Mehr als 13 Millionen Menschen in Deutschland sind inzwischen vollständig gegen Corona geimpft. In Bayern liegt die Quote bei den Zweitimpfungen bei rund 16 Prozent und damit etwa im Bundesschnitt. Nur: Wie lange hält die Schutzwirkung? Und braucht es eine dritte Dosis, um das Wiederaufflammen der Pandemie zu verhindern?
Vorbereitungen dafür laufen im Freistaat noch nicht. "In den bayerischen Impfzentren werden derzeit keine Dritt- oder Auffrischungsimpfungen geplant", sagt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Grund sei, dass es noch keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Schutzdauer der Impfstoffe gebe.
Nach sechs Monaten wird Genesenen eine Impfung empfohlen
Auch vom Robert Koch-Institut (RKI) heißt es, dazu lägen aktuell noch keine Daten vor. Ob und wann eine Auffrischimpfung nötig werde, sei unklar. Hersteller wie Biontech/Pfizer oder Moderna geben an, dass der Schutz durch ihre Präparate sechs Monate nach der zweiten Dosis noch genauso hoch sei wie kurz nach der zweiten Spritze.
Sechs Monate – das ist auch der Zeitraum, nach dem Genesenen von der Ständigen Impfkommission (Stiko) eine Impfung empfohlen wird. Und maximal so lange nach einer Corona-Infektion können sie die gleichen Freiheiten wie Geimpfte genießen – beispielsweise sind sie ein halbes Jahr lang von Kontaktbeschränkungen ausgenommen. Doch danach?
"Wir wissen, dass der Schutz mindestens sechs Monate anhält – das heißt nicht, dass es nur sechs Monate sind", erklärt der Würzburger Virologe Prof. Lars Dölken. Bei einer Corona-Infektion entwickle der Körper neutralisierende Antikörper und virusspezifische T-Zellen zur Abwehr. Nach einigen Monaten sinke die Zahl der Antikörper aber wieder. "Doch bleibt die Wahrscheinlichkeit schwer an Covid-19 zu erkranken oder gar zu sterben, bei einer erneuten Infektion geringer", sagt Dölken.
Ähnliches gilt für eine Impfung. Auch hier gehen Experten davon aus, dass die Schutzwirkung nach einer gewissen Zeit nachlässt. Nur wann? Bekannt ist laut Dölken, dass durch einen Impfstoff "sehr langlebige Immunantworten" entstünden. "Das heißt, die Corona-Impfung schützt wahrscheinlich länger als die natürliche Infektion." Gleichzeitig wisse man generell aus der Erfahrung mit Impfstoffen, dass Immunität immer erst etabliert werden müsse. Mindestens zwei Dosen seien dafür nötig, sagt der Leiter des Instituts für Virologie und Immunbiologie der Uni Würzburg. Und um wirklich einen langjährigen Schutz zu erreichen, sei in der Regel eine Auffrischung wichtig – etwa nach einem Jahr.
Biontech-Chef hält dritte Impfdosis wahrscheinlich für nötig
Auch Biontech-Chef Ugur Sahin geht davon aus, dass die Menschen eine dritte Dosis einer Corona-Impfung brauchen könnten. Nach seiner Einschätzung ist künftig auch alle zwei Jahre eine Auffrischimpfung denkbar, die jeweils an Varianten angepasst ist.
Wie aber merkt man, dass der Schutz nachlässt? Grundsätzlich könne man bei Einzelpersonen die Menge der Antikörper im Blut im Labor messen, sagt Virologe Dölken. "Weltweit wird man merken, wann man nachimpfen muss, wenn plötzlich vermehrt auch Geimpfte schwerer krank werden beziehungsweise sterben." Frühestens mache eine dritte Dosis aber im Herbst Sinn – kurz vor der im Winter anstehenden, nächsten Corona-Saison.
Denn die komme ganz sicher, prognostiziert Dölken. "Über den Sommer werden sich die verschiedenen Virusmutationen ausbreiten und im Herbst die Infektionszahlen erneut ansteigen." Noch wichtiger als eine dritte Impfung sei daher "die Grundimmunisierung möglichst vieler Menschen". Denn, sagt Dölken: "Bereits Geimpfte können kaum zu Superspreadern werden."
Vierte Welle droht - aber wodurch und wie stark?
Trotz der momentan sinkenden Infektionszahlen warnen auch andere Experten vor Leichtsinn, vor zu früher Entwarnung und einer vierten Corona-Welle noch vor dem Herbst. Der derzeitige Rückgang hänge vom Verhalten der Gesellschaft und den Entscheidungen der Politik ab. "Es ist bisher kein Rückgang, der sich daraus ergibt, dass die meisten Personen die Infektion hatten oder geimpft sind", sagt beispielsweise Epidemiologe Rafael Mikolajczyk vom Uniklinikum Halle.
Wie sich Virusvarianten in den kommenden Monaten in Deutschland ausbreiten werden, ist Dölken zufolge kaum vorherzusehen. Sorgen bereitet aktuell vor allem die indische Mutation, die noch ansteckender sein könnte als ihre Vorgänger. Manche Wissenschaftler sehen deshalb bei ihr das Potenzial zum Auslösen einer neuen Welle. Mit einer Welle im Sinne eines exponentiellen Anstiegs rechne er zunächst zwar nicht, sagt Dölkens Kollege Friedemann Weber von der Uni Gießen - aber es könnte "zu einem Jojo-Effekt kommen".
Impfzentren: Bisher keine Planungen für Drittimpfungen
Bleibt die Frage: Wie bereitet sich Bayern auf eine mögliche vierte Corona-Welle vor? Es wird geimpft, so viel und schnell wie möglich. Planungen für eine dritte Dosis gibt es in den unterfränkischen Impfzentren bislang nicht. Aus den Gesundheitsämtern der Region heißt es unisono, dazu gebe es keine Vorgaben aus München.
"Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass es in Zukunft eine dritte Impfung geben wird. Es liegen uns bisher allerdings keine Informationen vor, wer diese Auffrischungsimpfungen durchführen soll und wie diese organisiert werden", teilt Anika Prakesch vom Landratsamt Aschaffenburg mit. Es sei nicht abzusehen, "wann Drittimpfungen beginnen und woher die Impfstoff-Kontingente dafür kommen werden". Es gebe ja auch noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission zum Thema Auffrischimpfung, sagt Nike Carr, Sprecherin Stadt Schweinfurt.
Hinzu kommt: Der Betrieb der Impfzentren steht vorerst nur bis zum 30. September fest. Da der "bayerische Impfturbo" aber immer wieder ins Stottern gerät, dürften die Zentren bis dahin allein mit Erst- und Zweitimpfungen ausgelastet sein.