Die Bereitschaft, sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen, wächst. Und der Aufklärungs- und Informationsbedarf in der Bevölkerung ist weiter enorm. Dies zeigt auch die Resonanz auf die nächste gemeinsame "Sprechstunde" von Main-Post-Akademie, Universitätsklinik Würzburg und Universität. Binnen weniger Tage war die Online-Veranstaltung zur Corona-Impfung ausgebucht, aufgrund des großen Interesses wird es deshalb eine zweite Runde am 23. Februar geben. Viele Teilnehmer der Online-Sprechstunde haben bereits Fragen zur Impfung eingereicht. 15 ausgewählte beantwortet hier voran Professor Oliver Kurzai vom Institut für Hygiene und Mikrobiologie, Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Mykologie. Der 45-Jährige ist gemeinsam mit Prof. Ulrich Vogel, Leiter der Krankenhaushygiene am Uniklinikum, und Prof. Johannes Liese, Leiter des Bereichs Infektiologie und Immunologie an der Uni-Kinderklinik, einer der drei Experten der anstehenden "Sprechstunde" zum Thema Impfung.
Prof. Oliver Kurzai: Das wissen wir momentan noch nicht. Die meisten Experten (und ich auch) vermuten, dass die Schutzwirkung mehrere Jahre anhalten sollte. Wenn sie dann nachlässt, könnte sie durch eine „Auffrischimpfung“ wiederhergestellt werden – ähnlich wie man das von der Tetanusimpfung kennt. Es ist aber aktuell reine Spekulation, ob das nötig wird. Ob eine Auffrischung notwendig ist, wird nicht nur von der Wirkdauer der Impfung abhängen, sondern auch von der Frage, wie gefährlich das Virus bleibt, wenn weite Teile der Bevölkerung geimpft sind.
Kurzai: In den Zulassungsstudien waren die jetzt verfügbaren Impfungen sehr wirksam – sogar deutlich besser, als sich die meisten Experten erhofft hatten. Insgesamt haben in den Studien weniger als fünf von 10 000 vollständig geimpften Personen eine SARS-CoV-2-Infektion bekommen. Was vielleicht noch wichtiger ist: Bei den geimpften Personen wurden eher milde Verläufe der Infektion beobachtet.
Kurzai: Die jetzt verfügbaren Impfstoffe führen nach der Injektion zu typischen Nebenwirkungen, die wir auch von anderen Impfstoffen kennen: Schmerzen an der Einstichstelle, körperliche Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen. Einige Personen bekommen auch Fieber, dies ist nach der zweiten Impfung häufiger als nach der ersten. Seit Beginn der Impfung wurde über Einzelfälle von schweren allergischen Reaktionen direkt nach der Injektion berichtet. Dies betraf vor allem Personen, bei denen schon vorher schwerste und vielfältige Allergien bekannt waren. Diese Personen müssen auch im normalen Leben ständig eine „Adrenalinspritze“, also einen Autoinjektor, mit sich führen, um im Notfall einem allergischen Schock vorbeugen zu können.
Kurzai: Diese Frage wird zurzeit viel diskutiert. In den Studien zu den neuen Impfstoffen wurde nur untersucht, wer von den Geimpften krank geworden ist. Man hat aber nicht alle gesunden Personen regelmäßig mit Abstrichen auf das Virus getestet. Deswegen ist es denkbar, dass Geimpfte zwar nicht krank geworden sind, aber trotzdem unbemerkt infiziert wurden und das Virus weitergegeben haben. Allerdings ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass Geimpfte genauso viele Viren freisetzen wie Ungeimpfte. Viel wahrscheinlicher: Geimpfte Personen erkranken nicht, weil sie viel weniger Virusvermehrung zulassen. Daher ist zu erwarten, dass sie das Virus zumindest deutlich schlechter weiterverbreiten als ohne Impfung.
Kurzai: Wie bei jeder Impfung sollte der Impfstoff BNT162b2 nicht verabreicht werden, wenn man akut krank ist, zum Beispiel bei Fieber. Auch die Impfung während einer Schwangerschaft oder während des Stillzeitraums sollte – als generelle Vorsichtsmaßnahme – nur nach individueller Beratung erfolgen. Personen mit schwersten Allergien sollten sich zunächst nicht oder nur nach Beratung impfen lassen. Alltagsallergien wie Heuschnupfen oder auch die bei der Grippeimpfung relevante Hühnereiweißallergie sind im Hinblick auf die SARS-CoV-2-Impfung aber unproblematisch. Für Kinder unter 16 Jahren gibt es aktuell keine Daten zu Verträglichkeit und Wirksamkeit des Impfstoffs. Gleichzeitig erkranken Kinder nur selten schwer an Covid-19. Daher sollten sie zunächst nicht geimpft werden – die Impfstoffe sind auch nicht für Kinder zugelassen. Personen, die bereits eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht haben, müssen sich zunächst nicht impfen lassen.
Kurzai: In den aktuellen Vorgaben wird empfohlen, Personen mit einer überstandenen Corona-Infektion zunächst nicht zu impfen. Wir gehen davon aus, dass bei ihnen eine gewisse Immunität bestehen bleibt. Anzeichen, dass eine Impfung für diese Gruppe gefährlich ist, gibt es nicht. Es kann durchaus sein, dass die üblichen Nebenwirkungen - also vorübergehendes Fieber, Schmerzen an der Stichstelle, körperliche Abgeschlagenheit - etwas stärker ausfallen, wenn man nach einer Infektion schon eine „Grundimmunität“ hat. Aber eine Gefährdung besteht dadurch nicht. Wenn ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, dass ich wirklich schon eine Corona-Infektion hatte, würde ich mich im Zweifelsfall lieber impfen lassen.
