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Veitshöchheim/Würzburg
Fasching als sicherer Ort für Kinder? Jugendleiter aus Würzburg verrät, was sich in Vereinen ändern muss
Christian Schmitt will Kinder und Jugendliche im Fasching vor sexualisierter Gewalt schützen. Dabei hat der Mann aus Veitshöchheim schon einiges in Vereinen erlebt.
Benita Eckert und Christian Schmitt trainieren die Tanzgarde des VCC Veitshöchheim. Schmitt schult nebenbei andere Vereine, wie sie Kinder im Fasching schützen können, weit über die Grenzen von Würzburg hinaus.
Foto: Daniel Peter | Benita Eckert und Christian Schmitt trainieren die Tanzgarde des VCC Veitshöchheim. Schmitt schult nebenbei andere Vereine, wie sie Kinder im Fasching schützen können, weit über die Grenzen von Würzburg hinaus.
Gina Thiel
 |  aktualisiert: 19.02.2025 02:37 Uhr

Das Küsschen auf Kommando – ist doch nur ein harmloser Wangenkuss? Das Filmen unter den Rock der Gardemädchen – ist doch nichts dabei? Der Klaps auf den Po – ist doch nur eine kleine Motivationshilfe? Wer das Verhalten einiger Erwachsener gegenüber Kindern im Fasching schonmal angesprochen und kritisiert hat, kennt solche Reaktionen vielleicht. 

Es sind Relativierungen, sagt Christian Schmitt. Der 43-Jährige ist Jugendleiter beim Veitshöchheimer Carneval Club (VCC) und Referent beim bayerischen Landessportverband. Er hält regelmäßig Vorträge zum Thema Cybergrooming und sexualisierte Gewalt bei Kindern in Vereinen, einschließlich Faschingsvereinen.

Erschreckendes Erlebnis im Verein zeigte Schmitt die Notwendigkeit 

Wie notwendig der Schutz der Kinder und die Aufklärung über diese Themen sind, habe er selbst mitbekommen, als er 2018 neuer Jugendleiter beim VCC wurde. "Als ich neu war, habe ich bei Instagram mal geschaut, wer vom Verein dort so angemeldet ist und bin auf den Account einer Zehnjährigen aus unserer Tanzgruppe gestoßen", erinnert sich Christian Schmitt. Eigentlich müssen Jugendliche 13 Jahre sein, um sich auf der Plattform anmelden zu dürfen.

Auf dem öffentlichen Profil des Mädchens habe er Videos und Fotos von ihr beim Tanzen und Spagat gefunden. Erschrocken habe er festgestellt, dass sich in den Kommentaren dazu vor allem Komplimente "deutlich älterer Männer" fanden. "Ich wusste erstmal gar nicht, wie ich damit umgehen soll", erinnert sich der 43-Jährige.

Er sei dann erst auf die Familie des Mädchens und dann auf die Polizei zugegangen. Seitdem ist einige Zeit vergangen. Heute berät Schmitt selbst Vereine, wie sie mit solchen Situationen umgehen, oder besser noch, sie vermeiden können.

Kinder und Jugendliche in Faschingsvereinen müssen vor Cybergrooming geschützt werden

"In den Faschingsvereinen hat sich über die Jahre schon viel gebessert und ein Umdenken stattgefunden", bestätigt Elisabeth Kirchner, Psychotherapeutin beim Würzburger Verein Wildwasser.

Sie sagt, man müsse unterscheiden. Zwischen Situationen einerseits, bei denen keine Absicht dahinter stecke, aber dennoch in Feierstimmung Übergriffe stattfinden. Und andererseits Situationen, in denen sich Täterinnen und Täter gezielt Zugang zu Kindern verschaffen, um diese zu sexuell missbrauchen. Das passiert inzwischen häufig auch über das Internet, zum Beispiel in Form von Cybergrooming.

Christian Schmitt setzt sich seit einigen Jahren für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Vereinen ein. Auch im Faschingsverein Veitshöchheim, bei dem er Jugendtrainer ist.
Foto: Thomas Obermeier | Christian Schmitt setzt sich seit einigen Jahren für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Vereinen ein. Auch im Faschingsverein Veitshöchheim, bei dem er Jugendtrainer ist.

