
Haben SPD und Grüne direkt nach der gescheiterten Abstimmung zum "Zustrombegrenzungsgesetz" im Bundestag selbst gemeinsame Sache mit der AfD gemacht?
"Ein Gesetz wurde von Rot-Grün mit Unterstützung der AfD eine Stunde nach dieser ominösen Abstimmung am Freitag durchgebracht", sagte zumindest der Würzburger Bundestagsabgeordnete Paul Lehrieder (CSU) im Main-Post-Livestream mit den Würzburger Direktkandidaten. Lehrieder tritt bei der Bundestagswahl am 23. Februar nicht mehr an.
Was ist an dem Vorwurf dran? Und welche strittigen Aussagen sind in der Diskussion zur Bundestagswahl noch gefallen?
1. Haben SPD und Grüne ein Gesetz mit Stimmen der AfD beschlossen?

Beim "Rechtsanwalts- und Betreuungsvergütungsgesetz hatte die Restampel Rot-Grün keine eigene Mehrheit. Da hat die AfD mit Rot-Grün gestimmt", sagte Lehrieder. Er stellte damit in den Raum, dass SPD und Grüne genau das gemacht hätten, was sie der Union vorwerfen.
Wie auf bundestag.de nachzulesen ist, haben aber nicht nur SPD und Grüne, sondern auch FDP und Linke für das "Gesetz zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuervergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern" gestimmt.
Es ist zwar richtig, dass auch die AfD für das Gesetz gestimmt hat. Eine Mehrheit hätte es aber auch ohne sie gegeben. Als einzige Fraktion stimmten CDU und CSU gegen die Erhöhung der Vergütung von Anwälten und rechtlichen Betreuern. Das Bündnis Sahra Wagenknecht war bei der Abstimmung nicht anwesend.
Lehrieders Aussage, dass die AfD mit Rot-Grün gestimmt habe, ist also wörtlich genommen richtig – als Skandal oder Kritik taugt die Abstimmung dennoch nicht. Denn die Stimmen der AfD waren für eine Mehrheit nicht nötig. Im Gegensatz dazu waren FDP und CDU/CSU beim Zustrombegrenzungsgesetz und beim Entschließungsantrag, der unter anderem dauerhafte Grenzkontrollen und ein Einreiseverbot für Personen ohne Einreisedokumente forderte, am 29. Januar auf die Stimmen der AfD angewiesen.
Auch andere Unions-Politikerinnen und Politiker betonen aktuell, dass die AfD mit anderen Parteien gestimmt hätte. Die Würzburger Landtagsabgeordnete Andrea Behr (CSU) etwa postete bei Facebook eine Liste an Abstimmungen, bei denen die AfD Projekten der damaligen Ampel-Regierung zugestimmt habe. Weil SPD, Grüne und FDP aber bis zur Neuwahl am 23. Februar eine gemeinsame Mehrheit im Bundestag haben, war auch in diesen Fällen egal, wie die AfD abstimmt.
2. Sind privat Krankenversicherte wirklich gesünder?

"Viele, die privat versichert sind, sind gesünder." Das behauptete die Grünen-Direktkandidatin Jessica Hecht zur Diskussion um eine Zusammenlegung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Auch eine Begründung schob sie gleich hinterher: "Das sind häufig sehr gut situierte Menschen, die seltener krank sind." Ist das wirklich so?
Verschiedene Studien bestätigen, dass privat Versicherte gesünder sind – warum das so ist, scheint aber weniger klar. Eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung spricht etwa von einem "in doppelter Hinsicht günstigeren Risikoprofils der Privatversicherten". Demnach hätten nur 17 Prozent der privat Versicherten im Jahr mindestens einen Krankenhausaufenthalt – bei den gesetzlichen immerhin 23 Prozent.
3. Würde die generelle Zurückweisung aller Asylsuchenden an den Grenzen gegen europäisches Recht verstoßen?

Katharina Räth (SPD) und Jessica Hecht (Grüne) äußerten mehrfach rechtliche Bedenken an den Migrationsplänen der Union. Beide verwiesen unter anderem darauf, dass die generelle Zurückweisung Asylsuchender nicht mit europäischem Recht vereinbar sei. Ist das wirklich so?