Kurzai: Der Impfstoff enthält ein Botenmolekül, die sogenannte RNA. Unsere Gene bestehen aus DNA. Obwohl das in der Abkürzung ähnlich klingt, gibt es zwischen den beiden Stoffen einen erheblichen chemischen Unterschied. Im menschlichen Körper wird aus einer DNA-Vorlage ständig RNA gebildet. Es gibt aber keine einzige Körperzelle, die in der Lage ist, aus einer RNA-Vorlage DNA zu bilden. Daher kann der menschliche Körper aus der Impfstoff-RNA keine DNA bilden, und durch den Impfstoff können keinesfalls Gene unseres menschlichen Genoms geändert werden.
Kurzai: Bei komplizierten und mehrfachen Grunderkrankungen empfehle ich grundsätzlich eine individuelle Beratung durch den Hausarzt oder durch einen anderen Arzt Ihres Vertrauens. Hier ist eine ordentliche medizinische Abwägung wichtig – obwohl die Impfung prinzipiell auch bei den meisten Grunderkrankungen problemlos gegeben werden kann.
Kurzai: Normale Alltagsallergien sind kein Grund, sich nicht impfen zu lassen. Bei schweren Allergien sollte man sich vorher individuell beraten lassen.
Kurzai: In beiden Fällen sollte man eine Impfung anstreben, da die beschriebenen Grunderkrankungen zu einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf bei einer SARS-CoV-2-Infektion führen können. Allerdings empfehle ich hier ausdrücklich eine individuelle ärztliche Beratung.
Kurzai: Eine pauschale Antwort ist hier nicht möglich – das kommt stark auf die Art der Erkrankung und auch die eventuell laufende immunsuppressive Therapie zur Behandlung der Autoimmunerkrankung an. Hier muss eine individuelle Beratung durchgeführt werden – in den meisten Fällen wird aber eine Impfung möglich sein.
Kurzai: Der Wirkstoff muss in den Muskel verabreicht werden, eine andere Verabreichung ist nicht möglich. Es gibt hier eventuell die Möglichkeit, mit speziellen, besonders dünnen Nadeln zu arbeiten um das Blutungsrisiko zu minimieren. Das sollte aber individuell mit dem betreuenden Arzt besprochen und geklärt werden.
Kurzai: Bei den SARS-CoV-2-Impfstoffen handelt es sich um „Totimpfstoffe“. Diese Art von Impfstoffen können bei MS-Patienten grundsätzlich gut verabreicht werden. Es gibt allerdings aktuell keine Daten zu den neuen Impfstoffen für MS-Patienten, daher rate ich auch hier zu einer individuellen Beratung, die neben Verlauf und Schwere der Erkrankung auch die eigene Therapie berücksichtigen sollte. Ein Diabetes Typ 1 stellt keine Kontraindikation für die Impfung dar.
Kurzai: Nein. Zwar können wir aktuell keine sichere Aussage über mögliche Langzeitnebenwirkungen treffen, eine Beeinträchtigung im Hinblick auf eine spätere Schwangerschaft ist aber so extrem unwahrscheinlich, dass ich das ausschließe. Ein auch nur annähernder Effekt in diese Richtung wurde nie zuvor bei irgendeinem Impfstoff beschrieben. Ich war über diese Frage sehr verwundert, weil eine solche Nebenwirkung der Impfung aus fachlicher Sicht völlig abwegig erscheint. In der Zwischenzeit habe ich erfahren, dass im Internet zum Teil die Behauptung verbreitet wird, dass die SARS-CoV-2 -Impfung zu Unfruchtbarkeit oder späteren Schädigungen von ungeborenen Kindern führen kann. Die dort aufgestellten Behauptungen entbehren wirklich jeder wissenschaftlichen Grundlage.
Kurzai: Das wird leider nicht nur von der Impfung der Bewohner abhängen, sondern auch von der Entwicklung der Infektionszahlen in der Bevölkerung. Eine sofortige und komplette Öffnung von Heimen nach Abschluss der Impfung wird es daher nach meiner Einschätzung nicht geben. Aber: Ziel der Impfkampagne und der AHA-Regeln ist es, dass wir zeitnah wieder zu einer Normalität zurückkehren können. Ich bin optimistisch, dass das weitgehend noch in diesem Jahr gelingen kann, wenn wir genug Impfstoff bekommen und die Impfbereitschaft weiter so hoch ist, wie ich das aktuell erlebe.
Termin und Anmeldung: Wegen der großen Nachfrage gibt es zum Thema Corona-Impfung eine weitere "Sprechstunde" von Main-Post-Akademie, Universität Würzburg und Uniklinikum. Sie findet am 23. Februar um 18 Uhr online statt. Titel: „Vom Beginn der Impfkampagne zum Ende der Pandemie – was passiert in 2021?“ Neben Prof. Oliver Kurzai antworten dann Virologe Prof. Lars Dölken und Dr. Güzin Surat, Expertin für Krankenhaushygiene. Eine Anmeldung ist nötig, die Teilnehmerzahl ist begrenzt: online über das Anmelde-Formular unter www.akademie.mainpost.de oder Tel. (0931) 6001-6009.