
Während in ganz Deutschland Debatten über Integration geführt werden, scheint sie in einem kleinen Schneiderladen in der Würzburger Innenstadt im vollen Gange zu sein. Dort, in der Karmelitenstraße, ist das Geschäft von Manu Ibrahim, der mit vollem Namen Abdulmannan Cheikh Ibrahim heißt. Vor neun Jahren war der Schneider mit seiner Reisenähmaschine im Gepäck von Syrien nach Deutschland gekommen. Heute fertigt er Faschingskostüme für den Würzburger Elferrat.
In dem kleinen Laden ist viel los. Immer wieder öffnet sich die Tür, Kundinnen und Kunden kommen, Manu Ibrahim, hat fast keine ruhige Minute. Eine junge Frau packt ihre mitgebrachten Kleidungsstücke auf dem Tisch vor ihm aus. "Hier ist der Träger vom Kleid abgegangen", sagt sie. Für den gelernten Schneider ist das kein Problem. Ibrahim schaut sich die anderen Stücke an, nickt kurz und versichert: "Das machen wir gerne."
Manu Ibrahim ist inzwischen angekommen in Würzburg. Er und seine Frau haben zwei Kinder und erwarten gerade ihr drittes. Der Schneiderladen läuft gut, dort beschäftigt er inzwischen sogar fünf Mitarbeiter. Aber bis dahin war es für den 37-Jährigen ein langer Weg. Nach seiner Flucht aus Syrien kam er 2015 nach mehreren Zwischenstationen in Bremen, Schweinfurt und München in Würzburg an. Die erste Zeit lebte der Syrer mit anderen Geflüchteten in der Notunterkunft in der Mainlandhalle in Höchberg.
Mit der Reisenähmaschine in die Flüchtlingsunterkunft in Höchberg gekommen
Dort, in der umgerüstete Halle, lernte er auch Doris Strauch kennen. Sie arbeitete damals ehrenamtlich in der Unterkunft und erinnert sich, dass Ibrahim von Anfang an herausgestochen sei. Nicht nur durch seine freundliche und aufgeschlossene Art, sondern auch durch den Umgang mit seiner Nähmaschine. "Die Reisenähmaschine hatte er immer mit dabei", sagt Strauch schmunzelnd. Der Schneider habe damals schon aus Stoff bunte Armbänder für die Frauen in der Unterkunft genäht.
Später habe er einen Job in einem Höchberger Brautmodeladen angenommen, sagt Ibrahim, und nebenbei immer etwas Geld beiseite gelegt. Bis er 2018 endlich eine eigene Schneiderei eröffnen konnte. Seitdem näht der Wahlwürzburger in seinem Geschäft Kleidungsstücke um, macht kleinere Reparaturarbeiten und verschiedene Maßanfertigungen für Kundinnen und Kunden. Und: Er näht eben auch die Kostüme für den Würzburger Elferrat.
Lustige Kostüme, gute Stimmung: Für Fasching näht der Syrer gern
Durch Doris Strauch kam der Syrer das erste Mal mit Fastnacht in Berührung. Die Flüchtlingshelferin hatte ihn kurz nach seiner Ankunft in Höchberg mit zu seiner ersten Faschingsfeier. "Damals fand ich das alles etwas sonderbar", erinnert sich der 37-Jährige. Doch schnell hätten ihn die lustigen Kostüme und die gute Stimmung überzeugt - und dass "alles nicht so ernst ist" ist. Auch deshalb bot der Höchberger Faschingsgilde seine Hilfe bei den Näharbeiten an.

"Irgendwann wurde ich mal angefragt, ob ich Kleidungsstücke nähen kann, wenn sie mir das Muster geben", erinnert sich Ibrahim. Das habe sich herumgesprochen, so habe er immer mehr Anfragen bekommen. Seit mehreren Jahren schon übernimmt der Schneider beispielsweise für den Würzburger Elferrat immer wieder Reparaturen an den Hüten und näht Teile der Kostüme – auch kurzfristig. "Das ist für uns natürlich sehr wichtig, wenn mal was kaputtgeht", sagt Georg Göbel, Gesellschaftspräsident des Würzburger Elferrates.
Bunte, glitzernde Faschingskostüme erinnern Ibrahim an traditionelle Feste in Syrien
In diesem Jahr habe er schon mehrere der blauen Sakkos für den Würzburger Elferrat genäht, sagt der Schneider nicht ohne Stolz. Auch die Höchberger Faschingsgilde, der Narrhutia Faschingsverein aus Aub im Landkreis Würzburg und Privatleute lassen sich ihre Fastnachtskostüme von ihm nähen. Wie beispielsweise Simon Förtig, Besitzer des Pubs in der Karmelitenstraße gegenüber, dem Ibrahim in diesem Jahr einen goldenen Glitzeranzug machte.
Die bunten Glitzersakkos für Männer seien besonders aufwendig, erklärt Ibrahim. Dafür brauche er schon mal mehrere Tage. Ein Paillettenkleid dagegen näht der Profi innerhalb von zwei Stunden. Die Erfahrungen aus Syrien kämen ihm zupass, sagt der 37-Jährige: Die bunten und glitzernden Stoffe erinnern ihn an die traditionellen Feste in seiner Heimat.
Auch in Syrien habe er häufig aufwendig bestickte Kleider genäht, zum Beispiel für das Muttertagsfest am 21. März. Deshalb wisse er, worauf er beim Umgang mit Pailletten und Glitzerstoffen achten muss. Der Schneider selbst hat sich übrigens fest vorgenommen, auch in diesem Jahr wieder beim Fasching in Würzburg dabei zu sein – mit selbstgenähtem Anzug natürlich.