Kürzlich tauchte überraschend eine bislang nicht öffentliche Variante des Bilds "Würzburger Totentanz" auf, das der 2014 verstorbene Künstler Wolfgang Lenz geschaffen hat. Das Werk entstand 1971 für eine private Auftraggeberin. Diese hatte den "Würzburger Totentanz", eine allegorische Darstellung der Alten Mainbrücke zum Gedenken an den 16. März 1945, gesehen und wünschte sich eine zweite Version des Gemäldes. Da der Künstler keine Replik fertigen wollte, kreierte er eine neue Variante, die sich sowohl in Stimmungsgehalt als auch in der Darstellungsform deutlich vom Original unterscheidet.
Bis zu ihrem Tod befand sich das Gemälde mit dem Titel "Zum 16. März 1945" im Besitz der Privatperson. Kürzlich gaben ihre Erben das Werk für den Markt frei. "Das Auftauchen dieses Gemäldes von Wolfgang Lenz war für uns eine kleine Sensation – eine Variante des berühmten Bildes, die aber gleichzeitig auch so anders ist", sagt Henrike Holsing, stellvertretende Leiterin des Museum im Kulturspeicher Würzburg. Mit städtischen Mitteln und Spenden für das Museum im Kulturspeicher konnte das Bild im Handel erworben werden und befindet sich nun im Kulturspeicher – als ein wichtiges Zeugnis der Kunst- und Zeitgeschichte von Würzburg.
Der Künstler Wolfgang Lenz als Vertreter des "Phantastischen Realismus"
Wolfgang Lenz wurde 1925 in Würzburg geboren und absolvierte seine Ausbildung zum Wandmaler an der Münchner Akademie. In seinen Bildern kombiniert Lenz das Unheimliche mit dem Schönen oder verweist mahnend auf die Vergangenheit, gepaart mit subtilem Witz. Kunsthistorisch lassen sich seine Werke dem "Phantastischen Realismus" zuordnen, einer europäischen Strömung, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Surrealismus entstand.
Der "Würzburger Totentanz" und die zweite Variante "Zum 16. März 1945"
In seinem Werk "Würzburger Totentanz", das Lenz 1970 schuf, stellte er die Ruinen seiner Heimatstadt dar, eine künstlerische Mahnung an die Zerstörungswut des Zweiten Weltkriegs. Die Farbwahl ist dunkel und bedrückend, die Gerippe der Heiligen, die die Alte Mainbrücke säumen, wirken furchteinflößend. Diese kalte Darstellung verweigert jegliche Art der Hoffnung und kann im Museum für Franken besichtigt werden.
Eine ähnliche Szene bietet sich dem Betrachter der neuen Version, die 1971 entstand. Diese thematisiert jedoch die Brandnacht, was sich auch im Titel des Bildes "Zum 16. März 1945" widerspiegelt. Der Betrachter blickt auf die brennende Stadt Würzburg; besonders der Dom und das Rathaus stehen in orangeroten Flammen. Ein markanter Unterschied zur ersten Version ist die Menschenmenge, die sich auf der Mainbrücke fliehend zusammendrängt. Die Heiligen wenden sich dem vor den Flammen flüchtenden Volk zu – mit beschützenden Gesten. Besonders ins Augenmerk rückt das Christkind, das in einem strahlenden Gold gemalt wurde und sich zu Füßen des heiligen Josephus befindet. Dieses hat den Arm erhoben, und seine Finger weisen aus der Stadt.
Das Bild "Zum 16. März 1945" wird eine wichtige Position in Raum 5 der Städtischen Sammlung einnehmen, denn es bildet den Auftakt der Kunst nach Kriegsende. "In seiner lebhaften Dramatik und der starken Bewegung ist das Bild von besonderer Qualität und stärkt die Nachkriegsabteilung unserer Städtischen Sammlung nachhaltig", so Holsing. Zusammen mit anderen Gemälden von Würzburger Künstlern der Nachkriegsjahre – wie Curd Lessig und Dieter Stein – kann das nun öffentliche Werk von Lenz bestaunt werden.
Für Interessierte: Kurzführung am 16. März
Die Neuerwerbung von Lenz' zweiter Variante bietet Anlass für eine Kurzführung im Museum im Kulturspeicher, die am 16. März, dem Jahrestag der Zerstörung Würzburgs, angeboten wird. "Die Auseinandersetzung mit dieser maßgeblichen künstlerischen Verarbeitung der Ereignisse vom 16. März fügt dem reichhaltigen Programm dieses wichtigen Erinnerungstags eine visuelle Facette hinzu", so Holsing.
Interessierte können das Bild "Zum 16. März 1945" in einer Kurzführung mit Henrike Holsing anlässlich des Jahrestags der Zerstörung Würzburgs erleben - am Mittwoch, 16. März, um 15 Uhr, im Museum im Kulturspeicher. Die Führung selbst ist kostenlos (Eintritt Museum: 4,50 Euro).