Das ist nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen. Bei juristischen Fragen kommt es immer darauf an, wie Maßnahmen begründet werden und ob jemand gegen sie klagt – in diesem Fall könnten das etwa Asylsuchende oder Nachbarstaaten sein. Wie Gerichte dann letztlich in hypothetischen Fällen entscheiden würden, ist nicht verlässlich vorherzusagen.
Trotzdem gibt es erhebliche rechtliche Zweifel. Der Verfassungsjurist Christian Rath schreibt bei Legal Tribune Online: "Zurückweisungen an der Grenze sind rechtswidrig, weil sie gegen die Dublin-III-Verordnung der EU verstoßen." Die Union berufe sich deshalb auf die sogenannte Notlage: "Danach kann EU-Recht ignoriert werden, wenn die nationale Sicherheit und Ordnung bedroht ist."
Aber ist Deutschland wirklich in einer Notlage? Rath erklärt, dass darüber letztlich der Europäische Gerichtshof entscheiden würde. Dieser habe bisher noch nie eine Notlage eines Mitgliedslandes anerkannt. Unter anderem, weil die Asylzahlen sinken, sieht der Jurist kaum Chancen, eine Notlage in Deutschland zu begründen.
Auf der anderen Seite betont etwa der Europarechtler Daniel Thym auf verfassungsblog.de: "Juristisch falsch ist die pauschale Behauptung, Zurückweisungen seien generell rechtswidrig." Auch er sieht zwar sehr hohe Hürden – nicht nur durch das Europarecht, sondern auch durch die Menschenrechte. Dennoch sagt er, dass "die Bundesregierung eine Zurückweisungspraxis juristisch rechtfertigen könnte, ohne dass feststünde, ob die Gerichte alle Argumente im Ergebnis teilen."
Inzwischen haben 67 Professoren für Strafrecht klar gegen falsche Versprechen von Rechtspopulisten Stellung bezogen: Die Experten kritisieren populistische Migrations-Forderungen wie die von Merz, als unwissenschaftlich und kontraproduktiv.
https://verfassungsblog.de/fur-eine-evidenzbasierte-rationale-kriminalpolitik/
Beim Zuzug setzen die Experten auf eine Vermindung möglicher Kriminalität derjeningen, die Zuzug erfahren. Das ist eine Meinung. Aber eben auch diskutabel.
Beim Abschieben verweisen sie auf die Einbeziehung von Bagatelldelikten für die Entscheidung. Das ist eine Meinung, aber es gibt ja hier ganz andere Delikte zu beurteilen.
Schließlich verweisen sie auf die "falsche" Bewertung von Kriminalstatistiken. Das ist ebenfalls eine Meinung, aber ich denke, die Fälle in Aschaffenburg und anderswo sind klar definiert.
Was mir ganz fehlt ist der klare Hinweis, dass gesetztlich nichts zu ändern ist oder wäre.
Soweit zu meiner Beurteilung der 67 Experten und ihre Note.
Ich bin jetzt sehr stark irritiert
Der Satz"als Skandal oder Kritik taugt die Abstimmung dennoch nicht. Denn die Stimmen der AfD waren für eine Mehrheit nicht nötig. "
Ist doch an für sich schon ein Skandal, denn es hängt also jetzt daran, ob eine SPD oder Grüne mitstimmen würden, damit ein Antrag durchgeht oder wenn sie nicht mitstimmen und er mit ihren Stimmen nicht durchgeht, gilt das Ganze als Skandal.
Habe ich den Zusammenhang jetzt richtig wiedergegeben?
Mich entsetzt diese Kaltschnäuzigkeit eine Abstimmung, egal für was und von wem abhängig zu machen, ob eine Ampel Partei zustimmt oder nicht.
Das würde bedeuten, dass niemand anders mehr einen Antrag einbringen kann, weil er nicht von Gottes Gnaden genehmigt werden würde.
vielen Dank für ihren Kommentar. Was im Text deutlich gemacht werden soll, ist der Unterschied folgender zwei Szenarien:
1. Es gibt eine Mehrheit demokratischer Parteien. Das kann die Ampel sein oder z.B. Union und SPD, aber bis zur Neuwahl gibt es keine Mehrheit ohne min. eine Ampelpartei, weil die Ampel die Mehrheit der Sitze hat. Wenn sich diese Parteien geeinigt haben - das war bei der Ampel oder beim im Text genannten Gesetz der Fall - und eine Mehrheit bilden, ist es egal, wie die AfD abstimmt. Man ist nicht auf sie angewiesen.
