zurück
Würzburg
Auch in Unterfranken: Kirchen melden so viele Austritte wie noch nie
Die Zahl der Kirchenaustritte nimmt weiter rasant zu - bei Katholiken und Protestanten. Würzburgs katholischer Bischof Franz Jung sieht aber einen Hoffnungsschimmer.
Die Zahl der Kirchenaustritte steigt weiter.
Foto: Symbolbild: Ingo Wagner, dpa | Die Zahl der Kirchenaustritte steigt weiter.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 19.02.2024 08:19 Uhr

Immer mehr Menschen in Deutschland kehren den beiden großen christlichen Kirchen den Rücken: 2019 lag die Zahl der Kirchenaustritte bei über einer halben Million, jeweils rund 270 000 Menschen verließen die katholische und die evangelische Kirche. Gegenüber dem Vorjahr nahmen die Zahlen um 26 Prozent beziehungsweise 22 Prozent zu, hieß es am Freitag bei der Veröffentlichung der aktuellen Statistiken.

In Unterfranken bestätigt sich dieser Trend: 8043 Frauen und Männer aus dem Bistum Würzburg kündigten im vergangenen Jahr ihre Mitgliedschaft in der katholischen Kirche, nach Angaben der Diözese so viele wie nie zuvor. 2018 waren es nur 6532. Und auch in der evangelischen Kirche ist der Aderlass groß: In Unterfranken traten 2581 Protestanten aus, im Vorjahr waren es lediglich 2162. 

Zum 31. Dezember zählte das Bistum Würzburg, nahezu deckungsgleich mit dem Regierungsbezirk Unterfranken, etwas mehr als 720 000 Katholiken, das heißt rund 55 Prozent der Bevölkerung in der Region sind katholisch. In einer Pressemitteilung veröffentlichte die Diözese am Freitag weitere regionale Zahlen: So sanken unter anderem die Zahlen der Taufen auf 5226 (2018: 5641) und der Erstkommunion-Kinder auf 5250 (2018: 5277). Einen Rückgang gab es auch bei den kirchlichen Hochzeiten mit 1377 (2018: 1575) und kirchlichen Bestattungen mit 8423 (2018: 8745).

Für Bischof Franz Jung fällt die Statistik nicht erfreulich aus. "Die Zahlen tun weh, richtig weh", zitiert ihn die Pressestelle der Diözese in einer Mitteilung. Er nehme die Entscheidung eines jeden, der sich "enttäuscht, genervt, frustriert oder gelangweilt" von der Kirche abwende, sehr ernst und bedauere diese zutiefst. Jung fordert von seinen Mit-Christen, "das aktuelle Kirchsein zu hinterfragen". Was er damit konkret meint, sagt er nicht.

"Die Zahlen tun weh, richtig weh."
Franz Jung, Bischof von Würzburg

Der Bischof erklärt weiter, er sei den Menschen, die sich aus Überzeugung entschieden hätten, Mitglied der Kirche zu sein und Kirche zu leben, sehr dankbar, "und dies gerade in einer Zeit, in der das Bild der Kirche aufgrund schweren eigenen Versagens vielfach vom Reformstau und Skandalen überschattet ist". Allen, die ausgetreten sind, verspricht Jung: "Die Türen unserer Kirche stehen Ihnen weiterhin offen." Und so sieht er denn auch trotz aller Enttäuschung einen "Hoffnungsschimmer": So seien 135 Frauen und Männer (2018: 127) nach einem Austritt wiederaufgenommen worden. Außerdem wurden 36 (2018: 42) Neueintritte verzeichnet.

Die evangelische Kirche ist in Unterfranken traditionell weniger stark vertreten. In den acht Dekanaten der Region sind knapp 220 000 Mitglieder registriert, so Christa Grötsch vom Kirchenkreis Ansbach-Würzburg. Auch hier sind die Zahlen für alle kirchlichen Aktivitäten gesunken. So gab es im vergangenen Jahr in Unterfranken unter anderem 1931  Taufen (2018: 2017), 1693 Konfirmationen (2018: 1847), 403 Trauungen (2018: 481) und 2364 Bestattungen (2018: 2445). In etwa gleich geblieben ist mit 257 (2018: 263) die Zahl der (Wieder-)Aufnahmen.