Dabei werden vor allem Mädchen auf Online-Kanälen gezielt von Erwachsenen angeschrieben, manipuliert und zu sexuellen Handlungen gezwungen. "Die Täter schreiben die Kinder an und machen Komplimente", erklärt der Veitshöchheimer Jugendleiter Christian Schmitt. Zuerst würden sie versuchen, das Vertrauen der Mädchen zu gewinnen, um sie dann unter falschen Versprechungen zu einem Treffen zu überreden. "Da heißt es dann, dass er ihr helfen kann, noch besser beim Spagat zu werden, aber sie niemanden davon erzählen soll", sagt der Jugendtrainer.

Bei seinen Vorträgen in den Faschingsvereinen geht es deshalb hauptsächlich darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie einfach Täterinnen und Täter über das Internet Kontakt zu Kindern und Jugendlichen herstellen können. Erst neulich habe er bei einem Verein in Haßfurt referiert, berichtet Schmitt. Dort sei man schockiert gewesen, dass es sowas wie Cybergrooming gebe.

"Das Thema ist immer noch ein Tabu in vielen Vereinen", sagt der 43-Jährige. Dabei sei ein Schutz der Kinder einfach umsetzbar. Schmitt sieht dabei sowohl die Eltern als auch die Vereine in der Verantwortung.

Keine privaten Informationen der Kinder im Netz veröffentlichen

"Bilder von Kindern, mit Namen und persönlichen Informationen, haben im Netz nichts zu suchen", sagt Christian Schmitt. All das sei "Futter" für Täterinnen und Täter. Genauso wie Vereine selbst keine Bilder der Tanzmädchen mit Namen oder Bilder beim Training, leicht bekleidet, veröffentlichen sollten. Und noch etwas sei ganz wichtig, mahnt er: die Kinder aufzuklären.

Schmitt empfiehlt, Kindern und Jugendlichen zu erklären, wie Cybergrooming stattfindet und ihnen immer wieder zu sagen: Meldet euch und geht nicht darauf ein, wenn euch Erwachsene im Internet anschreiben oder irgendwo ansprechen. "Es ist verständlich, dass sich Jugendliche im Netz zeigen wollen, aber das mindeste ist, den Account auf privat einzustellen."

Küsschen auf Kommando: Auch ohne Absicht gibt es etliche Grenzüberschreitungen

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen sei aber auch abseits des Internets wichtig, sagt Elisabeth Kirchner von Wildwasser Würzburg. "Wir haben hier schon Fälle von Mädchen, die in Tanzgarden aktiv sind und uns berichten, dass Dinge passiert sind, mit denen sie sich nicht wohlfühlen", sagt die Beraterin. 

Elisabeth Kirchner vom Wildwasser Verein Würzburg, ist Ansprechpartnerin für Frauen und Jugendliche, die Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht haben.
Foto: Daniel Peter | Elisabeth Kirchner vom Wildwasser Verein Würzburg, ist Ansprechpartnerin für Frauen und Jugendliche, die Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht haben.

Anders als beim Cybergrooming stecke hinter übergriffigem Verhalten im Verein oder bei Faschingsfeiern in der Regel nicht die Absicht, Kinder zu missbrauchen. Aber: "Sowas wie Küsschen auf Kommando oder das ungefragte Anfassen sind auch Grenzüberschreitungen", erklärt die Psychotherapeutin.

In dem Fall sei es wichtig, die Kinder und Jugendliche immer wieder zu sensibilisieren, sagt Trainer Christian Schmitt: "Wenn ihr etwas nicht möchtet, dann dürft ihr das sagen!" Das fange im Kleinen an. Zum Beispiel habe kein Erwachsener etwas in der Umkleidekabine zu suchen, wenn sich die Kinder dort gerade umziehen. "Wir achten im Verein da sehr drauf. Das war früher auch anders", sagt der Veitshöchhheimer.

