Freitagabend am Sanderauer Mainufer: Es ist 20 Uhr, die Hitze des Tages ist angenehmer Wärme gewichen, und auf zahlreichen Picknickdecken sitzen junge Menschen. Einige Gruppen haben Musikboxen dabei, die Bässe dröhnen.
Deshalb sind heute drei Mediatoren und eine Mediatorin des Projekts "Miteinander leben & feiern – Allparteiliches Konfliktmanagement in Würzburg" unterwegs. Zusammen mit der projektleitenden Konfliktmanagerin Jenifer Gabel laufen sie das Mainufer ab dem Sebastian-Kneipp-Steg mainaufwärts ab. Ihr Ziel: mit den Feiernden ins Gespräch kommen und sie für die verschiedenen Interessen in der Sanderau sensibilisieren. Noch ist es hell, und das Ansprechen der Feiernden leichter.
Glasflaschen und Musikboxen auf der Mainwiese
Schnell treffen die Mediatoren auf die erste große Ansammlung von Personen, die eine Musikbox dabei haben, aus der laute Musik kommt. Um die 20 Menschen prosten sich zu, Glasflaschen klirren, einige grölen und jubeln. Es handelt sich um zwei Gruppen, einen Junggesellinnenabschied und eine Gruppe Jura-Studierender, die heute ihre letzte Prüfung geschrieben haben. Die Mediatoren beschließen, sich vorzustellen.
Unterwegs sind sie immer in Zweierteams: Sabrina Waldmann, 31 Jahre, Sachbearbeiterin und ehemals im Sicherheitsdienst beschäftigt, und Jochen Sauer, 30 Jahre, Informatiker, bilden ein Team. Der 57-jährige Thilo Wolf, selbständiger Grafikdesigner, und Stefan Schneider stellen das zweite Team. Schneider, 53 Jahre alt und Psychologe und Gesundheitsmanager, nutzt eine Metapher, um sein Ziel zu beschreiben: "Das hier ist deren Wohnzimmer. Da sitzen Jungs und Mädels in Badehosen – ich gehe ja in deren Intimzone. Ich sensibilisiere nur dafür, dass andere auch ihr Wohnzimmer hier haben." Die anderen, das sind die Anwohnenden, die sich von den täglichen Feiern in ihrer Wohn- und Lebensqualität stark beeinträchtigt fühlen.
Ab 22 Uhr keine Musikboxen am Sanderauer Mainufer erlaubt
Die nächste Gruppe mit Musikbox ist nicht weit entfernt. Jochen Sauer und Sabrina Waldmann gehen auf sie zu, doch man versteht das Gespräch kaum, so laut ist die Musik. Sauer verteilt Lollis und Gummibärchen und erklärt ihr Anliegen, und dass ab 22 Uhr keine Musikboxen mehr erlaubt sind, aber hinter der Konrad-Adenauer-Brücke eine Feierzone eingerichtet ist. Maximilian Dappert, 22, kennt die Regeln schon, die "finde ich sowieso gut". Auch die Feierzone: "Ich finde es geil, dass wir als Feiernde nach hinten gehen können. Nicht jeder will in den Club und zehn Euro für einen Drink zahlen."
Mit ihm feiert Janina Wulff, 23 Jahre alt. "Finde ich gut, dass ihr das macht", lautet ihr Feedback an die Mediatoren. Und: "Man versteht das, hier sind Anwohner und Kinder. Die wollen nicht gestört werden. Um zehn Uhr nach hinten gehen, ist voll okay."
Mediatorin Sabrina Waldmann freut sich über das positive Feedback: "Nicht jeder nimmt's so positiv auf", sagt sie zu Wulff. "Danke für euer Verständnis", sagt Jochen Sauer, "dann bleibt mal weiter im Flow." Der erste Kontakt ist geknüpft.
Die Musik wird nicht unmittelbar leiser, doch ohnehin ist das Ziel des Teams Prävention statt Intervention, sagt Projektleiterin Jenifer Gabel: "Wir gehen einen rein kommunikativen Weg. Wir sind kein Teil von sozialer Arbeit oder Polizei oder Ordnungsdienst. Wir haben kein Mandat, zu intervenieren."
Die nächste Gruppe besteht aus etwa zehn Personen, sie sitzen in ihre Unterhaltung vertieft auf einer Picknickdecke. Hier läuft keine Musik. Sabrina Waldmann und Jochen Sauer nähern sich dennoch. "Hi, wir wollen uns vorstellen", sagt Waldmann. "Wir schauen, ob es euch gut geht beim Feiern. Wenn ihr was braucht, dürft ihr uns das sagen." Die Gruppe hört aufmerksam zu. Nach einem kurzen Austausch verabschieden sich Waldmann und Sauer wieder, sie wollen nicht stören. "Sehr sympathisch", findet die Gruppe. "Die meisten Sachen lassen sich durch Kommunikation lösen", sagt ein junger Mann, "fünf Sterne auf Google!", ein anderer.