Noch 220 000 Protestanten in Unterfranken

Für die zuständige evangelischen Regionalbischöfin Gisela Bornowski (Ansbach) ist es "schmerzlich", dass so viele Menschen den Bezug zu ihrer Kirche verloren haben und ihr den Rücken kehren. "Jeder Kirchenaustritt ist einer zu viel", betont Bornowski auf Nachfrage. Die Kirche müsse sich fragen: "Warum ist das so? Und was können wir dagegen setzen." Der von der Landeskirche angestoßene "Zukunftsprozess" sei auf den Weg gebracht. "Wir wollen nah bei den Menschen sein, sie begleiten in Krisensituationen und Lebensübergängen, sie begeistern für den Glauben an Jesus Christus, Gemeinschaft leben und feiern." Damit dies gelingen kann, gebe es bereits "viele gute Ideen, Angebote und Projekte in den Gemeinden", so Bornowski, ohne konkreter zu werden.

Corona-Pandemie lässt Kirchensteuereinnahmen sinken

Deutschlandweit gibt es aktuell 22,6 Millionen Katholiken und 20,7 Millionen Protestanten. Für beide großen Kirchen zeichnen sich derweil weitere Herausforderungen ab, vor allem auch wirtschaftlicher Natur. Wegen der Corona-Pandemie rechnen sie in diesem Jahr mit einem deutlichen Rückgang bei den Kirchensteuereinnahmen.  

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Michael Czygan
Bischöfe
Bistum Würzburg
Christliche Kirchen
Evangelische Kirche
Franz Jung
Jesus Christus
Katholikinnen und Katholiken
Katholische Kirche
Katholizismus
Konfirmation
Protestanten
Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfe
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Antworten sind nicht (mehr) zeitgemäß -

    all diese schönen Geschichten, die da in der Bibel stehen, sind eben erstmal genau das: Geschichten. Die man glauben(!) kann oder nicht - mit offensichtlicher Tendenz zu "nicht".

    Aber sie sind das Wertefundament der "christlichen Kirche/n".

    Leider kriegt Mensch von heute vorgeführt, dass offenbar weiterkommt wer sich nicht an dieses Wertefundament hält, und darf sich vera###t fühlen. Das mag früher anders gewesen sein, als noch nicht immer und überall alle (Fake)News zur Verfügung standen, aber "heutzutage"?!

    Was kann Kirche tun?

    (Werte)Gemeinschaft bieten. Menschen ohne Wenn und Aber annehmen. Wege aufzeigen. Verstaubte Rituale und Strafandrohungen entsorgen. Möglichkeiten bieten sich einzubringen. Mehr zuhören als von der Kanzel verkünden. Existenzielle Fragen zeitgemäß beantworten. Den Menschen etwas zumuten.

    Ich behaupte nicht, dass das einfach ist und weiß auch nicht, ob ich das könnte. Aber ich glaube(!), so müsste man es angehen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Hab ein Problem mit Heiligen - @ hentinger -

    und würde dazu neigen, das unter "verstaubte Rituale" einzuordnen, was definitiv auch sicherstellen würde, dass kein Scheinheiliger mehr zum "echten" befördert wird.

    Private Meinungen dürfen mMn auch Dekane haben, aber (s. Briefbogenaffäre) dann eher nicht im Namen "ihrer" Kirche propagieren. Das Zitieren der Enzyklika Laudato si im Gottesdienst oder einer Veröffentlichung wiederum scheint mir aber unter die offiziell erlaubten Dinge zu zählen, wobei ich großzügig bin und dies auch einem evangelischen Dekan zusprechen würde.

    Es wäre sowieso gescheiter, wenn sich die Vertreter aller möglichen(!) Religionsgemeinschaften mal zusammensetzen und beratschlagen würden, welche Gemeinsamkeiten/ "universelle" Grundregeln man sieht und mit denen man den Leuten weiterhelfen(!) kann statt auf dem eigenen Vormachts- bzw. Alleinanspruch zu bestehen (welchen ich für Kinderei/ einen Austrittsgrund halte).

