Maria Mesrian gehört zu den Frauen der Reforminitiative Maria 2.0 in Köln. Die in Wertheim geborene und in Lauda im Main-Tauber-Kreis aufgewachsene, weithin bekannte Aktivistin engagiert sich zum Thema Gleichberechtigung und Machtmissbrauch in der katholischen Kirche. Die verschleppte Aufklärung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln sieht die 46-Jährige als Problem, das die gesamte deutsche Kirche betrifft. Im Interview spricht die freiberufliche Theologin, die in Würzburg studiert hat, über Glücksfälle und erläutert, was sie in der katholischen Kirche fassungslos macht.
Maria Mesrian: Wir haben in Köln sofort im Mai 2019 die Initiative der Frauen aus Münster aufgegriffen. Für uns war das wie ein Befreiungsschlag. Anfangs waren wir nur wenige, aber inzwischen haben sich viele Frauen und Männer aus der Mitte der Gemeinden uns angeschlossen. Heute sind wir viele und weit über die Grenzen Deutschlands bekannt – das ist ein großer Glücksfall. Im Catholic Women’s Council, das wir 2019 mitbegründet haben, sind wir inzwischen auf allen Kontinenten vertreten und kämpfen für die Würde und Achtung der Frauen. Es ist wichtig, dass es so etwas wie eine Opposition innerhalb der Kirche gibt. Das gab es vorher nicht. Ich bin mir sicher, dass viele Dinge in Köln anders abgelaufen wären, wenn wir uns nicht so vehement für Gerechtigkeit gegenüber den Betroffenen von sexualisierter Gewalt eingesetzt hätten.
Mesrian: Die Gleichberechtigung ist ein sehr wichtiges Thema. Gerechtigkeit gehört zu den zentralen Themen der Botschaft Jesu. Ist sie in den Strukturen der Kirche nicht verwirklicht, verdunkelt sie die Botschaft des Evangeliums. Warum soll eine Frau die frohe Botschaft nicht genauso wie ein Mann zu den Menschen bringen können? Der Ausschluss von Frauen ist nicht hinnehmbar und theologisch nicht gerechtfertigt. Was die Priesterweihe für Frauen angeht, gibt es verschiedene Meinungen. Die meisten Frauen möchten nicht in dieses System hineingeweiht werden.
Mesrian: Mich hat das Thema der sexualisierten Gewalt sehr bewegt. Wenn man einmal einem Betroffenen zugehört hat, sich ihrem Leid ausgesetzt hat, gibt es keine andere Perspektive mehr. Die Kirche hat viel Schuld auf sich geladen. Und das Schlimmste: Sie tut es weiterhin. Dabei steht ein System zur Disposition, das Machtmissbrauch zu leicht ermöglicht. Warum Kirche die riesige Wunde des Missbrauchs zugedeckt hat, das muss man anschauen. Und man muss benennen, was ist. Ich bin mit vielen Betroffenen im Gespräch. Maria 2.0 ist an ihrer Seite. Viele Katholikinnen und Katholiken, auch wir, haben viele Jahre die Augen verschlossen. Ich werde sehr demütig, wenn ich mit Betroffenen spreche. Es bedeutet ihnen sehr viel, dass ihr Leid endlich wahrgenommen wird und die Menschen sich mit ihnen solidarisieren.
Mesrian: Das System ist nicht mehr haltbar, weil das Unrecht in aller Deutlichkeit zu Tage tritt. In Köln steht jedoch nicht nur Erzbischof Woelki, sondern auch die zweite Reihe im Fokus. Viele aktive Amtsträger haben in den vergangenen Jahren in hohen Positionen Verantwortung getragen. Ihr Schweigen während dieser ganzen Zeit kann eigentlich nur bedeuten, dass keine Einsicht vorhanden ist.
Mesrian: Das ist kein Datum für uns. Kein Gutachten der Welt kann die Tatsache ersetzen, dass persönliche Einsicht wichtig ist, um Gerechtigkeit für die Betroffenen zu erreichen. Wir sehen in Köln, dass die Kirche die Aufarbeitung nicht selbst leisten kann. Köln sollte eine Mahnung für alle anderen Bistümer sein. Wir Frauen setzen uns, wie es die Betroffenen auch fordern, für eine Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission ein, für eine unabhängige Aufarbeitung, die von außen kommt. Wir werden alles dafür tun, dass das Thema noch mehr in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
Mesrian: Am 19. März wird es von 17 bis 18 Uhr vor dem Kölner Dom eine Schweigewache geben unter dem Titel: "An eurer Seite für Gerechtigkeit". Wir wollen unserer Betroffenheit und Fassungslosigkeit Ausdruck verleihen, weil wir sehen, dass immer noch Täter - und Institutionsschutz im Vordergrund stehen und niemand persönliche Verantwortung übernimmt und die strukturellen Ursachen in den Blick nimmt.
