Peter Stein blättert in einem Büchlein mit handschriftlichen Notizen: „Hier ist es, von Goethe. Das beschreibt die Beziehung zu meinem Vater ganz gut: 'Das Schrecklichste für den Schüler ist, dass er sich am Ende doch gegen den Meister wiederherstellen muss. Je kräftiger das ist, was dieser gibt, in desto größerem Unmut, ja Verzweiflung ist der Empfangende.'“
Der Maler Peter Stein sitzt in seinem Haus in Veitshöchheim, eine Etage tiefer befindet sich sein Atelier, das von kreativem Chaos bestimmt wird. Die Begeisterung für die Kunst wurde ihm in die Wiege gelegt, er ist zwischen Pinseln und Leinwänden aufgewachsen: Sein Vater Dieter Stein ist ebenfalls Künstler, er malt selbst im hohen Alter von 92 Jahren noch täglich. Beide sind in der Region durch zahlreiche Ausstellungen bekannt.
Peter Stein erzählt, dass ihn lange Zeit das Gefühl begleitet hat, er müsse sich künstlerisch gegen den Vater behaupten – obwohl dieser immer gegen ein Konkurrenzdenken gewesen sei.
Dennoch sei dieses freundschaftliche Kräftemessen auch förderlich für die Qualität seiner Arbeiten gewesen, gerade bei den ersten gemeinsamen Ausstellungen. „Insgesamt haben wir aber mehr miteinander als gegeneinander gearbeitet“, sagt Stein.
Sein Vater sei unkonventionell, eine Eigenschaft, die er sehr an ihm schätze. Dennoch wollte der Künstler unbedingt, dass sein Sohn einen bürgerlichen Beruf erlernt: Er wusste schließlich nur zu gut, welche Schwierigkeiten das Künstlerdasein mit sich bringt.
Die nicht-bürgerliche, „andere“ Lebensweise hat Peter Stein aber ebenfalls gereizt. Lange Zeit war er sich nicht sicher, ob er wirklich Künstler werden soll – oder lieber Pädagoge. Er ist beides geworden. Denn letztlich entschied sich der heute 63-jährige für ein Studium der Germanistik, Romanistik und Kunstpädagogik. Das eigene künstlerische Schaffen verfolgte er nebenher immer weiter.
Nachdem er 25 Jahre lang freiberuflich als Künstler gearbeitet hat, nahm er 2007 eine Stelle als Fachlehrer für Gestaltung an der Montessori-Fachoberschule an. Und war froh, dass er den väterlichen Rat befolgt hatte, und damals sein Kunstpädagogik-Studium abgeschlossen hatte:
„Ich bin mit vollem Herzen Lehrer, es ist ein Privileg, mit jungen Menschen arbeiten zu dürfen.“ Dass er dadurch weniger Zeit zum Malen hat, ist für ihn in Ordnung.
In Steins Haus finden sich neben Kunstdrucken von Vorbildern wie Matisse, Picasso und Beckmann auch Arbeiten seines Vaters und eigene Werke. An der Küchenwand hängt neben einer Aktzeichnung von ihm ein abstraktes Bild, gemalt von Dieter Stein. Die Ähnlichkeit der figurativen und abstrakten Linien ist auffällig. Die Werke von Vater und Sohn passen gut nebeneinander.
„Das, was mein Vater macht, ist etwas ganz Besonderes für mich“, sagt Stein. Er selbst malt lieber gegenständlich: „Wenn man keine ganz tiefe Verbindung zu den Formen hat, dann kommt nichts Gutes dabei heraus“. Sein Vater malte bereits in der Nachkriegszeit abstrakte Bilder, damals ein „No-Go“, laut Stein junior.
Wenn man Peter Steins farbenfrohe Porträts betrachtet, kann man gar nicht glauben, dass er „lange Zeit mit der Farbe auf Kriegsfuß stand“. Früher habe er vor allem mit Kohle gearbeitet, seit den 80-ern malt er am liebsten mit Pastellkreiden, deren Entdeckung er wiederum seinem Vater verdankt. Dieser habe ihn dazu motiviert, die bunten Kreiden auszuprobieren. Mit Aquarellfarben malt Peter Stein auch gerne, vor Ölfarben hingegen scheut er sich – die seien das Terrain seines Vaters.
Peter Steins Sohn Manuel David Wäschke führt die Tradition indes nicht weiter. Er macht eine Lehre zum Optiker. „Er ist handwerklich begabt und hat ein ästhetisches Bewusstsein für Gesichtsformen und passende Brillenmodelle“, sagt Stein. Außerdem fotografiere er gerne. Wenn Peter Stein von seinem Sohn redet, merkt man, wie stolz er auf ihn ist. Die beiden planen gerade eine gemeinsame Ausstellung – mit Bildern von Stein und Fotografien von Wäschke.
Ein bestimmtes Vatertagsritual hat Peter Stein nicht, weder mit seinem Vater, noch mit seinem Sohn. Er mag es nicht, an einen bestimmten Tag gebunden zu sein: „Spontane Geschenke finde ich schöner.“