Unterfranken ist eine der trockensten Regionen Deutschlands. Und die Bergtheimer Mulde ist eines der trockensten Gebiete in Unterfranken. Doch noch immer wird auf den fruchtbaren Böden nördlich von Würzburg großflächig Gemüse angebaut, vor allem Kartoffeln, Möhren, Kohl, Zwiebeln, Kürbisgewächse, Gurken, rote Beete, Rhabarber und Zuckermais. Sechs Prozent der bayerischen Gemüseanbauflächen liegen in der Bergtheimer Mulde.
Zudem ist die Region Vorreiter für Ökoanbau, sagt Claudia Taeger, Gartenbau-Leiterin am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg. 60 Prozent aller Sonderkulturen und 75 Prozent des Gemüses in der Bergtheimer Mulde werden laut Taeger ökologisch angebaut: "Jeder vierte bayerische Öko-Gemüsebauacker liegt in der Bergtheimer Mulde."
Doch Gemüse benötigt viel Wasser. Und in der Bergtheimer Mulde spitzt sich der Interessenkonflikt zwischen Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft, Naturschutz und Naherholung bei der Verteilung zu. Wieviel Grundwasser kann bedenkenlos entnommen werden, ohne dass das Gebiet völlig austrocknet? Und ist die Landwirtschaft tatsächlich für sinkende Grundwasserstände verantwortlich?
Um diese Fragen zu klären, ist auf Initiative des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg ein "bayernweit einzigartiges Projekt" für die Bergtheimer Mulde erstellt worden: ein sogenanntes "Landschaftswasserhaushaltsmodell", erklärt Bertram Eidel, zuständig für Umweltbelange bei der Regierung von Unterfranken. Das Modell basiere auf einer groß angelegten Studie von Geologen, Hydrologen und Wasserwirtschaftsexperten.
Jetzt liegen die Ergebnisse vor. Ein Überblick über die wichtigsten Antworten:
Welches Gebiet wurde untersucht?
Drei Jahre lang wurde der Untergrund in der Bergheimer Mulde untersucht: also das Gebiet rund um Unterpleichfeld (Lkr. Würzburg) zwischen Albertshofen (Lkr. Kitzingen) im Süden, Werneck (Lkr. Schweinfurt) im Norden, Eisenheim im Osten (Lkr. Würzburg) und dem Gramschatzer Wald im Westen.
Der Gesteinskörper, in dem sich in diesem Bereich das Grundwasser befindet, ist der untere Keuper. Um aussagekräftige Ergebnisse zu bekommen, habe man für das Modell "den Grundwasserkörper als Ganzes" betrachtet, sagt Jens Habenstein, Projektmitarbeiter bei der Regierung von Unterfranken.
Was wurde in der Studie untersucht?
Wie kann man das Wasservorkommen in der unterirdischen Mulde nachhaltig so nutzen, dass die Bergtheimer Mulde auch an ihren Rändern nicht austrocknet? Antworten soll das mathematische Modell des Landschaftswasserhaushalts liefern, in dem laut Habenstein "alle Elemente des Wasserkreislaufs und deren Interaktion zueinander" berechnet wurden. Dazu gehören Niederschlag, Verdunstung, Versickerung, alle Oberflächenabflüsse sowie die Wasserentnahmen für Trinkwasserversorgung und Landwirtschaft.
Alle verfügbaren Daten für den Zeitraum 2005 bis 2019 seien zusammengetragen, in ein Modell überführt und die Ergebnisse durch Pumpversuche vor Ort überprüft worden, sagt der Wasserwirtschaftsexperte. Mit einberechnet wurden Wetterdaten, das Gefälle des Geländes und Gesteinstypen, die Vegetation sowie die Fruchtfolge auf einzelnen Feldern.
Sinken die Grundwasserstände in der Bergtheimer Mulde?
Die Grundwasserstände würden tatsächlich "drastisch sinken", sagt Projektmitarbeiter Jens Habenstein. Während sich vor einigen Jahren noch 60 Millimeter neues Grundwasser pro Quadratmeter pro Jahr in der Bergtheimer Mulde bildete, sei es in Trockenjahren wie 2018 gerade noch die Hälfte gewesen. Seit 2014 sei die "klimatische Wasserbilanz" in der Bergtheimer Mulde, außer im Gramschatzer Wald, negativ.
