Ob finanzielle Sorgen, emotionale Belastungen oder bürokratische Hindernisse. Bei allen Fragen rund um die Geburt haben Mütter am Uniklinikum Würzburg (UKW) jetzt zentrale Ansprechpartnerinnen: Christine Blum und Daniela Bürtsch sind Bayerns erste Babylotsinnen. "Unser Ziel ist es, alle Schwangeren, die zu uns kommen, aktiv anzusprechen", sagt Christine Blum, "und wenn es Probleme gibt, sind wir die Türöffner für andere Angebote und Beratungsstellen".
Die Würzburgerin ist eine entwicklungspsychologische Beraterin für Familien mit Säuglingen und Kleinkindern. Ihre Kollegin Daniela Bürtsch ist Hebamme und hat zusätzlich soziale Arbeit studiert. Beide haben vor dem Start auf den Stationen Ende April 2022 eine spezielle Fortbildung absolviert, die zielgenau auf die Beratungsarbeit der Babylotsinnen vorbereitet.
Durch die niedrigschwellige Beratung sollen Vorbehalte abgebaut werden
Wie Christine Blum erklärt, ist das besondere am Pilotprojekt der Babylotsinnen, dass jede Frau, am besten schon vor der Geburt, persönlich angesprochen werden soll, statt sich aktiv Beratungsstellen suchen zu müssen. Die Schwelle zu Beratungsangeboten soll so verringert werden. Zudem soll die individuelle und persönliche Beratung rund um die Entbindung dabei helfen, die weiteren Schritte schnell und unkompliziert anzugehen.
"Wenn es uns gelingt, Vertrauen aufzubauen, indem wir gut zuhören und die richtigen Fragen stellen, können wir Belastungen und möglichen Hilfsbedarf erkennen und Anlaufstationen vermitteln", sagt Blum. Seit dem Start im April 2022 hätten bisher rund 200 Frauen die Hilfe der Babylotsinnen in Anspruch genommen.
Bei welchen Problemen helfen die Würzburger Babylotsinnen?
Wie Blum weiter ausführt, gebe es eigentlich kaum ein Problem, mit dem man nicht zu ihr oder ihrer Kollegin kommen könne. Als alltägliche Fälle zählt sie die Vermittlung von Nachsorgehebammen oder Haushaltshilfen auf, oder auch die Hilfe bei der Beantragung finanzieller Unterstützungen, wie Eltern- und Kindergeld. Häufig würden Sie auch bei Sprachbarrieren angesichts der deutschen Bürokratie helfen. Die Arbeit schwanke so immer wieder zwischen der Vermittlung von Beratungsangeboten und eigener Beratung bei alltäglichen Fragestellungen.
Besonderes Einfühlungsvermögen erfordere dabei das breite Feld der emotionalen Belastungen. Laut Christine Blum hätten viele Frauen ein Bedürfnis danach, die Erfahrungen der Geburt nachzubesprechen. An den beiden Babylotsinnen liege es, in den Gesprächen herauszufinden, welche Sorgen und Unsicherheiten Mütter haben oder welche psychischen Belastungssymptome weitere Gespräche mit Psychologinnen und Psychologen, oder Ärztinnen und Ärzten erfordert.
"Ein gewisser Baby-Blues ist ein Stück weit normal, weil nach der Geburt der Körper der Frau durch die Hormonumstellung stark gefordert ist", erklärt Blum, "aber das kann in manchen Fällen übergehen in eine Wochenbettdepression und da ist Hilfe absolut notwendig". Sie beschreibt die typischen Anzeichen der psychischen Belastung nach der Geburt: "Es gibt Frauen, die sich selbst Druck machen, dass sie total glücklich sein müssten, aber die erwarteten Glücksgefühle nicht da sind. Häufig setzen dann Schuldgefühle ein und Mütter sagen sich 'Ich müsste mich mehr freuen, ich müsste mehr Liebe empfinden'."
"Das sind auf jeden Fall nachvollziehbare Gedanken, das kann zum Mama-Werden gehören", ergänzt ihre Kollegin Daniela Bürtsch. Denn auch Mutter und Kind müssten erst zueinander finden und es bräuchte manchmal einfach Zeit, eine Beziehung aufzubauen. "Unsere Aufgabe ist es, in solchen Situationen den Stress rauszunehmen und dem Gefühl der Überforderung etwas entgegenzusetzen", sagt sie weiter.
Das interdisziplinäre Gemeinschaftsprojekt soll für schnelle Vermittlung sorgen
Gerade wegen solcher Fälle wurde das Projekt der Babylotsinnen vom Zentrum für Psychische Gesundheit des UKW aus ins Leben gerufen. Deren stellvertretende Klinikdirektorin Sarah Kittel-Schneider kannte das, von der Stiftung SeeYou entwickelte und geförderte, Konzept der Babylotsinnen aus ihrer Arbeit an der Frankfurter Uniklinik und initiierte es als bayerisches Pilotprojekt in Würzburg. Dort sind die Babylotsinnen ein Gemeinschaftsprojekt von Frauenklinik, Psychiatrie, Kinderklinik und dem Regenbogen Förderverein, wo Blum und Bürtsch offiziell angestellt sind.
Aus ihrer Erfahrung heraus weiß Sarah Kittel-Schneider, wie groß die Nachfrage nach den Beratungen der Babylotsinnen ist und wie viele Fälle sonst unerkannt blieben: "Rund um die Geburt sind die Mütter nur wenige Tage in der Klinik", so die stellvertretende Klinikdirektorin. "Und wir wussten, dass wir viele Problemfälle verpassen, weil wir sie in diesem kleinen Zeitfenster nicht erreichen."
Die bereichernde, aber auch herausfordernde Arbeit als Würzburger Babylotsin
Die Reaktionen der beratenen Frauen seien durchweg positiv, wie Christine Blum berichtet: "Ich erlebe es ganz oft, dass mir Frauen sagen 'Sie hätte ich schon bei der ersten Geburt gebraucht'. Das zeigt, wie groß der Bedarf bei vielen Familien ist." Für sie sei die Arbeit auch deshalb sehr bereichernd, weil "wir in den allermeisten Fällen ganz konkrete Hilfe vermitteln können und wir in Würzburg mit Hilfsangeboten sehr gut aufgestellt sind."
Daneben gäbe es aber auch kompliziertere Fälle, die auch für die Beraterinnen nicht immer leicht zu verarbeiten sind. "Oft müssen wir auch erst einmal durchatmen, aber wir sind froh, dass wir mit vielen anderen Beratungsstellen zusammenarbeiten, mit denen wir gemeinsam die besten Lösungen finden können."
Eltern sollen sich ganz auf die Beziehung zu ihrem Kind konzentrieren können
Insgesamt komme das Angebot aber sehr gut an und werde dankbar angenommen. "Mir ist es noch nicht passiert, dass jemand gar nicht mit uns sprechen möchte", sagt Christine Blum. "Unsere Arbeit ist niedrigschwellig, kostenlos, freiwillig und vertraulich. Dafür erleben wir sehr viel Dankbarkeit von den Müttern", ergänzt sie.
Die Babylotsin betont, wie wichtig die Unterstützung von Eltern bei den alltagspraktischen Problemen ist, um ihnen einen guten Start mit dem Baby zu ermöglichen: "Die Eltern sollen dadurch die Kapazitäten haben, eine gute Bindung zu ihrem Kind aufzubauen." Auch Sarah Kittel-Schneider bekräftigt das. Die Professorin für Entwicklungspsychiatrie sieht das Programm auch als "präventive Maßnahme, um das Vorkommen psychischer Erkrankungen in Zukunft zu reduzieren".
So ein doofer Kommentar!
Und der kommt hier rein?
Unglaublich 😡