Der Netzausbau ist seit Jahren Reizthema. Für Politik und Netzbetreiber lässt sich die Energiewende nur mit neuen Stromautobahnen wie SuedLink schaffen, Gegner der Trassen halten die Pläne für überdimensioniert. Auch in Unterfranken gibt es nach wie vor Widerstand. Wo steht das Milliardenprojekt SuedLink aktuell? Warum gibt es immer wieder Verzögerungen? Und wann soll in der Region wirklich Strom durch die Leitungen fließen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie weit ist das Projekt SuedLink aktuell?
In wenigen Jahren soll der SuedLink über rund 700 Kilometer Strom vom Norden in den Süden Deutschlands transportieren. Dabei steht der grobe Weg der Trasse fest, die Bundesnetzagentur hat dafür einen 1000 Meter breiten Korridor festgelegt. Aktuell wird im sogenannten Planfeststellungsverfahren der grundstücksgenaue Verlauf gesucht. Es geht also um die Frage, wo genau die Kabel verlegt werden.
Wie weit ist die Trassenplanung in Unterfranken?
Einen Vorschlag für den Verlauf der Stromautobahn in der Region haben die Netzbetreiber TransnetBW und Tennet bereits mit dem Antrag auf Planfeststellung gemacht. "Der 100 Meter breite Streifen stellt unseren ersten Entwurf eines möglichen Leitungsverlaufs dar", sagt TransnetBW-Sprecher Alexander Schilling. In diesem Jahr und auch 2023 finden laut Schilling nun vertiefende "Untersuchungen vor Ort statt", um den metergenauen Verlauf zu erarbeiten.
Wenn diese "Hausaufgaben" erledigt seien, würden die kompletten Planfeststellungsunterlagen bei der Bundesnetzagentur als Genehmigungsbehörde eingereicht. Dabei soll der Schutzstreifen für den SuedLink am Ende deutlich schmaler als die 100 Meter sein: So benötigt man laut Schilling auf der Stammstrecke - also dort, wo beide SuedLink-Leitungen parallel laufen - 18 bis 22 Meter, auf der einfachen Strecke acht bis zwölf Meter.
Was wird in Unterfranken untersucht?
Derzeit finden in der Region nach Angaben von TransnetBW Baugrunduntersuchungen, Kartierungen, archäologische und Kampfmittel-Voruntersuchungen sowie Vermessungen statt. Diese würden teilweise bis kurz vor Baubeginn dauern, so der Sprecher.
Beispiel Baugrunduntersuchungen: Etwa alle 300 bis 400 Meter entlang des Trassenverlaufs wird per Bohrung eine Bodenprobe genommen und im Labor analysiert. So kann unter anderem die Wärmeleitfähigkeit oder die Dicke und Zusammensetzung der Bodenschichten überprüft werden. In Unterfranken stehe ein Großteil der Baugrunduntersuchungen noch aus, sagt Schilling.
Wann soll der metergenaue Verlauf in der Region feststehen?
Die Netzbetreiber wollen nach eigenen Angaben Ende 2023 die vollständigen Planfeststellungsunterlagen mit einem grundstücksgenauen Verlauf bei der Bundesnetzagentur einreichen. Diese gibt dann im Planfeststellungsbeschluss den finalen Weg der Trasse vor – und damit quasi den Startschuss für die Bauphase.
Was kritisieren Trassengegner – und wie wehren sie sich?
Seit Jahren gibt es bundesweit und auch in der Region Proteste gegen den SuedLink und andere Leitungsvorhaben wie zum Beispiel die Fulda-Main-Leitung P43. Aus Sicht der Gegner ist der geplante Netzausbau überdimensioniert, echte Alternativen etwa zum SuedLink seien nie geprüft worden. "Eine Kosten-Nutzen-Analyse wurde nicht gemacht", kritisiert Norbert Kolb, Vorsitzender der Bergrheinfelder Bürgerinitiative (BI) gegen SuedLink.
In der Gemeinde im Landkreis Schweinfurt wehren sich die Bürgerinnen und Bürger besonders vehement gegen die Pläne der Netzbetreiber und fordern, die Lasten der Energiewende fairer zu verteilen. Als Netzknotenpunkt sei Bergrheinfeld bereits stark beansprucht, mit SuedLink und P43 drohe die Überforderung.
Aus Protest hätten deshalb eine Vielzahl von Grundstückseigentümern und -bewirtschaftern Betretungsverbote entlang der geplanten SuedLink-Trasse ausgesprochen, so Kolb. Diese seien zwar teilweise durch Duldungsanordnungen außer Kraft gesetzt worden. Nichtsdestotrotz gehe der Widerstand der BI weiter, sagt Kolb: "Unser Ansatz ist es, vorhandene Infrastruktur besser auszunutzen." Ein stetiger Ausbau führe letztlich nur zu immer weiter steigenden Kosten und damit zu höheren Strompreisen für die Verbraucher.
Wie geht es jetzt weiter?
In der vergangenen Woche hat TransnetBW für den ersten SuedLink-Teil, den südlichsten Abschnitt der Trasse in Baden-Württemberg, die vollständigen Planfeststellungsunterlagen eingereicht. Sobald die Bundesnetzagentur grünes Licht gebe, könne der Bau beginnen, sagt Schilling. Gleichzeitig ist Anfang Mai die Produktion der 525-Kilovolt-Erdkabel für den SuedLink angelaufen. Für die geplanten vier Gigawatt Übertragungskapazität der Trasse werden rund 2500 Kilometer Kabel benötigt. Kosten: rund zwei Milliarden Euro.
Welche Ergebnisse hat das Versuchsfeld in Güntersleben bislang gebracht?
Die Spannungsebene der SuedLink-Kabel liegt statt der üblichen 320 Kilovolt bei 525 Kilovolt. Das ist neu. Auf vier Versuchsfeldern in Süddeutschland wird deshalb der Betrieb der Kabel simuliert – eines davon ist im Herbst in Güntersleben im Landkreis Würzburg entstanden. Mit der Universität Hohenheim untersuchen die Netzbetreiber hier die Auswirkungen der Kabel auf den Boden und auf Ackerpflanzen. Ergebnisse der Messungen lägen jedoch noch keine vor, so Schilling.
Wann soll der Bau des SuedLink in Unterfranken beginnen?
Gebaut werden soll die Trasse, sobald das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen und der Planfeststellungsbeschluss erlassen ist. Erst dann "besteht für uns im jeweiligen Abschnitt Baurecht", sagt Schilling. Allerdings wird dann kein 700 Kilometer langer Graben von der Nordsee bis nach Unterfranken aufgerissen. Gebaut wird abschnittsweise. Mit dem Beginn in der Region rechne man "nicht vor 2024".
Wann fließt Strom durch den SuedLink?
Längst ist klar: Der geplante Start 2026 ist nicht zu halten. Die Prüfung alternativer Verlaufsvorschläge habe zu Verzögerungen geführt, so Schilling. So dauerte bereits das Bundesfachplanungsverfahren ein Jahr länger, dann kam die Corona-Pandemie. Heute gehe man von einer Inbetriebnahme Ende 2028 aus. Das sei ein "weiterhin ambitionierter Zeitplan", sagt Schilling. Denn "beliebig beschleunigen" oder "noch stärker parallelisieren" lasse sich die Planung nicht, auch seien größere Klagerisiken nicht enthalten.