Mesrian: Das ist eine Schande. Ich dachte, Betroffene wären von Anfang an beim Synodalen Weg miteinbezogen. Denn der Synodale Weg wurde eingesetzt, um die Ursachen des Missbrauchs in den Blick zu nehmen. Dass erst jetzt Betroffenen zu Wort kommen, ist absurd.
Mesrian: Das sehen wir auch in Köln. Und das ist letztlich der Grund, warum wir sagen: Die Aufklärung muss von außen erfolgen mit von den deutschen Bischöfen völlig unabhängigen Kommissionen. Was in Köln passiert, ist eine Tragödie, die sich in anderen Bistümern wiederholen wird.
Mesrian: Unser Standpunkt ändert sich nicht: Die Kölner Amtsträger - sowohl die Bistumsspitze als auch das gesamte Domkapitel - haben durch ihre dröhnendes Schweigen den Betroffenen immer wieder neue Wunden zugefügt. Alles, was wir bisher wissen, reicht schon, um zu sagen: "Ihr seid nicht in der Lage moralisch Verantwortung zu übernehmen." Hinzu kommt, dass die Kölner Bistumsverantwortlichen den Synodalen Weg von Anfang boykottiert und beschädigt haben. Der Synodale Weg wurde eingesetzt, um neue Wege zu beschreiten aus den Erkenntnissen der großen Missbrauchsstudie. Die Bischöfe müssten viel mutiger gegenüber Rom auftreten. Der Synodale Weg ist keine Veranstaltung linker Kirchenrevoluzzer. Es darum, ob die Kirche auf der Spur Jesu bleibt oder nicht. Die gesamte Kirche sollte einen synodalen Weg beschreiten, der die Ursachen für Missbrauch in den Blick nimmt und für Veränderungen eintritt. Denn Missbrauch ist in der ganzen Weltkirche präsent.
Mesrian: Das Machtsystem muss auf den Kopf gestellt werden. Wir brauchen in der Kirche demokratische Strukturen, die die Macht kontrollieren. Und dazu schlicht und ergreifend eine Orientierung am Evangelium, an der Botschaft Jesu, in der es zentral um Gerechtigkeit und Liebe geht. Darauf muss sich die Kirche, wenn sie wirklich eine Zukunft haben will, schnellstens konzentrieren. Vielleicht bedeutet das das Ende der alten Form Kirche. Vielleicht muss man sich damit anfreunden, dass Altes sterben muss, damit Neues entstehen kann.
Mesrian: Wir rufen keine Spaltung hervor. Eine unserer Frauen, Lisa Kötter, hat gesagt: "Spalten kann man nur starre Dinge." Wenn etwas erstarrt ist, hat es keine Kraft mehr. Deshalb ist es wichtig, dass man klar die Probleme benennt und mutig für Reformen eintritt. Wir erleben in Köln beispielsweise eine große Dynamik. Auch viele Priester solidarisieren sich mit uns. Denn die Botschaft Jesu ist zu kostbar, dass sie in starren Strukturen erstickt wird.
Buchtipp: Von Lisa Kötter, Künstlerin aus Münster und eine der Gründerinnen der Reformbewegung Maria 2.0, ist gerade ein Buch erschienen: "Schweigen war gestern. Maria 2.0 – Der Aufstand der Frauen in der katholischen Kirche", bene Verlag Droemer Knaur, 14 Euro.
Ich finde nur die verzerrte Wahrnehmung der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle - was teilweise auch bewusst so dargestellt wird- einfach unmöglich!
Bei den Themen die im Thesenanschlag angesprochen wurden, ist dringend Veränderung notwendig!
In einem Interview des WDR sagte er am vergangenen Sonntag wörtlich:
«Im Hinblick auf eine strukturierte unabhängige Aufarbeitung ist es tatsächlich so, dass die katholische Kirche in einer Vorreiterrolle ist»
"Mit der evangelischen Kirche zum Beispiel verhandle er derzeit noch über eine entsprechende Vereinbarung, wie er sie mit der katholischen Kirche im vergangenen Jahr abgeschlossen habe, ergänzte Rörig."
Weiter:
"Rörig räumte zugleich ein, dass es in Deutschland noch grossen Nachholbedarf gebe, die Aufarbeitung voranzutreiben in den Bereichen Sport, Schulen und Familie. Politik und Gesellschaft hätten den Kampf gegen Missbrauch und die Aufarbeitung ...
https://www.kath.ch/newsd/roerig-katholische-kirche-ist-in-vorreiterrolle-bei-aufarbeitung/