Der Grund: In der zweiten Hälfte des untersuchten Zeitraums, von 2010 bis 2019, war es in der Bergtheimer Mulde wärmer als noch in der ersten Hälfte, also in den Jahren 2005 bis 2014 - in einzelnen Sommermonaten sogar bis zu zwei Grad. Die Regenmengen waren leicht rückläufig, die Verdunstung blieb aber mit 76 Prozent des Niederschlags nahezu gleich. Nur etwa 15 Prozent des Niederschlags sickerten bis ins Grundwasser.
Die Folge, so Habenstein: Grundwasserneubildung und auch Bodenfeuchte nahmen ab. Die Vegetation sei immer öfter im Trockenstress gewesen, alle Pflanzen seien durch den Wassermangel außergewöhnlich belastet. Besonders die Ränder des Gebiets trockneten aus, wie an der Grundwassermessstelle in Hausen (Lkr. Würzburg) zu sehen ist: Vergleicht man die Jahre 2006 bis 2010 mit 2021 und 2022, sank das Grundwasser dort um einen Meter.
Welchen Anteil haben Wasserentnahmen am Wasserhaushalt der Region?
"Keinen großen", sagt Habenstein. Für Trinkwasser sind in dem Gebiet von 2005 bis 2019 pro Jahr 800.000 Kubikmeter Wasser entnommen worden. Für landwirtschaftliche Bewässerung genehmigt waren 700.000 Kubikmeter pro Jahr. Tatsächlich entnommen haben die Landwirte im Jahresmittel aus ihren mehr als 100 Brunnen etwa 320.000 Kubikmeter pro Jahr - das zumindest ist die Zahl, die den Behörden vorliegt. Wie eine Recherche von Main-Post und Bayerischem Rundfunk im Frühjahr 2023 jedoch aufdeckte, kommen viele Wasserentnehmer ihren Meldepflichten nicht nach.
Auffällig sei, dass die Entnahmen für Trinkwasser in den vergangenen Jahren gleich geblieben, die Entnahmen der Landwirte jedoch gestiegen seien, sagt Habenstein. In den Trockenjahren 2015 und 2018 wurde besonders viel Wasser zur Bewässerung gebraucht.
Von 2005 bis 2019 machten die Wasserentnahmen trotzdem nur insgesamt fünf bis sieben Prozent des gesamten Landschaftswasserhaushalts aus.
Ist die Bewässerung der Grund für sinkende Grundwasserstände?
Die Bewässerung sei "eindeutig nicht" der Grund, dass die Grundwasserstände sinken, sagt Habenstein. Alle größeren Brunnen, aus denen mehr als 5000 Kubikmeter Wasser pro Jahr entnommen werden dürfen, seien in das Modell einbezogen worden. Die landwirtschaftlichen Entnahmen hätten keinen Einfluss auf die seit 2014 negative Wasserbilanz in der Bergtheimer Mulde. Dies zeige auch die Berechnung verschiedener Szenarien.
Was würde sich in 15 Jahren ändern, wenn der Niederschlag um zehn Prozent zurückgeht und es gleichzeitig 1,5 Grad wärmer wird? Das Ergebnis, laut Wasserexperte Habenstein: Im Zentrum der Bergtheimer Mulde würde der Grundwasserspiegel um einen Meter, an den Rändern sogar vier bis fünf Meter absinken.
Und was würde passieren, wenn man die Wasserentnahmen der Landwirtschaft um 30 Prozent reduziert? Was, wenn künftig noch mehr Gemüse angebaut wird? Was, wenn die Landwirte ihre genehmigten 700.000 Kubikmeter pro Jahr voll ausschöpfen? Das Ergebnis: Der Grundwasserspiegel ändere sich nur um einzelne Zentimeter, so Habenstein.
Die Wasserentnahmen aus den Brunnen haben im Sommer aber sehr wohl unmittelbare Auswirkungen, erklärt Habenstein: etwa auf benachbarte Brunnen und die Natur außenherum, zum Beispiel auf Bäche. Dies habe ein Pumpversuch des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg gezeigt. Habenstein sagt: "Die Wasserentnahmen verstärken die Folgen der Trockenheit und Dürre im Sommer."
