
Bereits zum 37. Mal wird der von den drei fränkischen Regierungspräsidenten gestiftete Frankenwürfel an "typisch fränkische Persönlichkeiten" vergeben. Der Preis wird immer am 11. November, dem Tag des Frankenheiligen Martin, um 11 Uhr, verliehen – in diesem Jahr im Gut Wöllried in Rottendorf. Aus Unterfranken wird der Puppenspieler und-bauer Thomas Glasmeyer aus Würzburg geehrt. Die beiden Frankenwürfel für Ober- und Mittelfranken gehen an die Leiterin der Beratungsstelle für Volksmusik in Franken, Carolin Pruy-Popp aus Bad Berneck und an den Vorsitzenden des Süddeutschen Schaustellerverbandes, Lorenz Kalb aus Nürnberg.
Im Interview erzählt Thomas Glasmeyer, was der Preis für ihn bedeutet – und was er als Westfale an den Unterfranken schätzt.
Thomas Glasmeyer: Vor drei Wochen bekam ich einen Anruf von der Regierung von Unterfranken, bei dem ich um die Genehmigung gebeten wurde, dass mich der Regierungspräsident anrufen darf. Eine halbe Stunde später war Eugen Ehmann am Apparat und hat mir erklärt, dass ich den Preis gewonnen habe und welche Bedeutung er hat. Ich war total überrascht.
Glasmeyer: Ich habe mich gefragt, worin genau meine Leistung für Franken besteht. Unter den bisherigen Preisträgern sind solche Giganten. Die Politiker beeindrucken mich weniger, aber die Künstler machen mir zum Teil zu schaffen: Nora Gomringer zum Beispiel, die mich mit ihrer Sprachgewalt tief beeindruckt, oder Fitzgerald Kusz, von dessen Texten ich ein großer Fan bin.
Glasmeyer: Ich bin zwar Westfale, lebe aber seit 30 Jahren in Franken. Westfalen und Unterfranken sind zum Teil ähnlich gestrickt – es gibt eine gewisse Wortkargheit. Aber das ist sicher nicht der Grund, warum ich den Preis verliehen bekomme. Es hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich bereits bei vielen repräsentativen Veranstaltungen in Franken gespielt habe, wie etwa beim Frankentag.
Glasmeyer: Seine Gosche. Er ist sehr schlagfertig, und sehr schnell voreingenommen. Das würde ich auch mit meiner westfälischen Lebensart in Verbindung bringen. Es gibt einen ungemeinen Wortwitz, den ich in den letzten drei Jahrzehnten in Unterfranken immer wieder hautnah mitbekommen habe – sei es im Theater, wo ich vor 30 Jahren bei der Bühnentechnik gejobbt habe, oder beim Postboten, bei dem ich neun Jahre gewohnt habe. Was sich auch auf mein Theater auswirkt, bei mir sind immer wieder Unterfranken in den Rollen zu finden. Der Slang, die Sprache fasziniert mich sehr, die finde ich immer wieder sehr originell.

Glasmeyer: Die Landschaft. Sie ist für mich immer wieder sehr inspirierend und beglückend – und damit meine ich ganz Franken. Ich bin von Würzburg aus auch viel mit dem Fahrrad unterwegs, ich fahre immer wieder mal nach Oberfranken, an den Untermain nach Aschaffenburg oder durch den Spessart, den Steigerwald, die Rhön. Das sind für mich Gegenden, wo ich einfach abschalten kann.
Glasmeyer: Ich denke, das bin ich. Als darstellender Künstler, der viel für sich alleine wurschtelt, muss ich mich an Situationen anpassen. Genauso auf der Bühne: Ich bin immer darauf versessen, Reaktionen vom Publikum zu bekommen, um dann auch schlagfertig zu sein. Entweder erledigen das meine Figuren für mich, oder ich steige kurz aus und gehe auf etwas ein.
Glasmeyer: Im Sinne von Wort- und Sprachwitz ist das schon etwas, was sowohl den Unterfranken als auch mich in Sachen Schlagfertigkeit auszeichnet. Eine gewisse Reaktionsschnelligkeit und die Fähigkeit, mit einem Wort eine Situation entweder zu charakterisieren oder zu beenden – das finde ich sehr schön. Da müsste jemand, der nur Hochdeutsch spricht, sehr lange formulieren.
Glasmeyer: Der Begriff ist für mich von den dreien der schwierigste. Ich denke, dass ich unter anderem in meinen Empfindungen widersprüchlich bin. Das ist aber eher eine persönliche Geschichte, als dass es mit meiner Arbeit zu tun hat.
Glasmeyer: "So tun, als ob": Figurentheater ist eine darstellende Kunst, die sich des Materials bedient. In der Nachformung des menschlichen Lebens mit Material und in der Stilisierung liegen für mich die Stärken dieser Kunstform. Ich kann ein Material in die Hand nehmen, ihm Leben einhauchen und damit eine Figur erstellen.
Glasmeyer: Das ist sehr individuell, jeder Puppenspieler hat seine eigene Ästhetik. Ich baue und bastle gern, meine Ausstattungen sind wirklich üppig. Ich arbeite sehr farbig und knallig, andere sind wesentlich dezenter. Die andere Seite meines Berufs betrifft die Sprache. Es gibt Leute, die defensiv mit Sprache umgehen, in meiner Arbeit hat die Sprache aber eine ganz überragende Bedeutung.
Glasmeyer: Ich glaube, es gibt ein Bedürfnis nach dieser Kunstform. Wenn die Leute kommen und sich auf das Analoge einlassen, stehen sowohl Kinder als auch Erwachsene danach an der Bühne und wollen ausprobieren, anfassen, eine Figur laufen lassen und Fragen stellen. Aber durch die Pandemie hat sich vieles verändert. Das betrifft nicht nur das Figurentheater, sondern das Theater überhaupt. Ich denke, viele Kollegen haben gewisse Existenzängste. Der Ausdruck "30 ist die neue 100" kommt nicht von ungefähr. Wenn früher 100 Leute zu einer Vorstellung kamen, sind es jetzt 30. Das ist eine schreckliche Wahrheit, weil sie ja auch existenzielle und finanzielle Auswirkungen hat.
Glasmeyer: Ja. Ich sehe auch bei Kollegen, dass der Besuch ihrer Vorstellungen eher schleppend läuft. Es gibt aber auch Gegenbeispiele: Die Kinderkulturtage in der Kulturscheune Höchberg mit verschiedenen Figurentheatern waren sehr gut besucht, bei allen vier Veranstaltungen waren 80 bis 120 Zuschauer da, die Stimmung war sehr schön. Ich hatte am letzten Tag mit der letzten Veranstaltung einen furiosen Abschluss. Wenn die Leute kommen, lassen sich Erwachsene auch von Kinderstücken begeistern. Oft muss man Erwachsene eher davon überzeugen, dass es Figurentheater auch für Erwachsene gibt. Und wenn sie kommen, kommen sie auch wieder.

Glasmeyer: Geht wieder in die Theater und unterstützt die Szene: Menschentheater, Puppentheater, Tanztheater, Konzerte. Die große Kultur funktioniert weiterhin, da muss man sich noch wenig Gedanken machen. Aber die kleinen Häuser leben anders vom Besuch des Publikums als staatlich geförderte Kunst.