Wer die Wärmehalle auf dem Areal der Posthalle betritt, der blickt direkt auf ein großes Plakat, das an einem Tisch mit Infomaterial angebracht ist. "Herzlich willkommen" steht dort in blauer, roter und schwarzer Farbe. An den Wänden hängen von Kindern gemalte Regenbogen, bunte Häuser, Blumen oder Tiere. Es sind Farbtupfer an den sonst weißen Wänden. Eine Lichterkette sorgt für eine heimelige Atmosphäre und taucht die Tische, die in der Halle verteilt sind, in ein warmes Licht. Viel Mühe wurde investiert, um sicherzustellen, dass sich alle wohlfühlen.
Bereits um 11 Uhr sind Hilfesuchende in der Wärmehalle. Nicht nur um sich aufzuwärmen, sondern auch, um sich eine warme Mahlzeit – an diesem Tag Bohnensuppe – belegte Brote sowie eine Tasse Kaffee oder Tee zu holen und mit anderen zusammenzusitzen. Auch Süßigkeiten, wie Pudding oder Schokoriegel befinden sich im Kühlschrank und auf dem langen schwarzen Tresen, an dem das Essen ausgegeben wird. Fragen, wie "Wollen Sie was Süßes?", "Noch ein Kaffee?" oder "Auch ein Brot?", durchbrechen die Stille. Später ist das Lachen der Besucherinnen und Besucher zu hören, die sich über ihren Tag, aber auch ihre Probleme unterhalten.
Die Schicksale gehen den festangestellten und ehrenamtlichen Helfern nahe
"Dieses Jahr ist alles ganz anders. Die letzten zwei Jahre gab es strenge COVID-Regeln", sagt Eric Bernhard vom Bayerischen Roten Kreuz. Hilfesuchende durften nur allein am Tisch sitzen, mussten Abstand halten und sich auf Corona testen. Die Wärmehalle war in dieser Zeit vor allem eine Notversorgung für Obdachlose. Nun wurde sie erweitert und bietet Bedürftigen in allen Lebenslagen Unterstützung, ergänzt Susanne Bergmann von der Bahnhofsmission. Die beiden begleiten das Projekt bereits von Anfang an und werden als festangestellte Mitarbeiter von Ehrenamtlichen unterstützt.
Eine feste Rollenverteilung gibt es nicht. "Jeder macht das, was ansteht. Es ist eine Allroundbeschäftigung", erklärt Eric Bernhard, während er Brote mit Salami und Käse belegt. Dass das Team bereits seit 2 1/2 Monaten im Einsatz ist, ist spürbar. Sie sind eingespielt, verstehen sich ohne Worte. Während ein Teammitglied für Essensnachschub sorgt, brüht jemand anderes frischen Kaffee oder ist zur Stelle, wenn eine Person die Wärmehalle betritt. "Man kennt die Leute mit der Zeit, es kommen immer die Gleichen", sagt der Ehrenamtliche Lothar Grundei, während er Suppe in einen Pappbecher gibt.
Immer wieder scherzt er dabei mit den Gästen. Keiner wird abgefertigt, jeder Besucher persönlich angesprochen. Regelmäßig, das sagen alle im Team, gebe es aber auch Schicksale, die nahegehen. "Einmal kam ein Mann in die Wärmehalle, der fragte, ob er sich umschauen darf, er suche seinen Stiefsohn und könne ihn in ganz Würzburg nicht finden." Lothar Grundei habe dann herausgefunden, dass der Stiefsohn drogenabhängig sei, seine Wohnung zwangsgeräumt wurde und abgetaucht sei. "Das hat mich bewegt, weil ich nicht helfen konnte. Ich habe selbst zwei Söhne. Ich weiß, wie das ist, wenn man sich Sorgen macht."
"Es wird alles teurer, wie soll man sich das leisten?"
Die Teammitglieder sind mittlerweile zu Bezugspersonen für die Schutzsuchenden geworden, die ihnen ihre Probleme und ihren Frust anvertrauen. Ein Vater (40) und sein Sohn (25), die lieber anonym bleiben möchten, halten bereits als sie die Wärmehalle betreten Ausschau nach Erics roter Jacke, die ihn als Angestellter des roten Kreuzes kennzeichnet. Sie sprechen mit ihm über ihre finanziellen Sorgen. "Es wird generell immer knapp, ab der Mitte des Monats ist das Geld weg", sagt der 40-Jährige, der wie sein Sohn krankheitsbedingt von der Grundsicherung lebt.
