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Würzburg
Wie ein Sportverein Kinder vor sexuellen Übergriffen schützt
Der Schock bei der DJK Würzburg saß tief, als bekannt wurde, dass ein Übungsleiter im Verdacht schweren sexuellen Missbrauchs steht. Welche Lehren der Verein daraus zieht.
Wie nah dürfen Übungsleiter Kindern beim Sport kommen? Nach dem Würzburger Kinderpornografie-Fall macht sich in vielen Vereinen Unsicherheit breit.
Foto: SymbolGetty Images | Wie nah dürfen Übungsleiter Kindern beim Sport kommen? Nach dem Würzburger Kinderpornografie-Fall macht sich in vielen Vereinen Unsicherheit breit.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 27.04.2023 08:20 Uhr

Die Nachricht, dass ein beliebter und preisgekrönter Übungsleiter kleine Buben für den Dreh von Kinderpornografie sexuell missbraucht haben soll, hat bei der DJK Würzburg für Bestürzung gesorgt. In Schockstarre verfallen sind die Verantwortlichen des Sportvereins aber nicht. In vielen Gesprächen mit Eltern und Übungsleitern bemüht man sich seit Bekanntwerden der Nachricht Ende März, die Verantwortlichen zu schulen und zu sensibilisieren, eventuelle Übergriffe frühzeitig zu erkennen oder am Besten möglichst gleich zu verhindern.

Bislang gibt es keinen Hinweis, dass der beschuldigte Logopäde auch während seiner Übungsstunden bei der DJK ihm anvertraute Kinder misshandelt haben könnte. Laut Staatsanwaltschaft haben die Ermittler bislang zwei Tatorte – die eigene Praxis des 37-Jährigen und die integrative Kindertagesstätte am Würzburger Heuchelhof – ausfindig gemacht. Sieben Opfer habe man ermittelt, hieß es aus Polizeikreisen, die Staatsanwaltschaft spricht von einer "einstelligen Zahl". Die forensischen Untersuchungen der sichergestellten Datenträger dauerten aber noch an, so ein Sprecher der Zentralstelle Cybercrime in Bamberg. 

Wie berichtet, bot der Logopäde in seiner Freizeit sechs Kurse "Integratives Kinderturnen" und "Präventive Psychomotorik" für insgesamt 80 Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren an. Vor allem das inklusive Konzept überzeugte seit dem Start im Jahr 2008 viele Eltern. An den Übungen nahmen auch Kinder mit körperlicher Beeinträchtigung, geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten teil. Seit der 37-Jährige in Untersuchungshaft sitzt, finden diese Übungsstunden nicht mehr statt, erläutert Jutta Bouschen, die Geschäftsführerin der DJK.

Die Ehrenamtlichen sind die Leidtragenden

Die Jugendarbeit, die sich die DJK nicht zuletzt aufgrund ihres christlichen Hintergrunds besonders auf die Fahnen geschrieben hat, läuft gleichwohl weiter. Laut Bouschen sind gut die Hälfte der knapp 2000 Mitglieder Kinder und Jugendliche, die sich bei Sportarten von Judo und Geräteturnen bis hin zu Fußball und Schwimmen vergnügen. Trainiert werden sie von ehrenamtlichen Übungsleitern, die ihre Freizeit und viel Herzblut einbringen, um die jungen Menschen für Sport und Bewegung zu begeistern. "Auch sie sind Leidtragende des Falls", sagt die Geschäftsführerin. Vielfach mache sich Unsicherheit breit. Wie und wo darf ich Kinder bei der Hilfestellung an Turngeräten berühren? Darf ich Kinder bei sportlichem Misserfolg in den Arm nehmen und trösten? Dürfen wir uns beim Jubeln anfassen und umarmen? Wie nah darf man sich in der Umkleidekabine kommen? Geht gemeinsames Duschen nach dem Schwimmen?

Fragen, die man in vielen Gesprächsrunden erörtere, sagt Bouschen. Dazu hole man sich auch Unterstützung von außerhalb. Supervisoren kämen zum Einsatz.  Gerne greife man auf Schulungs- und Beratungsangebote der Sportdachverbände, der kirchlichen und kommunalen Jugendarbeit zurück. "Aber all das geht nicht von heute auf morgen", dämpft die Geschäftsführerin allzu große  Erwartungen. Schnelle Lösungen gebe es nicht, Geduld und Fingerspitzengefühl seien gefragt, "eine Mischung aus Transparenz und Vertrauen". Schließlich wolle man Ehrenamtliche nicht verprellen, niemanden unter Generalverdacht stellen. Höchstes Ziel indes bleibe der Schutz der Kinder. "Da sind wir für jede Optimierung dankbar."

Kein Verein kann verhindern, dass sich ein Pädophiler einschleicht

Jutta Bouschen sagt aber auch: "Letztlich kann kein Sportverein verhindern, dass sich ein Pädophiler einschleicht." Ziel müsse deshalb sein, Tätern den Missbrauch so schwer wie möglich zu machen. Dazu gehöre es, Trainer und Betreuer zu sensibilisieren,  dass sie Verdachtsmomente erkennen können. Und auch die Kinder präventiv so zu stärken, dass sie sich bei Übergriffen wehren können. 

Das gelte auch für die Arbeit im Projekt "KiSS". Die DJK ist einer von nur drei Vereinen in Unterfranken (neben der TG Würzburg und der DJK Hammelburg), die diese "Kindersportschule" anbieten. Das Konzept, entwickelt vom Bayerischen Landessportverband (BLSV) und vom Bayerischen Turnerbund, sieht vor, Kinder ab zwei Jahren sportartübergreifend auf Basis einheitlicher pädagogischer und entwicklungsphysiologischer Erkenntnisse für Bewegung zu begeistern, ihre Gesundheit und ihr Selbstbewusstsein zu fördern. Zwei hauptamtliche Sportlehrer übernehmen diese Aufgabe bei der DJK, 400 Mädchen und Buben nutzen das Angebot.

Sexuelle Gewalt anonym melden
Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, ein Expertengremium, eingesetzt von der Bundesregierung, ruft (ehemalige) Sportlerinnen und Sportler auf, die sexueller Gewalt ausgesetzt waren, ihre Erfahrungen (gerne auch anonym) zu schildern. Kindesmissbrauch im Breiten- wie im Leistungssport sei "bisher noch besonders stark tabuisiert", heißt es in einer Pressemitteilung der Kommission. Dadurch fehle es an Wissen, "welche Bedingungen und Strukturen in diesem Bereich Missbrauch in der Vergangenheit ermöglicht oder begünstigt haben, warum sich Kinder nicht anvertraut haben oder wenn doch, warum ihnen nicht geholfen wurde". Die Kommission möchte anhand dieser Schilderungen Erkenntnisse gewinnen, damit Kinder und Jugendliche in Zukunft besser geschützt werden können.
Alle Informationen zum Aufruf erhalten Interessierte unter www.aufarbeitungskommission.de/sport oder telefonisch unter 0800 40 300 40 (kostenfrei und anonym)  
 
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