Was tun gegen den Wassermangel in der Bergtheimer Mulde?
"Wir müssen die Trinkwasserversorgung aufrecht erhalten. Wir können die Landwirte aber auch nicht im Stich lassen oder den Naturschutz komplett ignorieren", fasst Jens Habenstein das Dilemma zusammen.
Als "Kompromiss" der Wasserwirtschaftsverwaltung, sagt der Regierungsvertreter, soll die Landwirtschaft in der Bergtheimer Mulde auch in Zukunft Wasser erhalten. Die Wassermengen sollen jedoch schrittweise an aktuelle Grundwasserneubildungsraten angepasst, genehmigte Wassermengen und Laufzeiten für Entnahmerechte verkürzt und Entnahmen im Fünf-Jahres-Rhythmus überprüft werden.
Wie reagieren Landwirte und Umweltschützer?
Unzufrieden mit dem von der Regierung von Unterfranken vorgeschlagenen Kompromiss sind sowohl viele Naturschützer als auch viele Landwirte. Biolandwirt Martin Schlereth beispielsweise beklagt eine "fehlende Planungssicherheit" für die Gemüsebauern. Hermann Schmitt, Geschäftsführer des Fränkischen Weinbauverbands kritisiert die "Unverhältnismäßigkeit" der Maßnahmen.
Steffen Jodl, Regionalreferent für Unterfranken beim Bund Naturschutz zeigt sich "enttäuscht" darüber, dass Entnahmerechte trotz der negativen Wasserbilanz nicht widerrufen werden. Und die Grünen-Landtagsabgeordneten Kerstin Celina und Paul Knoblach fordern effektivere Maßnahmen, um Wasser in der Fläche zu halten und die Verdunstung zu reduzieren.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels waren in der Grafik mehrere Gemeinden falsch benannt. Das haben wir nun korrigiert. Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.
Wird 35 Flusskilometeraufwärts in Weyer so ähnlich gemacht.
Man entnimmt Wasser aus Brunnen direkt neben dem Main (Uferfiltrat) und pumpt es die Hänge hinauf, wo es in eigens dafür errichteten Bauten einsickert.
Weiter unten am Hang kommt so stets Grundwasser nach.
Und das in dem Fall nicht zum Bewässern, sondern in TRINKWASSERQUALITÄT für das Netz der Rhön-Maintal-Gruppe.
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Man könnte also freilich - besonders im Winter, wo der Main ohnehin (zu) viel Wasser führt - Mainwasser grundwasserspeisend nutzen. Über´s Jahr hätten dann alle was davon.
Wer gibt zum Beispiel 1 ha von seinem teuren und wertvollen Ackerland her, um einen See anzulegen.?
Wenn Sie die Fläche 1 m tief ausgraben, können sie darin erst lächerliche 10000m3 Wasser speichern. Natürlich lässt sich der Abraum anböschen dann sind es vielleicht 15000 m3.
Allein den Boden abtragen und irgendwohin fahren ist unbezahlbar. Es gibt hier keine Schlucht wo man über eine Staumauer größere Wassermengen speichern könnte.
Aus den vorgelegten/vorliegenden Daten (die ziemlich löchrig sind) zu schließen daß die landwirtschaftliche Wasserentnahme keinen Einfluß auf die Änderung des Grundwasserpegels gehabt hätte ist ganz schön weit aus dem Fenster gelehnt, liebe Regierung Unterfranken ...
Die angekündigten Maßnahmen sind das mindeste, was zum langfristigen Erhalt des Grundwasserkörpers erforderlich ist. Von der
Es gibt also mehr Ungereimtheiten als nur die Darstellungsfehler in der Karte ...
Ihr habt schon 2023 ab und an ein Stirnrunzeln bei mir verursacht und der Start in 2024 schließt da leider an. Die Karte mit dem Untersuchungsgebiet ist an mehreren Stellen falsch beschriftet: Stammheim liegt am Main, Gaibach jedoch nicht (das ist gar nicht im Kartenausschnitt zu sehen). Obereisenheim ist der Nachbarort von Wipfeld und Röthlein nicht das AKW Grafenrheinfeld.
Selbstverständlich können und dürfen Fehler passieren, aber etwas mehr Qualität in der Lokalberichterstattung wäre doch ein guter Vorsatz für 2024.