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Eßfeld/Billingshausen
Bauern als Buhmänner: Wenn Landwirte keine Zukunft mehr sehen
Klimakrise. Düngedebatte. Und dann auch noch das Bienen-Volksbegehren. Landwirte kämpfen um ihr Image und ihren Ruf. Oder geben auf. Zwei Beispiele aus Unterfranken.
Landwirt Hugo Beetz aus Eßfeld (Lkr. Würzburg) gibt seinen Betrieb auf - weil es ihm 'reicht'.
Foto: Thomas Obermeier | Landwirt Hugo Beetz aus Eßfeld (Lkr. Würzburg) gibt seinen Betrieb auf - weil es ihm "reicht".
Susanne Schmitt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:26 Uhr

Die Scheune ist fast leer. Wo sich früher Getreide meterhoch stapelte, fliegen Staubkörnchen durch die Luft. Die rechte Gebäudehälfte ist an einen Fliesenleger vermietet. Einsam steht ein Schlepper in der Mitte. Bald wird auch er überflüssig. "Was ich im Leben erreichen wollte, war, den Hof meiner Familie zu erhalten", sagt Hugo Beetz. Landwirtschaft sei für ihn "wirklich eine Herzensangelegenheit" gewesen. Ab November aber ist Schluss.

Der 64-Jährige gibt seinen Betrieb in Eßfeld im Landkreis Würzburg auf und verpachtet die verbliebenen Felder. Weil es sich nicht mehr lohnt, weil keines der Kinder in seine Fußstapfen treten will und vor allem, weil er die Freude an seinem Beruf verloren hat. "Früher war ich stolz, Bauer zu sein. Heute werden wir nur noch beschimpft und verspottet", sagt Beetz. "Irgendwann gibt jeder auf."

Landwirt Hugo Beetz gibt seinen Hof in Eßfeld (Lkr. Würzburg) im November auf. Mehr als 250 Jahre war der Betrieb in Besitz seiner Familie.
Foto: Thomas Obermeier | Landwirt Hugo Beetz gibt seinen Hof in Eßfeld (Lkr. Würzburg) im November auf. Mehr als 250 Jahre war der Betrieb in Besitz seiner Familie.

Die Frustration ist hoch. Bei Beetz, aber auch bei anderen Landwirten in der Region. Wie bei Harald Hüsam. Der 51-Jährige hat den Hof seiner Eltern in Billingshausen im Landkreis Main-Spessart vor gut einem Vierteljahrhundert übernommen und auf rund 200 Hektar Getreide, Raps und Zuckerrüben angebaut. Konventionell. Aber so, sagt Hüsam, "geht es nicht weiter". Im Herbst nächsten Jahres gibt auch er seinen Betrieb auf. Aus wirtschaftlichen Gründen und weil "es keinen Wert mehr hat".

"Wir werden als Umweltvergifter und Artenvernichter gesehen."
Hugo Beetz, Landwirt aus Eßfeld (Lkr. Würzburg)

Spätestens seit dem erfolgreichen Volksbegehren "Rettet die Bienen" fühlen sich zahlreiche Landwirte in Bayern als die Buhmänner. "Wir werden als Umweltvergifter und Artenvernichter gesehen", sagt Beetz. "Aber wir tun viel für die Artenvielfalt, nur das kommt beim Verbraucher nicht an."

Bauern als Buhmänner: Wenn Landwirte keine Zukunft mehr sehen

Grundsätzlich sei das Ansehen der Landwirte zwar nicht schlecht, sagt Stefan Köhler, unterfränkischer Bezirkspräsident im Bayerischen Bauernverband (BBV). Umfragen wie von Emnid aus dem Jahr 2017 oder die Studie "Trust in Professions 2018" der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) belegen das immer wieder. Laut der GfK-Erhebung etwa ist das Vertrauen in Landwirte deutlich höher als in Rechtsanwälte, Bürgermeister, Pfarrer oder Politiker. Dennoch haben viele Bauern derzeit einen ganz anderen Eindruck, so Köhler.