    OK, mich plagen Visionen - aber das wissen Sie.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • engert.andreas@gmx.de
    Bis vorgestern hätte ich Ihren Kommentar zu 100% unterschrieben.
    Bei genauem Hinschauen macht mich jedoch eine Sache ziemlich ratlos: alle von Ihnen angemahnten Reformen sind in der evangelischen Kirche verwirklicht, aber wie sehen die Zahlen dort aus?
    Es gab in Deutschland im Jahr 1990 (Quelle: Wikipedia, Stichwort "Mitgliederenwicklung in den Religionsgemeinschaften" - https://de.wikipedia.org/wiki/Mitgliederentwicklung_in_den_Religionsgemeinschaften):
    28,5 Mio Katholiken - heute noch 22,6 Mio - also eine Abnahme von 20,1%
    in der evangelischen Kirche nahm die Mitgliederzahl von 29,4 Mio im Jahr 1990 auf jetzt 20,7 Mio ab, also ein Rückgang um 29,6%.
    Es KANN also nicht nur an den genannten Problemen in der katholischen Kirche liegen - denn dort ist all das möglich, was Sie für die katholische Kirche fordern.
    Woran es also wirklich liegt - ich weiß es auch nicht!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • grafer.andy@t-online.de
    die "religionsbastelei" gab es ja schon immer, götter kamen und gingen, bzw. wurden durch andere ersetzt.
    judentum, christentum und islam haben ja einen gemeinsamen ursprung, und jede der genannten religionen hat sich ihren eigenen glauben daraus zusammengeschraubt.
    die termine für weihnachten und ostern sind ja nicht von "gott" gegeben, sondern wurden von der vorherigen glaubensrichtung übernommen, somit mussten sich die neugläubigen nicht großartig umstellen. zwinkern
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Einwohner
    Man muss sich zu den Gründen nicht soviele Fragen stellen und mutmaßen. Bei den meisten ist der Grund einfach: man will sich die Kirchensteuer sparen und fährt dafür lieber ein paar mal mehr in Urlaub.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • grafer.andy@t-online.de
    bei mir war der grund, das ich nicht an gott und die hübschen geschichten glaube.
    da kann ich mir die durch die taufe auferlegte zwangsmitgliedschaft sparen.

    die gesparte kirchensteuer ist ein angenehmer nebeneffekt, aber abgesehen davon bekommen die kirchen ja immer noch ein "heidengeld" von staatlicher seite, sei es für die renovierung von kirchen, gehälter und pensionen der bischöfe, einrichtungen in denen die kirche der träger ist, etc.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Bezirksrat Gerhard Müller
    Es gibt viele Wege nach Rom - auch ohne Kirchen - Bischof Jung weiß warum....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • chrihand
    Sogar deutsche Behörden haben es geschafft mit der Zeit zu geben. Nur die Kirche nicht. Die blieb im Mittelalter stehen....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • siegfried.metz@t-online.de
    Für die katholische Kirche kann man sicherlich annehmen, dass die bei den Austretenden vermutlich lange gereifte Entscheidung, ihre Ursache in der Unfähigkeit (Unwilligkeit) der „Institution Kirche“ zu finden sein wird, sich zu wandeln.

    Schon das Stichwort „Frauenordination“ ist geeignet das gesamte Dilemma der katholischen Kirche darzulegen. Das kompromisslose Festhalten am Überkommenen verhindert die Weiterentwicklung. Das lässt sich durch andere Beispiele erweitern. Natürlich wird eine Einrichtung, die ihre Kerninhalte über mehr als zwei Jahrtausende bewahrt hat nicht hinter jedem Zeitgeist herlaufen, sich aber jeder Änderung zu verschließen, kann nicht richtig sein. Das Bewahren der Tradition verkümmert zum Bewachen der Asche und verhindert die Weitergabe der Flamme.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • engert.andreas@gmx.de
    Wir haben einen Hinweis zu Ihrem Kommentar. Bitte geben Sie die Quelle für die Zahlen an.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • lanalando
    Wundert doch keinen, Kirchenvertreter tun ja genug dafür.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten