
Frische, regionale Lebensmittel einkaufen, die nicht um die halbe Erdkugel geflogen wurden - für viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Unterfranken gestaltet sich das schwierig. Wer keinen Wochenmarkt vor der Tür hat oder nicht direkt beim Bauern im Hofladen einkauft, tut sich schwer. In großen Supermärkten sind die Regale voll - aber mit Lebensmitteln, die oft von weit her kommen und anderswo produziert wurden.
Warum landen so wenige unterfränkische Lebensmittel auch auf unterfränkischen Tellern? Und wie lässt sich das ändern?
Wolfgang Ehbauer, Leiter des Bereichs Ernährung und Landwirtschaft bei der Regierung von Unterfranken, Teresa Öchsner von der neu geschaffenen "Heimatagentur" der Regierung und Dr. Christiane Brunner vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg nennen 4 Gründe. Und erklären, wie mehr Unterfranken auf den Tisch kommen kann.

1. Grund: Kein Unterfranken-Label, keine gemeinsame Vermarktungsstrategie
Die Winzer hätten geschafft, wovon viele Landwirte noch träumen: Der Frankenwein sei beliebt und auch über die Grenzen Deutschlands hinaus anerkannt, sagt Wolfgang Ehbauer, Landwirtschaftsexperte bei der Regierung von Unterfranken. Beim Frankenwein sei die Markenbildung geglückt. Dadurch funktioniere auch die Vermarktung in der Region. Verbraucher seien bereit, für ein Produkt, das mit "Heimat" und mit "Genuss" verbunden werde, auch mehr Geld zu bezahlen. Auch einzelne Regionen haben ihre eigene Marke etabliert. Zum Beispiel vermarkten etwa 400 Rhöner Betriebe ihre Lebensmittel unter der "Dachmarke Rhön".

Doch für ganz Unterfranken gibt es bisher kein eigenes Lebensmittel-Label. Und auch keine gemeinsame Vermarktungsstrategie. "Viele Verbraucherinnen und Verbraucher wissen nicht, was vor ihrer Haustür angebaut wird", sagt Ehbauer. Wer also nicht direkt auf dem Wochenmarkt oder beim Erzeuger auf dem Hof einkauft, hat es in großen Supermärkten oft schwer, regionale Lebensmittel aus Unterfranken zu finden. Teils gibt es "Regionalecken". Aber die meisten Lebensmittel aus Franken stehen ungekennzeichnet zwischen allen anderen.
"Unser Ziel ist, dass bei jedem Produkt aus Unterfranken im Supermarkt klar erkennbar ist, dass es aus der Region kommt", sagt der Leitende Landwirtschaftsdirektor. Ähnlich wie dies etwa in der Schweiz oder in Südtirol der Fall sei.

2. Grund: Nicht alles wächst im trockenen Unterfranken
Was in Unterfranken wächst, wird auch vom Klima und den Böden bestimmt: Weil Unterfranken wärmer und trockener ist als andere Regionen in Bayern, wird vor allem Getreide angebaut. Unter den mehr als 200 verschiedenen Ackerkulturen in Unterfranken dominieren Winterweizen, Wintergerste, Mais und Zuckerrüben.
Weil auf trockenen Böden auch weniger Gras wächst, gibt es in Unterfranken auch weniger Tierhaltung als beispielsweise in Südbayern. Milchvieh findet man vor allem in den Landkreisen Kitzingen und Haßberge. Schweine in den Landkreisen Kitzingen, Würzburg und Schweinfurt. Die wenigsten Tiere in ganz Bayern werden im Landkreis Main-Spessart gehalten.

In den Landkreisen Würzburg, Schweinfurt und Kitzingen wird vor allem Gemüse angebaut. Jeder vierte bayerische Öko-Gemüse-Acker liegt in der Bergtheimer Mulde. "Würde alles Gemüse, das in Unterfranken angebaut wird, auch in Unterfranken gegessen, könnten wir unseren Eigenbedarf an Möhren zu 77 Prozent decken", hat Dr. Christiane Brunner errechnet. Bei Zucchini wären es 66 Prozent, bei Kohlrabi 54 Prozent, bei Zwiebeln 49 Prozent und bei Spargel sogar 115 Prozent.
Die Ernährungsexpertin vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg sagt: "Bei uns in Unterfranken wachsen die Möhren, in Niederbayern die Gurken." Dennoch habe Bayern beim Gemüse "einen sehr niedrigen Selbstversorgungsgrad und bei Obst einen noch geringeren". Dank des Klimas sei die Region rund um die Mainschleife aber ein Schwerpunkt in Bayern für Kern- und Steinobst wie Kirschen, Pflaumen, Äpfel und Birnen, sowie für Beeren wie Johannis-, Stachel- oder Himbeeren. Der Selbstversorgungsgrad bei Äpfeln liegt in Unterfranken bei 61 Prozent, bei Erdbeeren bei 41 Prozent.