Bässe vom Mainufer lassen Fensterscheiben vibrieren
Gegen 20.45 Uhr ist die erste Runde am Mainufer beendet. Jenifer Gabel eilt nach Hause, um Süßigkeiten-Nachschub zu besorgen. Sie wohnt selbst in der Sanderau, nah an den Mainwiesen. Als sie zurückkehrt, berichtet sie, dass in ihrer Wohnung die Fensterscheiben von den lauten Bässen vibrieren. Die Mediatoren teilen sich auf: Jenifer Gabel, Sabrina Waldmann und Jochen Sauer laufen weiter in Richtung Mainterrassen. Thilo Wolf und Stefan Schneider kehren um, zurück Richtung Stadtmitte, um die Gruppen mit den lauten Musikboxen noch einmal anzusprechen.
Eine Gruppe von an die 20 Menschen ist dazugekommen, auch darunter viele Studenten, die das Ende ihrer Prüfungsphase feiern. Aus einer Musikbox dringt laute Musik. Der 24-jährige Dennis Aç, Wirtschaftsstudent, spricht Schneider direkt an, fragt, was ab 22 Uhr gilt, und wie die erste Woche für die Nacht-Mediatoren lief. Das Konzept findet er "top. Ich hatte echt Angst, dass hier alles verboten wird, Alkohol, Musik, das ganze Leben am Main."
Thilo Wolf kommt mit anderen Gruppenmitgliedern ins Gespräch. "Die einen wollen feiern, die anderen schlafen", sagt Wolf. Ein Student stimmt ihm zu: "Was ja voll verständlich ist." Eine Formulierung, die an diesem Abend häufig fällt: "voll verständlich." Die meisten jungen Leute haben nichts gegen das Bedürfnis der Anwohnenden, ihre Ruhe zu haben – aber vor 22 Uhr wollen sie auch feiern dürfen. Es geht um die unterschiedlichen, berechtigten Ansprüche an den öffentlichen Raum in der Stadt.
Aber nicht alle können mit der Rolle der Mediatoren und Mediatorinnen etwas anfangen. Der 22-jährige Paul etwa findet: Ich habe Respekt vor Leuten, die ihren Job machen, und wenn die mit mir reden wollen, werde ich zuhören. Aber ich kann mir vorstellen, dass die Ziele strenger werden. Dass solche Leute dann Spaßbremsen werden. Und dann könnte ich mir vorstellen, dass es bei manchen Gruppen, die mehr Alkohol getrunken haben, zur Eskalation kommt." Doch während Paul das erzählt, zeigt die Sensibilisierung Wirkung: Jemand dreht die Musik leiser.
Eine weitere Gruppe feiernder Studierender überzeugen die Mediatoren Schneider und Wolf, die verstreuten Bierflaschen aufzusammeln. Ohne zu ermahnen, sondern mit der Anmerkung: Hier könnte jemand stolpern. Auf dem weiteren Weg Richtung Norden zeigt sich: Die Gruppe mit der lauten Musikbox, der Maximilian Dappert und Janina Wulff angehörten, ist verschwunden. Dafür feiern die Frauen des Junggesellinnenabschieds und die Jura-Studenten noch bei lauter Musik. Die Bässe wummern, mittlerweile ist es dunkel, etwa 21.40 Uhr. Es gibt keine Beleuchtung. Die Laternen, die die Mediatoren und Mediatorinnen am Gürtel tragen, spenden etwas Licht. Gabel, Sauer und Waldmann haben inzwischen aufgeschlossen.
Teilweise wird die Musik nach der Kontaktaufnahme leiser gemacht
Das Konzept, sich erst bei Tageslicht vorzustellen, und dann bei Dunkelheit an den Erstkontakt anzuschließen, hat funktioniert. Einige der teilweise betrunkenen Feiernden erinnern sich, man kommt schnell wieder ins Gespräch. Sabrina Waldmann nimmt Kontakt mit einigen der Feiernden auf, die die Musik leiser drehen. "Voll korrekt von dir", sagt sie.
Währenddessen unterhält sich Jenifer Gabel mit dem Jurastudenten Calvin: "Warum geht ihr nicht einfach weiter hoch, Richtung Weiher?" Calvin zeigt sich diskussionsfreudig: "Was ist der Unterschied? Ich könnte mit meiner Box da hinten auch die Anwohner hier vorne stören. Ich verstehe die andere Seite, aber es braucht auch freien Raum zum Feiern."
Kurz vor 22 Uhr brechen die Frauen vom Junggesellinnenabschied und die Jurastudenten dann auf. Decken werden ausgeschüttelt, Habseligkeiten zusammengesammelt. Sie wollen in der Sanderstraße weiterfeiern. Die Mediatorinnen und Mediatoren drehen bis etwa ein Uhr weiter ihre Runde.
Allerdings sieht das Verteilen von Süßigkeiten schon etwas sehr nach Kindergarten aus. Brauchen wir wirklich permanentes Nudging, um uns in der Öffentlichkeit vernünftig und rücksichtsvoll zu verhalten? Mir geht diese Infantilisierung deutlich zu weit.
Es gibt KEINE „feiernder Studierende“, wenn sie feiern, dann studieren sie nicht! Dann sind es feiernde Studenten!
Klappt ja auch weiter oben das Wort Studenten richtig zu verwenden!
Toi, toi, schreib Dich nicht ab!
Es geht auch ohne gendern!
"Friede Freude Eierkuchen" ....
("nachher gehen wir in die Sanderstrasse") .......