Machtgefälle in Faschingsvereinen ist häufig ein Problem

Auch die Machtgefälle zwischen älteren Vereinsmitgliedern und den Kindern und Jugendlichen sei ein ernstes Thema. "Da kommt vielleicht ein Herr aus dem Elferrat mit seiner Uniform, wird als Autorität wahrgenommen. Und dann denken die Mädchen, es ist okay, wenn er seine Hand auf ihren Schoß legt. Aber nein, er darf das nicht", erklärt Schmitt. Böse Absichten unterstelle er in solchen Fällen niemandem. "Das ist eher Unwissen, aber auch dann ist Aufklärung notwendig." 

Es sei einerseits wichtig, die Kinder und Jugendlichen zu ermutigen, dass sie sagen dürfen, wenn ihnen etwas nicht gefalle. Andererseits müsse man auch ältere Mitglieder für die Thematik sensibilisieren.

Der Kölner Verein zartbitter.de und das Festkomitee Köln Karneval haben dazu im vergangenen Jahr einen Kinderrechtepass aufgestellt. Knapp 36 Kinder- und Jugendtanzgruppen, die zum Kölner Festkomitee gehören, haben sich diesen Regeln verschrieben. Dazu zählen unter anderem: keine Küsschen auf Kommando, kein Klaps auf den Po, kein Fotografieren unter den Rock, keine Anmachsprüche oder ungefragten Berührungen.

Schutzkonzepte für Kinder und Jugendlichen auch in der Region in Arbeit

Kirchner und Schmitt finden das Kölner Schutzkonzept gut und würden sich sowas für alle Faschingsregionen wünschen – auch in Unterfranken. Der Fastnacht-Verband Franken erarbeitet aktuell ein solches ganzheitliches Schutz- und Gewaltpräventionskonzept, gemeinsam mit der Fastnachtjugend Franken. Darin sollen Anlaufstellen aufgelistet werden, aber auch Hilfestellungen und Schulungen angeboten werden, erklärt Tobias Brand, Vizepräsident des Fastnacht-Verbands Franken.

"Kinder sind unser wichtigstes Gut, was es in aller Form zu schützen gilt."
Tobias Brand, Vizepräsident des Fastnacht-Verbands Franken

Neben den Trainerinnen, Trainern, Betreuerinnen und Betreuern sollen auch die Kinder mit in die Schutzkonzepte eingebunden werden. Sie sollen sensibilisiert werden für ihre Rechte. Dazu steht der Fastnacht-Verband Franken mit anderen Landesverbänden im Austausch, sagt Brand. Und betont:  "Kinder sind unser wichtigstes Gut, was es in aller Form zu schützen gilt."

Christian Schmitt ist Jugendleiter beim VCC Veitshöchheim. Nebenbei gibt er Seminare zum Schutz der Kinder im Fasching bei Vereinen weit über die Grenzen von Würzburg hinaus.
Foto: Daniel Peter | Christian Schmitt ist Jugendleiter beim VCC Veitshöchheim. Nebenbei gibt er Seminare zum Schutz der Kinder im Fasching bei Vereinen weit über die Grenzen von Würzburg hinaus.

Elisabeth Kirchner und Christian Schmitt wissen, dass Schutzkonzepte wie diese vor allem eins bedeuten: zusätzliche Arbeit für die Vereine. Trotzdem hoffen sie, dass der zusätzliche Aufwand auf sich genommen wird, um Kinder und Jugendliche zukünftig besser zu schützen. Die Psychotherapeutin sagt: "Das kann ja nur im Interesse des Vereins und auch der Eltern sein, dass Fasching ein sicherer Ort ist."

 
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Kommentare
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  • Alexander Götz
    @ Thomas Herr: https://bsj.org/?s=Schmidt

    Mit Genehmigung von Christian Schmitt👍
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  • Alexander Götz
    Top! 👍👍👍
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  • Stefan Köhler
    Sehr guter Beitrag. Einiges davon war mir bisher nicht bewusst.
    Kinder sollte generell aus dem Internet raus gehalten werden.
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  • Thomas Herr
    Toller Artikel und gute Initiative! Zwei Fragen: wie kann man Euch kontaktieren und wie unterstützen?
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  • B. Strohmenger
    Vielen Dank an alle Beteiligten für diesen wichtigen und informativen Beitrag! Aufklärung und Schutz der Kinder ist das wichtigste.
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  • Katrin Weber
    Sehr gut! Ich freue mich sehr über diese Initiative und wünsche viele Nachahmer!
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