3. Grund: Unterfränkische Landwirte profitieren auch vom Export
Was im Allgäu der Käse, ist in Unterfranken der Weizen, sagt Landwirtschaftsexperte Ehbauer. Theoretisch könnten wir in Unterfranken jeden Tag Pasta und Brot aus heimischem Mehl essen. Auf 70.000 von insgesamt 280.000 Hektar Ackerfläche in Unterfranken wird Winterweizen angebaut. Um den durchschnittlichen deutschen Pro-Kopf-Bedarf an Mehl zu decken, bräuchte Unterfranken bei etwa 1,3 Millionen Einwohnern nur etwa 20.000 Hektar Anbaufläche, sagt der Bereichsleiter der Regierung: "Wir bauen drei bis vier Mal so viel Weizen an, wie wir selbst verbrauchen."
Zudem sei es "sehr guter Weizen". Die Backqualität des unterfränkischen Weizens (hoher Eiweißgehalt) sei durch die heißen, trockenen Sommer dem italienischen Weizen ebenbürtig. So werde ein Großteil des Weizens aus Unterfranken über den Rhein-Main-Donau-Kanal in andere Teile Deutschlands, aber auch nach Belgien, Holland, Großbritannien und teils sogar bis nach Afrika und Asien exportiert.
Auf dem internationalen Markt erziele hochpreisiger Weizen aus Unterfranken gute Erlöse, erklärt Ehbauer. Gleichzeitig lande dadurch aber auch Weizen minderer Qualität aus anderen Ländern in Unterfrankens Mühlen oder werde hier verfüttert. Der Grund: Weil der Schiffstransport vergleichsweise günstig ist, lohne es sich, Weizen aus Unterfranken für 250 Euro pro Tonne abzuholen und auf der Herfahrt Weizen für 180 Euro pro Tonne zu uns zu bringen. Ehbauer sagt: "Wir profitieren in Unterfranken auch vom Export."

4. Grund: Es hapert an der Logistik und der Vernetzung
Das Ziel der Staatsregierung: Bis 2025 sollen in staatlichen Kantinen in Bayern mindestens 50 Prozent der Lebensmittel aus regionaler oder bioregionaler Erzeugung stammen. Doch oft hapert es bereits an der Logistik, sagt Teresa Öchsner von der Regierung von Unterfranken. Zum Beispiel fehlen die Akteure zwischen den Landwirten und den Großküchen von Krankenhäusern, Kantinen oder Hotels. Etwa Zwischenverarbeiter, die Lagerkapazitäten schaffen oder die das Gemüse küchenfertig waschen, schneiden und verpacken.

Ein anderes Beispiel: Immer mehr Viehhalter in Unterfranken geben auf. 2023 gab es noch 80.838 Mastschweine (über 50 Kilogramm) in Unterfranken - 23.700 Schweine weniger als noch ein Jahr zuvor. Das entspricht einem Rückgang in der Schweinehaltung von 10,7 Prozent. Mit den Viehhaltern verschwinden weitere Betriebe in der Wertschöpfungskette. Zum Beispiel Tierärzte, Futterhändler, Schlachthöfe oder Molkereien.
Noch gibt es in Unterfranken mehr als ein Dutzend Schlachtbetriebe und zwei Molkereien. Doch schon heute werde unterfränkische Milch bis nach Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg und sogar bis ins Allgäu zu Molkereien gefahren, sagt Wolfgang Ehbauer.
Christiane Brunner vom Amt für Ernährung fügt hinzu: "Bei regionalen Lebensmitteln geht es immer darum, die gesamte Wertschöpfungskette in der Region zu erhalten, vom Produzenten bis zum Endverbraucher."

Fazit: Wie mehr heimische Lebensmittel auf den Teller kommen könnten
Wie kann es gelingen, dass in Unterfranken künftig mehr heimische Lebensmittel auf den Tisch kommen? Teresa Öchsner von der Regierung von Unterfranken hat dazu das "Forum Heimatagentur" ins Leben gerufen.
Ziel ist es, Landwirtinnen und Landwirte mit Akteuren aus der Verarbeitung, dem Handel, der Gastronomie und der Gemeinschaftsverpflegung zu vernetzen und eine gemeinsame Strategie für eine regionale Ernährung in Unterfranken zu entwickeln. Bei einem ersten Treffen in Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt kamen mehr als Hundert Teilnehmer miteinander ins Gespräch.
Wolfgang Ehbauer sagt: "Es ist gut, dass wir in Unterfranken so guten Weizen anbauen. Aber wir wollen mehr als nur Weizen und Zuckerrüben. Wir brauchen die Vielfalt." Einerseits, um die Kulturlandschaft im Klimawandel zu erhalten und um regionale Sorten, die sich an Hitze und Wasserstress angepasst haben, nicht zu verlieren. Und andererseits, um im Krisenfall die Ernährung mit Lebensmitteln vor Ort sichern zu können.
Warum es so kompliziert ist, sich in unserem ländlich geprägten Gebiet mit regional erzeugten Lebensmitteln versorgen, habe ich mich auch schon oft gefragt.
Wenn möglich, kaufe ich regional im Supermarkt.
Die Zeit, für regionale Lebensmittel verschiedene Höfe, Metzgereien, Märkte abzuklappern, habe ich einfach nicht. Und kilometerlange Fahrwege dafür extra zu fahren, ist ja auch nicht sinnvoll.