"Es passiert oft, dass dem Landwirt ein Vogel gezeigt wird, wenn er mit der Spritze auf den Acker fährt."
Stefan Köhler, unterfränkischer Bezirkspräsident im Bayerischen Bauernverband (BBV)

Im Zuge des Volksbegehrens seien Unwahrheiten verbreitet worden, sagt Köhler. Umweltverbände hätten medienwirksam Vorwürfe gegen Landwirte erhoben, ohne konkrete Beweise zu liefern. Die Bauern fühlten sich durch pauschale Angriffe verurteilt. Die Landesregierung sei der öffentlichen Meinung gefolgt und habe "ohne jeglichen fachlichen Grund die Anforderungen an die Landwirtschaft" erhöht, kritisiert Köhler. Zusätzlich habe die Berichterstattung den Druck verstärkt und dazu geführt, "dass Landwirte bei Ihrer Arbeit behindert oder beleidigt werden". Es passiere mittlerweile oft, so Köhler, dass dem Landwirt ein Vogel gezeigt werde, wenn er zum Spritzen auf den Acker fahre.

Bundesweit sinkt die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit Jahren. Vor allem kleine und mittlere Höfe sterben.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Bundesweit sinkt die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit Jahren. Vor allem kleine und mittlere Höfe sterben.

Natürlich laufe nicht überall alles richtig, sagt Köhler. Er will weder den Tierquälerei-Skandal im Allgäu beschönigen noch leugnet er, dass es in einigen Regionen Probleme mit Nitrat gibt. Doch er warnt davor, zu pauschalisieren und die Landwirte für alles verantwortlich zu machen. Das führe zu Unmut bei den Bauern - und verschärfe vor allem ihre schwierige Nachfolgersuche.

Bauern als Buhmänner: Wenn Landwirte keine Zukunft mehr sehen

In ganz Deutschland sinkt die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit Jahren. Dabei verschwinden vor allem kleine und mittlere Höfe, wie Erhebungen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Bayern ist besonders betroffen.

Das "Bauern-Bashing" während des Volksbegehrens zum Artenschutz sei da wenig hilfreich gewesen, sagt Köhler: "Ich kenne viele Landwirte, die sagen, ich mute das meinem Sohn nicht zu, dass er nochmal in die Landwirtschaft geht." Viele junge Menschen würden durch die negative Berichterstattung und die "Kampagnen mancher Umweltverbände" abgeschreckt und wählten lieber Berufe in der Industrie. "Dies wird sich in den Ausbildungszahlen, die offiziell im Herbst verfügbar sind, zeigen", sagt Köhler. 

"Die Agrarwende kann nur gelingen, wenn der Verbraucher deutsche Bio-Produkte kauft."
Harald Hüsam, Landwirt aus Billingshausen (Lkr. Main-Spessart)

Wie aber sieht dann die Zukunft der Landwirtschaft aus? Für Harald Hüsam schien die Umstellung auf Bio-Produktion die Lösung um seinen Betrieb zu retten. Der politische Druck, Gesetze und Verbote hätten den konventionellen Anbau extrem verkompliziert und verteuert, sagt Hüsam. Die Ausgaben steigen, die Einnahmen nicht: "Das wird sich in den nächsten fünf Jahren zuspitzen." Schon vor drei Jahrzehnten habe er mit ungespritzem Getreide experimentiert, ökologischen Anbau versucht. Nun wollte der 51-Jährige komplett "auf bio umstellen", besuchte Seminare, prüfte Fördermöglichkeiten. Sein Fazit: "Es würde sich trotz hoher Zuschüsse nicht rechnen."

Landwirt Harald Hüsam (51) aus Billingshausen (Lkr. Main-Spessart) wird seinen Hof im Herbst 2020 aufgeben. Die Umstellung auf Bio-Produktion lohne sich nicht für ihn, sagt er.
Foto: Jan-Philipp Hüsam | Landwirt Harald Hüsam (51) aus Billingshausen (Lkr. Main-Spessart) wird seinen Hof im Herbst 2020 aufgeben. Die Umstellung auf Bio-Produktion lohne sich nicht für ihn, sagt er.

