Am Montag hat die Deutsche Bischofskonferenz die Instruktion "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche" der Kongregation fur den Klerus in Rom veröffentlicht. Einen Grund für die Veröffentlichung der Instruktion (Anm. der Red.: Anweisung) sucht man im Text vergebens, ein Zusammenhang mit der Ablehnung der Trierer Strukturreformen mit der Begründung der Rolle der Pfarrer und deren Hirtensorge durch dieselbe Kongregation liegt aber nahe. In Rom blickt man, wie man so schön sagt, kritisch auf die andere Seite der Alpen.
Richtig und wichtig ist, dass die Instruktion auf den notwendigen "missionarischen Charakter" der Gemeinden hinweist. Dies ist etwas, an dem alle, Geweihte und Laien, gemeinsam arbeiten müssen. Ein Glaube, der nicht nach außen drängt, der keine positive Ausstrahlung hat, wird seine Bedeutung verlieren. Hätte sich die Instruktion darauf beschränkt, wäre sie sicherlich eine Bereicherung gewesen.
Die Instruktion analysiert den Zustand unserer Gesellschaft im Hinblick auf die Kirche, insbesondere der Pfarreien. An vielen Stellen werden korrekte Beobachtungen angeführt, allerdings sind die Konsequenzen aus diesen Beobachtungen erstaunlich konservativ, klerikal und leider ideenlos.
In weiten Bereichen bezieht sich die Instruktion lediglich auf das geltende Kirchenrecht. Deutlich wird dies in den Fragen der Priester, deren Stellung und der Gemeindeleitung. Insbesondere bei der Frage nach der Leitung ist das Papier rückwärtsgewandt. Es weist auf das geltende Recht hin und nimmt nicht auf die bislang gemachten Erfahrungen mit ergänzenden oder auch alternativen Leitungsformen Bezug. Das Priesterbild der Instruktion und die Realität in unseren Diözesen stimmen nicht überein. Der Text bemüht immer wieder das Bild des Hirten, ohne zu berücksichtigen, dass sich die Selbstwahrnehmung und das Selbstverständnis des Kirchenvolks weiterentwickelt hat. Es ist an der Zeit, dass die Kirche sich um ein neues Bild für die Leitung bemüht. Schafe und Schäfer sind aus unserem Erfahrungshorizont weitgehend verschwunden und Schafe eher negativ konnotiert.
Tatsächlich klafft zwischen den rückwärtsgewandten Aussagen der Instruktion, der gelebten Wirklichkeit heute und den Anforderungen von Morgen eine große Lücke. Ein klerikales Kirchenverständnis trifft hier mit Maßnahmen zum Machterhalt zusammen. Der Text basiert auf der Annahme, dass alles in ausreichender Menge zur Verfügung steht – sei es geeignetes und williges Personal oder finanzielle Mittel und ist damit schon vor seiner Veröffentlichung in Teilen obsolet.
Der Versuch, alles bis ins Kleinste einmal für alle zu regeln, ist nicht zielführend. Es wird in Zukunft eine buntere Kirche benötigt, die vielleicht sogar regional geprägt ist. Die Kirche, also die Laien und die Geweihten bis hinauf in die römischen Dikasterien, müssen sich der Realität stellen, Antworten auf offene Fragen geben, die Herausforderungen des Lebens an unseren Wohn- und Arbeitsorten annehmen und auf Basis der Frohen Botschaft im Heute und Hier eine positive Wirkung entfalten – und das auch heute schon ohne eine flächendeckende Versorgung durch Priester. Und die Situation wird sich noch dramatisch verschlechtern. Hier versuchen die deutschen Diözesen, auch die Diözese Würzburg, mit den Umstrukturierungen eine Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Das Ziel ist den Weg für eine "sorgende Gemeinde" zu ebnen und die nicht mehr leistbare "versorgte Gemeinde" hinter uns zu lassen. Diese "versorgte Gemeinde" allerdings ist das Ideal des Papiers.
Beim Lesen des Dokuments drängt sich mir auch die Frage auf: Ist das Gesetz für den Menschen oder der Mensch für das Gesetz da? Das Kirchenrecht beruht auf Tradition, basiert auf Vorstellungen längst vergangener Zeiten und bedarf wahrscheinlich an vielen Stellen einer Korrektur. Seit der letzten Anpassung 1983 sind doch schon einige Jahre ins Land gegangen und wir wissen, kaum etwas ist für die Ewigkeit geschaffen.
Wenn das Papier nach dem klassischen "Roma locuta – causa finita" (Anm. der Red.: Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt) gedacht ist, dann stehen wir wohl vor dem Beginn einer umfassenden Diskussion – oder der Resignation. Resignation steht uns nicht gut zu Gesicht. Vielmehr müssen wir die begonnenen Prozesse, insbesondere den Synodalen Prozess auf Deutschlandebene aber auch unsere diözesanen Prozesse fortsetzen, um unser Überleben langfristig zu sichern.
In Summe muss man wohl dem Metropoliten und Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, zustimmen, wenn er schreibt: "Es wäre besser gewesen, diese Instruktion so nicht zu veröffentlichen, weil sie für die Gemeinschaft der Kirche und ihrem missionarischen Auftrag mehr Schaden als Nutzen bringt."