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Ochsenfurt
Burnout & Co.: AOK will Bewusstsein  für psychische Erkrankungen im Beruf stärken
Es kommt immer häufiger vor, dass Menschen im Job psychisch in die Knie gehen. Die AOK Bayern will mit prominenter Hilfe gegensteuern. Ein hochbrisantes Thema.
Überlastet, ausgepumpt: Das kann psychisch krank machen.  Ein Schicksal, das hierzulande immer mehr Beschäftigte trifft.
Foto: Getty Images (Symbolbild) | Überlastet, ausgepumpt: Das kann psychisch krank machen.  Ein Schicksal, das hierzulande immer mehr Beschäftigte trifft.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:10 Uhr

Corona, Inflation und Ukraine-Krieg: Bedrückende Themen, die offenbar immer mehr Menschen hierzulande aufs Gemüt schlagen. Mit der Folge, dass psychische Erkrankungen in jüngster Vergangenheit deutlich zugenommen haben – auch und gerade am Arbeitsplatz. Die AOK in Bayern will mit prominenter Hilfe gegensteuern. Auftakt war am Dienstag in Ochsenfurt (Lkr. Würzburg).

Laut der Krankenkasse ist die Situation alarmierend: Seit 2010 sei die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankung um 56 Prozent gestiegen, wie Volker Weißmann bei einem Pressegespräch verdeutlichte. Dem AOK-Berater für Betriebliches Gesundheitsmanagement zufolge haben allein zwischen Januar und April dieses Jahres solche Krankmeldungen um zehn Prozent zugenommen. Ähnliches gelte für deren Dauer.

Auftakt in Ochsenfurt: AOK geht in Bayern auf Tour

Mit anderen Worten: Immer mehr Menschen im Freistaat werden deutlich länger krank, weil sie am Arbeitsplatz die Psyche ausbremst. Dieses Thema "wird immer noch totgeschwiegen", meinte Frank Dünisch, Direktor der AOK-Direktion Schweinfurt. Die Formulierung "Ich hab' Rücken" sei gängig, nicht aber die Formulierung "Ich hab' Psyche".

Die Informationsveranstaltung für Unternehmen am Dienstag in Ochsenfurt war Auftakt einer AOK-Tour durch Bayern, die das ändern soll. Bis Ende Juli will die Krankenkasse in neun Städten für die Tragweite psychischer Erkrankung sensibilisieren.

Ex-Skisprungstar Sven Hannawald erlitt vor 20 Jahren wegen Überlastung einen Zusammenbruch der Psyche. Heute wirbt er für die AOK Bayern für einen sensiblen Umgang mit diesem Thema. Das Bild zeigt ihn am Rande des Auftakts einer Promo-Tour der AOK am Dienstag in Ochsenfurt.
Foto: Jürgen Haug-Peichl | Ex-Skisprungstar Sven Hannawald erlitt vor 20 Jahren wegen Überlastung einen Zusammenbruch der Psyche. Heute wirbt er für die AOK Bayern für einen sensiblen Umgang mit diesem Thema.

Dazu hat sie sich prominente Hilfe geholt: Ex-Skisprungstar Sven Hannawald ist das Gesicht der Aktion. Der 47-Jährige arbeitet bereits seit einem Jahr als "Botschafter für psychische Gesundheit" mit der AOK Bayern zusammen.

Hannawald weiß, worüber er in dieser Funktion spricht: Zwei Jahre nach dem spektakulären Sieg bei der Vierschanzentournee 2002 erlitt er einen Burnout, begab sich in klinische Behandlung und beendete wenig später seine glanzvolle Karriere.

Wie gravierend psychische Erkrankungen für Firmen sein können

Das Wichtigste in Unternehmen sei, offen und verantwortungsvoll mit dem Thema psychische Belastung am Arbeitsplatz umzugehen, sagte Hannawald am Dienstag vor etwa 60 Unternehmensvertreterinnen und -vertretern in Ochsenfurt. Nur so könne Betroffenen geholfen werden.

Hilfe, die auch betriebswirtschaftliche Tragweite habe, so AOK-Berater Weißmann. Denn Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen fielen im Durchschnitt 30,3 Arbeitstage aus. Das sei mehr als doppelt so lang wie bei anderen Erkrankungen (13,8).

Was Betriebliches Gesundheitsmanagement erreichen kann

Im Umkehrschluss bedeutet das laut Weißmann: Investitionen ins Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM)  zahlen sich für Unternehmen in barer Münze aus. Denn jeder Euro für BGM spare 2,7 Euro Kosten in Folge von Krankheitstagen. Weißmann berief sich dabei auf eine Analyse der  Initiative Gesundheit und Arbeit in Dresden von 2019.

Sich als gesundheitsbewusstes Unternehmen zu präsentieren, ist nach Ansicht des AOK-Beraters mittlerweile ein deutlicher Wettbewerbsvorteil geworden. Das sei gerade mit Blick auf die intensive Suche vieler Betriebe nach Fachkräften wichtig.

Wenn die Psyche im Job schlapp macht: Das können Ursachen sein

Seit 2013 gibt das Arbeitsschutzgesetz vor, dass Unternehmen in Deutschland die psychische Belastung der Beschäftigten am Arbeitsplatz in einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung festhalten müssen. Zum Beispiel Zeitdruck, Störungen bei der Arbeit, widersprüchliche Informationen zu Arbeitsaufgabe und zu wenig Wertschätzung durch den Chef oder die Chefin zählt die AOK Bayern zu solchen Belastungen.

Ständige Erreichbarkeit über Smartphone und Mails, sich häufig wandelnde und wachsende Herausforderungen bei der Arbeit: Für viele Beschäftigte sei es zunehmend schwierig geworden, nach Feierabend abzuschalten sowie Privatleben und Beruf zu trennen, sagte Alexander Pröbstle, AOK-Direktor für Würzburg. "Diese Entwicklung hat sich mit der Corona-Pandemie durch Homeoffice verschärft."

Ausfallzeiten wegen psychischer Erkrankungen

Eine Tendenz, die schon 2021 zu erkennen war: Dem damaligen AOK-Gesundheitsbericht zufolge lagen im Bund die Ausfallzeiten wegen psychischer Erkrankungen nach Muskel-/Skelett-Erkrankungen ("Ich hab' Rücken") auf Platz zwei, in Bayern auf Platz drei. Dass die Psyche in die Knie geht, das könne alle treffen, die im Berufsleben stehen, so Pröbstle.

Freilich scheint der Zeitpunkt ungünstig, mit dem Thema so viele Verantwortliche in Unternehmen wie möglich zu erreichen. Denn die Wirtschaft schlägt sich derzeit mit nicht minder großen Kalibern wie Lieferengpässen, teure Energie und Fachkräftemangel herum. Dass der Chef oder die Chefin da noch einen Kopf für Gesundheitsmanagement hat, sei "schwierig", meinte Berater Weißmann. Doch die Erfahrung habe gezeigt, dass mit BGM der Krankenstand in einem Unternehmen gesenkt wird. Und das sei letztendlich auch betriebswirtschaftlich von Vorteil.

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Eine Pflicht ist das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) für Unternehmen nicht. Das Arbeitsschutzgesetz legt lediglich fest, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber generell dafür sorgen müssen, dass ihre Beschäftigten im Job gesund bleiben.
Mit BGM soll das Personal eines Unternehmens "zu einem gesundheitsförderlichen Verhalten befähigt" werden, schreibt etwa die Techniker-Krankenkasse. Dazu wird zum Beispiel eine Bestandsaufnahme rund um die Sicherheit im Betrieb gemacht. Mitarbeiterbefragungen und detaillierte Gefahrenanalysen können weitere Schritte sein. Die Ergebnisse und die Schlussfolgerungen werden in der Regel dokumentiert.
Studium: Diverse Hochschulen in Bayern bieten Fortbildungen rund um das Gesundheitsmanagement an. So hat die Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) einen berufsbegleitenden Master-Studiengang für Führungskräfte im Gesundheitswesen aufgelegt.
aug
 
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