Die Verbraucher wollten zwar Arten- und Klimaschutz und träten dafür auch in Umfragen und Volksbegehren ein, so der Landwirt aus Billingshausen. Aber sie handelten nicht unbedingt danach. So unterschreibe der Bürger beim Volksbegehren, kaufe danach aber im Discounter billige Bio-Ware von irgendwo her aus der EU. Für die hiesigen Landwirte sei das fatal. "Die Agrarwende kann nur gelingen, wenn der Verbraucher deutsche Bio-Produkte kauft", sagt der 51-Jährige.

Noch aber sei die Nachfrage danach nicht groß genug. Nicht für ihn und seinen kleinen Hof in Billingshausen. Und schon gar nicht dann, wenn aufgrund der aktuellen finanziellen Anreize der Staatsregierung nun zahlreiche große Betriebe mit über 500 Hektar ihre Produktion umstellen. In nächster Zeit, so Hüsams Prognose, würden große Mengen an Biogetreide produziert – ohne dass es genügend Abnehmer gebe.

"Wenn ich überzeugt wäre, dass alle Leute deutsche Bio-Produkte kaufen, hätte ich umgestellt", sagt der 51-Jährige. Er ist aber nicht überzeugt. Weil die Perspektive fehle. "Das ist für meinen Geschmack kein faires Umgehen mit der Landwirtschaft."

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) mit 'Rettet die Bauern'-Aufkleber bei der Regionalkonferenz in Kürnach (Lkr. Würzburg). 
Foto: Kathrin Königl | Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) mit "Rettet die Bauern"-Aufkleber bei der Regionalkonferenz in Kürnach (Lkr. Würzburg). 

Alleine ist Hüsam mit seiner Enttäuschung nicht. Das wurde beim Deutschen Bauerntag in Leipzig im Juni ebenso deutlich wie im Frühjahr auf der Regionalkonferenz zum Volksbegehren in Kürnach (Lkr. Würzburg). Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) suchte dort den Austausch mit Unterfrankens Bauern. Es ging um die Zukunft, um Ängste nach dem Volksbegehren, um Streitpunkte wie die Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln. Und um einen Weg weg von der pauschalen Anklagebank. Kaniber machte klar: Die Landwirte selbst haben es in der Hand, ihren Ruf zu verbessern, aufzuklären, sich von dem Sündenbock-Image zu befreien.

Den Bauern in der Region ist das durchaus bewusst. "Wir müssten sicher wieder mehr das Gespräch mit den Menschen suchen", sagt der Eßfelder Hugo Beetz. Im persönlichen Kontakt und möglichst auf digitalen Plattformen wie Facebook oder Instagram. Schließlich sei die Bevölkerung interessiert an der Natur wie nie, "nur weiß keiner mehr, was die Landwirtschaft wirklich macht".

Mit der Aktion 'Bayern blüht auf' will sich der Bayerische Bauernverband für mehr Artenvielfalt engagieren. 
Foto: Aurelian Völker | Mit der Aktion "Bayern blüht auf" will sich der Bayerische Bauernverband für mehr Artenvielfalt engagieren. 

Genau das will der Bauernverband ändern. "Wir arbeiten ständig daran, unser Tun und unsere Arbeit zu erklären", sagt BBV-Bezirkspräsident Köhler. Zum Beispiel mit der Aktion "Bayern blüht auf". Oder indem die Bevölkerung auf die Höfe eingeladen werde. "Aber das ist ein langer und kostenintensiver Weg."

Für Harald Hüsam und Hugo Beetz ist er zu lang. Sie hören auf und verpachten ihre Felder. Die Arbeit auf dem Acker werde ihnen fehlen, sagen sie. Doch für beide steht der Entschluss fest. Beetz will sich dann, im Ruhestand, um seinen Oldtimer-Traktor kümmern. Hüsam wird sich nach einem neuen Job umsehen und sagt: "Ich beende meinen Beruf mit Respekt für alle Berufskollegen, die bereit sind, weiter zu machen."

 
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