2. Es gibt keine Mehrheit demokratischer Parteien. Wenn eine Fraktion dann ein Gesetz einbringt, kann es sein, dass die Stimmen der AfD dem Gesetz eine Mehrheit verschaffen. Genau das ist vergangene Woche passiert.
Der erste Fall taugt also nicht zum Skandal, weil man sonst wirklich nichts mehr beschließen könnte, bei dem die AfD mitstimmt – selbst wenn sonst alle anderen Parteien dafür sind.
MfG
Christoph Sommer
Redaktion
Sie spiegeln genau diesen Eindruck wieder.
Die Ampel ist Geschichte. Aber wenn die Ampelparteien gemeinsam etwas einbringen, hätten Sie eine Mehrheit. wenn sie bei anderen Parteien nicht mitstimmen oder sich verweigern, bekommen die keine Mehrheit. Es ist also nur vom Verhalten der Ampelparteien abhängig ob Demokratie gelebt wird oder nicht.
Ob dann die AfD mitstimmt oder nicht ist ihnen da völlig egal.
Ihr zweiter Punkt bedeutet ganz klar, wenn ich nicht Ampel bin, sondern beispielsweise CDU CSU und bringe ein Gesetz ein, von dem ich überzeugt bin, dass es gut ist u die Ampel stimmt aus waldtaktischen Gründen nicht dafür dürfte ich ja niemals ein Gesetz einbringen. Schon gar nicht, wenn eine AfD dafür stimmen könnte. Aber es haben ja auch linke und BSW dafür gestimmt. Das zeigt eigentlich, dass es eine demokratische Mehrheit hätte geben können.
Genau das ist auch ihr Fazit. Ohne dem Goodwill von SPD und Grüne kann man nichts beschließen.
Ergo?
Na ist doch logisch. Private Versicherungen machen Gesundheitstest und nehmen nur überdurchschnittlich gesunde Menschen auf. Die gesetzlichen müssen jeden Gesundheitszustand akzeptieren. Zweitens sind alle Beamten privat versichert. Und die atmen bekanntlich weder Kohlestaub ein, noch heben sie schwere Zementsäcke durch die Gegend. Allein schon die zwei Punkte würden es erklären, warum privat Versicherte überdurchschnittlich gesund sind.
Die Privatversicherungen nehmen nicht nur
gesunde Menschen auf sondern auch
Personen mit starken Erkrankungen.
Hier werden dann hohe Risikozuschläge fällig.
Das gibt es bei den Pflichtversicherten nicht.
Nicht alle Beamte sind privat versichert.
Wer es sich leisten kann bezieht halt nur Beihilfe.
Man muß nicht unbedingt Kohlestaub einatmen
und Zementsäcke rumschleppen um krank zu sein.
Dokumentenbearbeitung und Rechnertätigkeiten
machen bekanntlicherweise auch krank.
Will hier nur mal die Rückenbeschwerden
nennen vom vielen sitzen.
Gruß Klaus Habermann, Estenfeld ! ! !
Und wer vor der Beamtung auf Lebenszeit schwer chronisch erkrankt wird nicht verbeamtet sondern höchstens als Angestelle*r beschäftigt und ist somit gesetzlich versichert.
Wieso das denn...!!?
Bundesgtagsdrucksache 20/14768 Seite 50
https://dserver.bundestag.de/btd/20/147/2014768.pdf
Ein lustiges Völkchen, hier ein Auszug:
Im Hinblick auf die Erhöhung der Gerichtsgebühren habe sich die Fraktion der CDU/CSU eine moderatere Erhöhung gewünscht, da durch höhere Gerichtsgebühren der Zugang zum Recht erschwert werde.........(bei den Rechtsanwaltsgebühren nicht?)........
Der Gesetzentwurf erfülle jedoch nicht die berechtigten Erwartungen und Bedürfnisse, da die Vergütung durch den Gesetzentwurf hinter den Stand vor der Einführung des Inflationsausgleiches zurückfalle.