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Fantastische Familie
Vater, Mutter und Tochter haben ihre eigene Handschrift. Gemeinsam ist ihnen der akribische Blick auf die Welt. Und alle drei reichern die sichtbare Wirklichkeit mit einer gewissen Fantastik an.
Mit der Technik Alter Meister: Wolfgang Lenz' Ölbild „Der große Karussellbrand“ von 1989.
Foto: Norbert Schwarzott, Thomas Obermeier, Lenz | Mit der Technik Alter Meister: Wolfgang Lenz' Ölbild „Der große Karussellbrand“ von 1989.
Von unserer Mitarbeiterin Ursula Düring
 |  aktualisiert: 28.06.2011 16:44 Uhr

Hinter der hölzernen Gartentür beginnt eine fantastische Welt. Blühende Rosenstöcke duften, in der Sonne blinken blaue Gartenkugeln – und auch die auf die Fassade gemalten spielenden Affen gehören zum Heim der Würzburger Künstlerfamilie Lenz. Pudeldame Bella flitzt als Erste durch die Tür, die zum Atelier von Wolfgang Lenz führt. Lichte Farbigkeit, freie Sicht auf die Festung, frisches Grün vor dem mehrere Stockwerke hohen Fenster – das Auge hat Mühe, sich festzusehen. Auf der Galerie hängen die brillant-farbigen Hinterglasbilder von Hella Lenz. Sie ist in der „Clownphase“. In einem ihrer drei kleinen Arbeitszimmer malt sie sie mit weißem Gesicht, schön angezogen. „Aber sie können jederzeit vom Seil fallen“, weiß die Künstlerin. Ihre Umgebung, der Alltag inspirieren sie. Alte Fellini-Filme, skurrile Beichtstühle, der Jennerwein, Musik von Mozart, Verdi, Klezmer. Hella Lenz malt, was ihr beim Gärtnern in den Rosenbeeten, beim Kuchenbacken einfällt.

Puppen vom Flohmarkt

„Wir drei haben den Kopf voller Fantasien“, lächelt Tochter Barbara und grault die Hunde-Lady, „ . . . und die wollen raus!“ Wie viel in all den Jahren „raus“ musste, zeigt Hella Lenz nach einem freundlichen Couchgespräch, bei dem Wolfgang Lenz stumm zuhört. Ihre und des Ehemanns bis ins Detail ausgearbeiteten Werke hängen überall im Haus. Es sind akribische Blicke auf die Welt, angereichert mit Fantasie und mit Farbe. Blumen, allerlei Getier, Puppen. Über 30 Exemplarer sitzen aufgereiht in der guten Stube. „Wir haben die Puppen auf Flohmärkten in London, in Paris, da und dort zusammengekauft. Sie tauchen immer wieder in unseren Bildern auf.“

Über ihre Arbeiten haben sich Wolfgang und Hella Lenz über die Jahre hinweg ausgetauscht, haben sich gegenseitig ermutigt, befragt und im besten Sinne kritisiert. Arbeitslust, Fleiß und Freude am kreativen Schaffen hängen nahezu spürbar in der Luft, der fantastische Realismus wohnt mit im Haus. In den Werken der drei – die fabelhaften Wesen von Tochter Barbara haben ebenfalls ihren Platz – blitzt immer wieder auch Humor durch. Manchmal auch Trauer, Anklage. Dann wieder überschäumende Lust am Gestalten. Hier treffen sich die drei „Lenze“, auch wenn sie sehr individuelle Handschriften haben. Von der Galerie aus geht es über eine Treppe zur Werkstatt von Wolfgang Lenz. Ölbilder, in altmeisterlicher Technik gemalt, Stillleben, eines neben dem anderen. Ein Porträt von Hella als ernst blickende Frau. „Ich schaue immer ernst, ich sitze nicht gern Modell“, kommentiert sie. Die Vielzahl der Bilder sind Zeugnisse unbändiger Schaffenskraft. Heute ist die weiße Staffelei leer. Wolfgang Lenz hat mehr als genug gemalt in seinem 86-jährigen Leben. „Tag und Nacht“, erzählt Hella, „da brauchte er keinen Menschen um sich und kein Mittagessen.“ Aquarelle, Ölbilder, Zeichnungen, Hinterglas. Das erste Hinterglasbild entstand vom Dachfenster des Hauses im Winterleitenweg auf die Festung. Heute hängt es in einem kleinen Raum hinter dem Atelier. Daneben ein Karussellbild mit goldenen Lichtpunkten. „Schon damals hat er experimentiert mit Verspiegeln und Vergolden“, ein Vortasten auf die acht Jahre dauernde Arbeit am Spiegelkabinett der Würzburger Residenz, eine der bekanntesten Kostbarkeiten aus der Hand von Wolfgang Lenz. Der vielfach ausgezeichnete Künstler, Schüler von Heiner Dikreiter, diplomierter Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in München, studierte während eines Romstipendiums italienische Malerei sowie Architektur der Renaissance und des Barock. Lenz arbeitete als Dozent an der Würzburger Werkkunstschule. Seit 1971 ist er freischaffender Maler und Grafiker. Er entwarf Bühnenbilder, Kostüme, Deckengemälde. Sein Bild „Würzburger Totentanz“, eine Klage gegen die Zerstörung am 16. März 1945, bewegt bis heute die Betrachter. Es hängt im Würzburger Kulturspeicher.

Tochter Barbara Lenz geht einen anderen Weg, obwohl sich ihre und der Eltern Kunst immer wieder begegnen. In der Gemeinschaftsausstellung „Lenz hoch 3 – japanische Impressionen“ im Würzburger Siebold-Museum wird das besonders deutlich. Gemalt hat sie nie. Um so lieber in Feinstarbeit gebastelt. Diese Begeisterung mündete in einer Feinmechanikerlehre am Physikalischen Institut der Würzburger Universität, floss über in ein Architekturstudium an der TU in München.

Fledermaus und Rehbock

Die Kammersiegerin und Diplomingenieurin ist heute freischaffende Künstlerin und Kreatorin von „fabelhaften Wesen“. Das sind mausgroße Fantasiegestalten aus Naturmaterialien mit überraschenden Fähigkeiten. Sie können sich bewegen, sind mit Spieluhr oder Lichteffekt ausgestattet und stellen Menschentypen dar, Berufsgruppen. Charaktereigenschaften werden unterstrichen oder gerne auch persifliert.

Seit fünf Jahren lebt Barbara Lenz wieder in unmittelbarer Nachbarschaft der Eltern. Hier fertigt sie mit flinken Fingern und Engelsgeduld ein Unikat nach dem anderen. Dass ihre Arbeiten bisweilen als Kunsthandwerk abgetan werden, stört sie nicht. „Alle Künstler, die nicht abstrakt arbeiten, sind geduldig. Zeit und Arbeit machen nämlich ebenfalls Kunst aus“. Spricht's und wendet sich ihrem Flederbock zu, einer Kreuzung aus Fledermaus und Rehbock, der über ihrem Gartenhäuschen Richtung Maschikuliturm schaut.

Die Ausstellung „Lenz hoch 3“ im Würzburger Siebold-Museum (Frankfurter Straße 87) ist noch bis zum 3. Juli zu sehen. Öffnungszeiten: bis Freitag 15–17 Uhr, Samstag und Sonntag 10–12 sowie 15–17 Uhr.

 
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