Lorenz Kalb: Die Situation im Schaustellergewerbe ist nicht besser geworden, der Aufschwung noch nicht bei uns angekommen. Wobei wir nach wie vor tolle Besucherzahlen haben; allein im vergangenen Jahr waren es 178 Millionen. Vergleichbar mit der Fußball-Bundesliga (Anm. der Red.: etwa elf Millionen) ist das eine eindeutige Abstimmung mit den Füßen. Aber der Euro sitzt nicht locker. Vor allem in bestimmten Sparten haben wir Sorgenkinder.
Kalb: Dazu gehören die Spielgeschäfte. Auf diesem Sektor gibt es eine unüberschaubare Vielfalt. Früher musste bis zum nächsten Volksfest gewartet werden, bis man den neusten Plüsch-Teddy erhalten konnte. Mittlerweile bekommt man diese Artikel im Baumarkt und an jeder Tankstelle nachgeschmissen. Sorgen bereiten auch gesetzliche Vorschriften: So würden die Losbuden gerne Reisen verlosen, wir dürfen aber nur Preise bis zum Einkaufswert von 60 Euro anbieten. Bei einem persönlichen Gespräch hat selbst der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder darüber den Kopf geschüttelt. Zudem sind die Kinderfahrgeschäfte betroffen. Hier merken wir, dass es immer weniger Kinder gibt.
Kalb: Die Kosten sind zu hoch. Man muss bedenken, dass alle Kosten, die auf dem Fest entstehen, von den Schaustellern getragen werden – sogar das Feuerwerk. Wir sehen ein, dass alles, was für das Volksfest benötigt wird, von diesen Gebühren bezahlt werden muss. Aber es darf keinesfalls mehr werden, weil uns auch die explodierten Strom-, Diesel- und Personalkosten erheblich belasten.
Kalb: Eines möchte ich hier deutlich machen: Wir sprechen beim Volksfest nicht von einem halbtoten, sondern von einem immer noch guten Produkt. Wir haben Sorgen, aber auch Zuwächse, gerade im Event-Bereich und der Gastronomie. Natürlich wird weiterhin investiert, und die Feste präsentieren neue Attraktionen. Sie müssen sich in Schweinfurt nur einmal die Geschäfte anschauen. Das Problem ist nur: Die Herstellungskosten sind ins Unermessliche gestiegen, bei gleichzeitig verschärften Auflagen durch neue Rating-Richtlinien der Banken. Aber wie, bitte schön, sollen Betreiber einen voraussichtlichen Umsatz bilanzieren für ein Fahrgeschäft, das es noch gar nicht gibt?
Kalb: Früher wollten die Besucher nur Fahrgeschäfte sehen. Heute kommen sie wegen des Gemeinschaftserlebnisses. Das hat eine Studie ergeben. Wir haben darauf reagiert und besinnen uns wieder mehr auf den Erlebnisbereich. Die Leute sollen sich amüsieren, auch ohne Geld auszugeben. Wir wollen deshalb wieder zurück zu unserer alten Stärke, zur Kirmes-Romantik.
Kalb: Ein Beispiel: 2005 waren auf dem Münchner Oktoberfest 460 000 Menschen, die keinen einzigen Cent ausgegeben haben – von insgesamt 6,5 Millionen Besuchern. Wir haben aber erkannt, dass dies eigentlich eine Stärke gegenüber den Freizeitparks ist, denn zunächst kostet ein Besuch auf dem Volksfest nichts.
Kalb: Der Freizeitmarkt hat sich zersplittert, die Konkurrenz wird immer größer. Gleichzeitig sind die Ansprüche an die Schausteller sowie die Veranstalter gestiegen. Alle müssen sich etwas einfallen lassen, sei es nun bei der Infrastruktur oder beim Ablauf. Aus diesem Grund haben wir beispielsweise Themenabende wie den Romantischen Abend, die Ladies' Night oder Musiktage eingeführt. An dieser Stelle möchte ich Schweinfurt ausdrücklich loben: Hier werden viele Vorschläge, die aus unserer Studie resultieren, schon umgesetzt. Zumindest dort, wo dies realisiert wird, geht es auch wieder leicht aufwärts.