
Liebe Frau Kaniber, Kompliment. Sie machen das wirklich gut. Und überhaupt alle Achtung, man muss das ja erst einmal wollen und auch machen. Sich nicht verstecken, keiner Diskussion aus dem Weg gehen. Nicht Zwänge vorschieben und sagen, dass man die Entscheidungen zum Volksbegehren der Bienenretter ja auch nicht wollte, aber notgedrungen . . .
Kurzum, liebe Frau Kaniber, Sie sind da ein Wagnis eingegangen bei Ihrer Tour durch ganz Bayern. Weil, das ist eine ziemlich riskante, nicht kalkulierbare Veranstaltungsform, bei der man nicht weiß was passiert: Acht Regionalkonferenzen innerhalb von drei Wochen haben Sie angesetzt und die Landwirte – „meine Bäuerinnen und Bauern“ – eingeladen zur offenen Debatte in großer Halle. Sie wollten einfach mal direkt und persönlich „die Faktenlage erklären“. Und mussten damit rechnen, dass das keine Spaßveranstaltungen werden.
Die Landwirte sind sauer, der Bayerische Bauernverband beklagt, dass der Ministerpräsident lauter Forderungen aus dem Volksbegehren ins Artenschutzgesetz übernommen habe, die die Landwirte auf keinen Fall wollten. Und mehr noch: Dass Söders Begleitgesetz sogar in manchem Punkt über die Forderungen des Volksbegehrens hinausgeht. Plötzlich waren da wieder Halbwahrheiten, Unwahrheiten, Unklarheiten in der Welt – via Facebook, vor allem also digital und rasend schnell verbreitet.
In Kulmbach, bei der ersten Regionalkonferenz, sollen Sie denn ja auch in einem Saal voller verärgerter Landwirte in Gelbwesten empfangen worden sein. Und am Freitag, in der Sporthalle in Kürnach, müssen Sie erst mal ziemlich grün gesehen haben. Rund 450 Bäuerinnen und Bauern. Und die meisten von ihnen demonstrativ mit Protestweste.
Aber irgendwie, sehr geehrte Frau Ministerin, bekommen Sie das mit ihrer Charmeoffensive wirklich gut hin. Den Demonstranten vor der Halle haben Sie zugehört. Und dann bei Ihrer Eingangsrede auf dem Podium gleich mal dazu eingeladen, allen Frust loszuwerden: „Ich stelle mich heute Ihrem Unmut, ich stelle mich Ihrer Wut. Lassen Sie sie raus.“ Sie seien eine „Kämpferin mit offenem Visier“, sagen Sie von sich.
Aber in Kürnach gab es nichts zu kämpfen, und das Visier haben Sie als Ministerin, die „ihren Bauern“ in die Augen schaut, gar nicht nötig. Wobei man sagen muss: Sie, die junge Ministerin, die gerade mal seit einem guten Jahr das in Bayern nicht ganz unbedeutende Ministerium leitet, haben keine leichte Aufgabe. Sie müssen die Landwirte, das treue Stammpublikum, wieder für die CSU einnehmen. Durch das Volksbegehren Artenvielfalt haben sich Bayerns Bauern angegriffen und verunglimpft, verurteilt und falsch verstanden gefühlt wie selten zuvor. Und schließlich auch missachtet und irgendwie verraten von „ihrer“ CSU. „Wir haben uns alleine gelassen gefühlt“, hat bei der Runde in Unterfranken am Freitag ein Landwirt gesagt.
Es kam zwar der runde Tisch mit Mediator Alois Glück. Am Ende schienen alle glücklich und zufrieden mit dem gefundenen Kompromiss, den Gesetzentwurf des erfolgreichsten Volksbegehrens aller bayerischer Zeiten anzunehmenund zu flankieren mit einem Begleitgesetz. Aber über genau das kursierten dann unter den Bauern plötzlich lauter Gerüchte. Dass den Streuobstwiesen-Besitzern durch den Biotopschutz ins Eigentum eingegriffen würden zum Beispiel. Auch das Walzverbot ab dem 15. März und der Mahdzeitpunkt 15. Juni auf zehn Prozent der Grünlandflächen trieben die Landwirte weiter heftig um. Die Ankündigung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2028 zu halbieren, brachte viele in Rage, weil im Volksbegehren davon überhaupt nicht die Rede war.
Sie hätten es sich einfach machen können, liebe Frau Kaniber. Hätten sagen können: Sind Änderungen des Naturschutzgesetzes, also alles eine Sache des Umweltressorts, des Freie-Wähler-Kabinettskollegen Thorsten Glauber. Aber statt hochemotionaler Halbwahrheiten und in den sozialen Netzwerken kursierender Falschmeldungen nur durch eine „Begleitinformation“ des Ministeriums in Schriftform per Brief zu begegnen – Sie begegnen lieber den Leuten direkt, gehen raus und suchen das Gespräch.
Weil ernst nehmen, zuhören, persönlich sein nie ein Fehler ist. Und wer in Ihrer Partei kann Freund wie Feind schneller, besser für sich einnehmen als Sie? Das nur auf Ihre sympathische Art, ihren Charme zu schieben, wäre wohl zu kurz gedacht. Mal nur auf diesen einen Besuch in Kürnach am Freitag bezogen: zur Authentizität und Herzlichkeit gesellt sich Sachlichkeit. Sie schmeicheln den Bauern nicht nur. Sie fordern durchaus auch und mahnen, mitzuziehen und weiter voranzugehen beim Artenschutz. Aus Unterfranken sind sie am Ende mit vielen Dankesworten, einem langen Brief der Bezirksbäuerin und Pralinen wieder abgereist.
In diesem Sinne: Alle Gute für die zwei letzten Runden in Mittelfranken und Schwaben.
Mit herzlichen Grüßen, Alice Natter