Sein Sohn ergänzt: "Es wird alles teurer, wie soll man sich das leisten?" Aktuell müssten sie aufgrund steigender Miete, Energiekosten und Lebensmittelpreise jeden Cent zweimal umdrehen. Dank der Wärmehalle haben sie etwas im Magen und können zudem die Mitarbeiter bei Problemen um Rat fragen. Während einige den Austausch suchen, ist es aufgrund der Größe der Halle auch möglich, sich zurückzuziehen und nachzudenken. So wie Sonja, die über einem Blatt Papier sitzt und ihre Gedanken aufschreibt. "Man kann hier in Ruhe für sich selbst sein, aber auch Miteinander, das ist okay", sagt sie. "Es ist ein Raum für alle und diese Räume fehlen."
Infolge einer schweren Krankheit lebe sie von der Grundsicherung, die Mahlzeit und der Kaffee seien eine Erleichterung für ihr Haushaltsbudget. Trotzdem sei es für sie auch "mit Scham behaftet. Da ist das Gefühl, das Leben nicht so gut hinbekommen zu haben". Sie wisse, was geredet wird, wenn "man finanziell nicht gut da steht." In der Wärmehalle fühle sie sich hingegen willkommen, auch weil sie ganz selbstverständlich ihre Essens- und Getränkewünsche äußern könne und die Ehrenamtlichen merken würden, wenn es ihr nicht gut gehe.
Auffällig viele ältere Männer kommen in die Würzburger Wärmehalle
Mittlerweile ist es 13 Uhr, normalerweise Stoßzeit in der Wärmehalle. An diesem Dienstag ist nicht viel los, dafür kommt die Lebensmittellieferung für diese Woche. Kistenweise Obst, Brote, Kaffee, Kuchen oder Hygieneartikel bringen die Mitarbeiter der Firma Garmin herein. Alles finanziert durch Geld- und Sachspenden der Mitarbeiter der Firma. "Wir hatten auch schon Tage, da standen um 13 Uhr dann plötzlich 25 Menschen da", sagt Susanne Bergmann. Dass sie diesmal weniger Gäste haben, führt sie auf das mildere Wetter und den Zeitpunkt zurück. Am Ende des Monats, wenn das Geld ausgehe, kämen mehr Menschen. Bis 15 Uhr wird das Team rund 75 Menschen zählen. Darunter auffällig viele ältere Männer, die von Armut oder sozialer Isolation betroffen sind. Beides habe durch die Krisen zugenommen, erklärt Eric Bernhard.
Einer der Älteren ist Heinz (71), der bereits in Rente ist. Er freue sich jedes Jahr auf die Eröffnung der Wärmehalle. Gemeinsam mit zwei weiteren Frauen sitzt er an einem Tisch, schaut ihnen bei "Mensch ärgere dich nicht" zu und bringt sie zum Lachen. Sie plaudern über einen sprechenden Wellensittich. Die Stimmung ist heiter, trotz Sorgen und Ängsten. Die Wärmehalle sei für den Rentner zwar auch eine finanzielle Erleichterung, es gehe aber vor allem um menschlichen Kontakt. Wenn die Wärmehalle Ende März schließt, wird Heinz zur Bahnhofsmission und in die Wärmestube in der Rüdigerstraße gehen. "Ich will unter Leuten sein, mich unterhalten, zudem trifft man immer wieder neue Leute", sagt er. Und Petra, eine der Frauen, ergänzt: "Wir hatten letztens eine Schulklasse da, die hat Gitarre gespielt und wir konnten zuhören und mitsingen." Auch Fasching hätten sie gemeinsam gefeiert.
Die Wärmehalle als Ort der Gemeinschaft und Begegnung
Petra komme wegen hoher Spritkosten und steigender Preise für Lebensmittel in die Wärmehalle. "Deshalb reicht mein Geld nicht, obwohl ich arbeite", sagt sie. Öffentliche Verkehrsmittel könne sie nicht nutzen, denn sie benötige zur Ausübung ihrer Tätigkeit ihren privaten Pkw. Die steigenden Preise machen ihr Angst. "Aber ich kenne die Situation schon länger. Ich war alleinerziehend und musste immer schauen, dass ich über die Runden komme."
Gearbeitet habe sie durchgehend, auch um ein Vorbild für ihre Kinder zu sein. An der Wärmehalle schätze sie das Miteinander. Immer ist sie auf der Suche nach Menschen, die mit ihr eine Partie "Mensch ärgere dich nicht" spielen. "Es finden sich immer zwei, drei Leute zusammen, die mitspielen. Ein Vorteil ist, dass auch diejenigen mitspielen können, die kein Deutsch können." Viele Stunden verbringt sie deshalb an freien Tagen in der Wärmehalle, wo die Gemeinschaft der Menschen durchgehend spürbar ist. Als die Schicht des Teams endet, bedanken sich die Anwesenden. Eine Frau sagt: "Schön war's wieder bei euch."
Noch bis 31. März ist die Wärmehalle von Mo. bis Fr. von 11 bis 15 Uhr geöffnet. Es handelt es sich dabei um ein gemeinsames Projekt der Bahnhofsmission, dem roten Kreuz sowie dem Sozialreferat der Stadt Würzburg.