
Stand Dienstagmorgen werden bei uns im Klinikum Würzburg Mitte 28 Covid-Erkrankte behandelt, davon fünf auf den Intensivstationen. Das bedeutet für das ganze Team und auch für mich manchmal wirklich lange und taffe Tage.
Der Montag beispielsweise begann um 5 Uhr mit liegen gebliebener Schreibtischarbeit, ab 7 Uhr standen im Stundentakt Visiten auf den Corona- und Nicht-Covid-Stationen sowie Besprechungen an. Bei letzteren ging es um Fragen wie: Was ist geplant, was ist dringlich, was kann man aufschieben? Tatsächlich waren am Montag alle Eingriffe dringlich und wir mussten entsprechend Betten umorganisieren. Dann ging es bis weit in den Abend mit Terminen weiter. Durch solche Tage rast man in dem verzweifelten Bemühen, nichts zu übersehen - und hat am Ende 16 Stunden gearbeitet.
Verschobene Operationen: Verständnis, aber auch Verärgerung
Wenn nicht dringliche Eingriffe verschoben werden müssen, haben Betroffene in der Regel Verständnis dafür. Uns trifft da selten ein Vorwurf. Aber teilweise spürt man Verärgerung und den Satz "nur weil manche Menschen nicht zur Vernunft kommen" haben wir in diesem Kontext schon öfter gehört.
Und: Leider erleben wir in den vergangenen Tagen auch immer wieder stark verunsicherte Menschen, die wichtige Untersuchungen aus Angst vor Corona aufschieben. Hier kann ich nur klar sagen: Ja, wir müssen in den Kliniken aktuell darauf achten, was dringlich ist – aber wer Symptome und Beschwerden hat, sollte diese immer und sofort ärztlich abklären lassen!
Ebenfalls sehr nachdenklich gemacht hat mich ein Gespräch mit einer Patientin mit Blutzuckerkrankheit, die an Corona erkrankt ist. Ich habe versucht ihr zu sagen, dass sie mit entsprechendem Abstand zur Infektion daran denken sollte, sich impfen zu lassen. Sie hat jedoch große Furcht, die Impfung könnte ihr Immunsystem schädigen. Gegen solche Mythen und Ängste, die teilweise hochemotional behaftet sind, anzukommen, ist unglaublich schwer. Man kann es nur immer wieder mit Argumenten versuchen.
Sterblichkeit von Covid-Intensivpatienten erschreckend hoch
Eine Herausforderung ist auch die Betreuung von einigen Corona-Erkrankten mit Behinderung, die derzeit bei uns im Klinikum liegen. Schwer eingeschränkte Menschen während einer Covid-Infektion gut zu begleiten ist anspruchsvoll. Beispielsweise wenn sie zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Da geben sich alle im Team wahnsinnig viel Mühe.
Insgesamt haben wir seit Beginn der Pandemie enorm viel über das Virus gelernt. Das ist gerade mit Blick auf die Mutationen ein Vorteil. Auch in der medizinischen Versorgung von Covid-Patienten ist vieles zur Routine geworden – das heißt aber nicht, dass es weniger anstrengend wäre. Ja, wir haben mittlerweile gute Strategien, wie wir uns und andere Patienten schützen können. Es gibt Medikamente, die man begleitend gibt, wie Blutverdünner oder Cortison-Präparate und spezielle Immunmodulatoren. Und jeder im Team weiß, was zu tun ist, wie Betroffene behandelt werden müssen. Das ist aber keine komplette Lösung – denn die quantitative Patienten-Last bleibt. Genauso wie die Einschränkungen, die Corona mit sich bringt. Es fehlt einfach die Normalität am Arbeitsplatz wie auch im Alltagsleben.
Hinzu kommt: Trotz guter Therapiekonzepte ist die Sterblichkeit gerade von Covid-Intensivpatienten erschreckend hoch. Corona bleibt eine Herausforderung und eine Bedrohung – die Erkrankung ist absolut nicht banal.
Priv.-Doz. Dr. Matthias Held (51) ist Ärztlicher Direktor am Klinikum Würzburg Mitte. Dort ist der Lungenspezialist für die Covid-19-Patienten zuständig. In seinem Tagebuch gibt er in den kommenden Wochen regelmäßig Einblicke in den Klinikalltag. Alle Folgen finden Sie unter www.mainpost.de/corona-tagebuch
Was andere Quertreiber wohl missverstehen und sich in Rechtsauslegungen ergießen!