

 
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Kommentare
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  • Apfelkorn
    Manche Menschen müssen sich immer antreiben und feiern, weil sie nicht zu sich selbst finden können. Sie befürchten in ein Loch zu fallen, wenn sie erst einmal nüchtern sind. Einige können es zudem nicht ertragen , sich von anderen zu unterscheiden. Sie können sich nur den anderen als ebenbürtig empfinden, wenn sie im Suff alles gleichmachen. Nur bei einem für sie vorteilhaften Event können sie sich zufriedengeben, denn Wesensgleichheit macht stark. Doch diese Stärke kann auch eine Schwäche sein.
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  • al-holler@t-online.de
    Na Mädels, freut Ihr Euch wenigstens, so schön ins Bild gesetzt zu sein - mit der Bierflasche in der Hand; DAS bleibt Euch😌
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  • clubfan2@gmx.de
    da freut sich der zukünftige Arbeitgeber zwinkern
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  • kritischerbeobachter
    Ich finde die Mediierenden ja ganz goldig, ihr persönliches Engagement ist lobenswert.
    Allerdings sieht das Verteilen von Süßigkeiten schon etwas sehr nach Kindergarten aus. Brauchen wir wirklich permanentes Nudging, um uns in der Öffentlichkeit vernünftig und rücksichtsvoll zu verhalten? Mir geht diese Infantilisierung deutlich zu weit.
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  • matthiasr
    „Eine weitere Gruppe feiernder Studierender überzeugen“

    Es gibt KEINE „feiernder Studierende“, wenn sie feiern, dann studieren sie nicht! Dann sind es feiernde Studenten!

    Klappt ja auch weiter oben das Wort Studenten richtig zu verwenden!

    Toi, toi, schreib Dich nicht ab!
    Es geht auch ohne gendern!
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  • al-holler@t-online.de
    Ach wie Recht Sie doch haben, ein weiterer Beleg für den Genderirrsinn.....
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  • al-holler@t-online.de
    nicht unbedingt, denn der wird mangels Bewerber(inne)n in Zukunft eh alles nehmen ( müssen), was einigermaßen "geradeaus laufen " und 2 + 2 im Kopf addieren kann, da spielt so ein Foto vmtl.kaum noch eine Rolle; aber DAS NETZ VERGISST NIX
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  • al-holler@t-online.de
    Sorry, verrutscht,😌, ist eigentl. Antwort an MeineZeitung.....
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  • reutjo
    Na dann also...
    "Friede Freude Eierkuchen" ....

    ("nachher gehen wir in die Sanderstrasse") .......
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  • gebsch.albrecht@web.de
    Bezweifle, dass beim Abfeiern in der Sanderstrasse das Leergut mitgeschleppt wurde.
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  • klafie
    wie bei kleinen kindern - lollis usw. verteilen naja,... hoffentlich haben sich die jugendlichen dann auch dafür bedankt und anständig verhalten, vorallem nach 22.00 uhr
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