Aufmerksamen Bürgerinnen und Bürgern in Bergtheim dürfte es nicht entgangen sein: Die früheren Gebäude des Münchner Handels- und Dienstleistungskonzerns BayWa in der Industriestraße werden abgerissen. "Ja, wir haben vom Landratsamt Würzburg eine Abrissanzeige bekommen", bestätigt Bürgermeister Konrad Schlier. Was ist los und was passiert jetzt mit dem Gelände?
Eine Rückfrage bei der Pressestelle der BayWa AG in der Münchner Zentrale bringt Licht ins Dunkel. "Das Gelände gehört der BayWa nur zum Teil, den anderen Teil haben wir gemietet", erklärt Pressereferentin Antje Krieger. Mit dem Vermieter, der Deutschen Bahn, sei vertraglich vereinbart, dass die Gebäude auf der Mietfläche zurückgebaut werden müssten. Vor der Rückgabe an den Vermieter seien die Flächen zudem zu entsiegeln.
Alle Gebäude würden abgerissen werden. Das betrifft auch das Fachwerkhaus, in dem sich einst das Lager der BayWa befand. Lediglich das leer stehende Werkstattgebäude bleibe stehen. "Es befindet sich auf der Fläche, die im Eigentum der BayWa ist. Unser Plan ist es, diese eigene Fläche inklusive des Werkstattgebäudes darauf zu verkaufen", teilt Pressereferentin Krieger mit.
Bereits seit 2019 steht das Gelände des ehemaligen BayWa-Standorts in Bergtheim leer
Geschlossen wurde die Werkstatt in Bergtheim 2019 im Zuge des Neubaus eines BayWa Technik-Servicezentrums in Unterpleichfeld. Die neue Werkstatt wurde mit 15 Montageplätzen, einer Diagnosestation, einer Kleinmotorenwerkstatt, einem dreistöckigen Ersatzteillager, einer Maschinenhalle, einer großen Frei- und Ausstellungsfläche sowie Verkaufsflächen, Büros und Sozialräumen ausgestattet.
Die Bergtheimer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind damals in die moderne BayWa-Anlage im Nachbarort gewechselt. Die verkehrsgünstige Lage am südlichen Ortseingang an der B19 in Unterpleichfeld und der kurze Weg zur Autobahn A7 hatten seinerzeit die Entscheidung zum geänderten Standort der Landtechnik-Werkstatt begünstigt. Seinen neuen regionalen Agrarstandort hatte die BayWa schon 2014 am Mainhafen in Dettelbach in Betrieb genommen.
Jahrzehntelang war das Gelände in Bergtheim für die Versorgung der Landwirtschaft zentral
Obwohl die einst von der BayWa genutzten Gebäude seit drei Jahren leer stehen, geht der jetzige Rückbau vielen Menschen in Bergtheim ans Herz. Altbürgermeister Heinz Wittstadt weiß, warum. Als er 1984 erster Bürgermeister in Bergtheim wurde, sei die BayWa im Ort schon seit 30 Jahren "das Eldorado schlechthin" in den Bereichen Agrar und Technik gewesen. "Die Landtechnik-Werkstatt hatte besten Ruf", sagt er.
"Die Bergtheimer BayWa war ein absolutes Versorgungszentrum für die Landwirtschaft der gesamten Region", blickt Altbürgermeister Wittstadt zurück. Hier hätten der Handel von Getreide und weiterer Agrarprodukte geblüht. Groß- und Kleingeräte wurden verkauft, also Traktoren, Mähdrescher, Pflüge oder Häcksler, genauso wie vielerlei Nägel und Schrauben sowie jegliche Werkzeuge für Haus und Garten.
Was die Schließung des BayWa-Standortes für Bergtheim bedeutete und wie es weiter ging
In Bergtheim hätten nicht nur Landwirte eingekauft, sondern auch Menschen, die einen Garten hatten. Allerlei Samen, Spritz- und Düngemittel konnten dort gekauft werden, erinnert sich Heinz Wittstadt. Auf dem Gelände des einstigen Düngemittellagers befindet sich heute der Bauhof der Gemeinde Bergtheim. Die Kommune hat es 2008 der BayWa AG abgekauft. "Das war eine meiner letzten Amtshandlungen als Bürgermeister", erzählt er.
Die Aufgabe des BayWa-Stadtorts 2019 war also für Bergtheim auch das Ende einer industriellen Epoche. Mit dem Abriss der Gebäude auf den gemieteten Flächen und dem geplanten Verkauf des verbliebenen Eigentums, einschließlich des Werkstattgebäudes, verschwindet diese wirtschaftliche Ära in der Industriestraße jetzt vollends.
Inzwischen ist am nördlichen Ortsausgang von Bergtheim ein Gewerbegebiet mit neuen Firmen und einem Einkaufszentrum entstanden. Altbürgermeister Wittstadt kommentiert das mit einer alten Lebensweisheit, die schon dem antiken Philosophen Heraklit von Ephesus zugesprochen wird: "Nichts ist so beständig wie der Wandel."