Der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch ist 2020 in Deutschland auf ein Jahrzehnte-Tief gesunken. Vor allem der Konsum von Schweinefleisch ging zurück. Dazu kamen 2022 explodierende Preise für Futter. Gerade für Schweinehalter ein Problem, da ihre Tiere Getreide- und Körnerfresser sind. Zudem soll ab 2023 das staatliche Label für Tierwohl kommen, verpflichtend für alle Anbieter von frischem oder tiefgekühltem Fleisch. Zunächst gelten soll es nur für Schweinfleisch.
Wie spürbar ist all das bei Schweinehaltern in der Region? Und was bedeutet es für sie? "Vor der Ernte habe ich kurz überlegt, aufzuhören", sagt Christian Endres, Schweinehalter aus dem Karlstadter Stadtteil Rohrbach, auf Nachfrage. Er hat eine Schweinemasthaltung mit knapp 1600 Mastplätzen. Im vergangenen Jahr hat er auf Tierwohl umgestellt und deswegen weniger Tiere, dafür mehr Platz für das einzelne Schwein.
Zudem betreibt er eine Biogasanlage, die er mit selbst angebautem Mais und Luzerne, aber auch mit der anfallenden Gülle speist. Er spürt nicht nur, dass die Leute weniger Fleisch essen. Sowohl das Futter, als auch alle Ersatzteile für seine Maschinen sind utopisch teuer geworden. "Momentan ist die Gülle mehr wert als die Schweine", fasst er zusammen.
Wie schnell Endres seinen Entschluss, aufzuhören umsetzen könnte? "Das ginge relativ einfach. Die Ställe sind abbezahlt und ich bekomme alle vier Monate neue Ferkel", so Endres. Haben diese ihr Schlachtgewicht erreicht und verlassen den Hof, ist der Stall zunächst leer. Plan B wäre dann nur von Ackerbau und der Solareinspeisung zu leben. Allerdings würde das Endres schwer fallen. "Ich mache die Schweinhaltung wahnsinnig gerne. Gehe total gerne in den Stall, auch sonntags und an Feiertagen, das macht mir überhaupt nichts aus", erzählt er.
Aufschwung zum Start der Grillsaison blieb aus
Wenn er dann aber sieht, wie der Discounter in seinem Prospekt wieder das Schweinefleisch reduziert anpreist, bekommt er Zweifel. Schon jetzt kostet ihn ein Mastschwein mehr, als er zurückbekommt. Rund 200 Euro rechnet er für ein Tier in Anschaffung und Futter. Um alle laufenden Kosten rund um den Stall abdecken zu können, müsste es 220 Euro wieder reinbringen. Defacto sind es aber 180 Euro.
Reinhard Wolz ist Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands Kreisverband Main-Spessart. Zudem hält er auf dem Schwalbenhof in Marienbrunn selbst 250 bis 300 Schweine inklusive Ferkel. Er kann nur bestätigen, dass sich auch in der Region die Verbraucher beim Fleischkonsum zurückhalten. So sei der Aufschwung, den es normalerweise immer im Mai zu Beginn der Grillsaison gebe, dieses Jahr ausgeblieben.
Das Getreide kostet fast doppelt so viel wie im vergangenen Jahr
Zwar hätten sich die Preise 2022 im Vergleich zum Pandemie gebeutelten vergangenen Jahr wieder ein wenig erholt, gewinnbringend seien sie aber schon lange nicht mehr. Lag der Preis für ein Kilo Schlachtgewicht 2021 bei 1,20 Euro, ist er 2022 wieder auf 1,85 Euro zum Stichtag Anfang Juli gestiegen.
Damit es sich lohnt, brauche es hier aber eigentlich einen Betrag von 2,50 Euro, so Wolz. Zusätzlich belastend sind die derzeitigen Preissteigerungen für die Viehhalter. "Das Getreide kostet fast doppelt so viel wie im letzten Jahr", so Wolz. Das sei gerade für Mastbetriebe schwierig. "Wir sind an einem Punkt, an dem es sich nicht mehr rechnet", sagt er.
Mit seiner Abwägung, aufzuhören, ist Christian Endres nicht allein. Dem Landratsamt Main-Spessart liegen alleine aus den Jahren 2018 bis 2021 Mitteilungen von 17 Schweine-Mastbetrieben vor, die aufgehört haben. Vermutet wird sogar noch eine weitaus höhere Zahl. Bayernweit ist die Zahl der Betriebe laut dem Landesamt für Statistik von rund 10.800 im Jahr 2016 auf rund 7900 im Jahr 2020 geschrumpft – ein Rückgang von 27 Prozent. Im Landkreis Main-Spessart liegt der Rückgang bei rund 34 Prozent.
Schweinehaltung im Landkreis Main-Spessart verschwindet zunehmend
"Es ist fest damit zu rechnen, dass die Schweinehaltung im Landkreis Main-Spessart weiter zurückgeht", sagt Bernhard Schwab, Bereichsleiter Landwirtschaft beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Karlstadt. Viele seien auf dem Absprung: Corona, die afrikanische Schweinpest, die rasanten Preissteigerungen, stetig neue Forderungen von Politik und Handel, aber oft auch der Generationswechsel – Gründe gebe es jede Menge. Zudem zählt Main-Spessart generell schon zu den viehärmsten Regionen Bayerns. Im Vergleich leben hier weniger Tiere pro Hektar als im Raum München.
Auch wenn die Entwicklung Tierfreunde und Vegetarier freut: Sie wird wohl alle betreffen. Denn wie Schwab betont, sind auch die Schweine Teil der Kreislaufwirtschaft. Fällt der Schweine-Dung weg leiden auch die Böden, und es gibt weniger Ertrag und Bodenfruchtbarkeit.
Landwirtschaftsbetrieb Krämer aus Uettingen: Vor fünf Wochen das letzte Schwein verkauft
Bereits seinen Stall leer gemacht hat Johannes Krämer aus Uettingen. Der Familienbetrieb hatte über mehrere Generationen Schweine, zunächst Zuchtsauen, zuletzt Mastschweine. 1992 siedelte die Familie mit ihrem Hof aus an den Rand Uettingens Richtung Helmstadt. 1400 Mastschweine waren es zwischenzeitlich, die dort standen. "Wir hatten ein perfektes Stallkonzept mit Biogasanlage, in der wir die Gülle gleich verwerten konnten und die Abwärme für den Stall nutzen", erzählt Krämer.
Doch auch das genügte letztlich nicht, um den Betrieb wirtschaftlich zu halten. "Wir haben lange gehadert", so der Landwirt. Zuletzt aber waren es 40 Euro, die sie pro Schwein drauf legen mussten. "Das rechnet sich einfach nicht mehr", so Krämer. Ende 2021 dann war die Entscheidung durch. Vor fünf Wochen nun hat der Betrieb das letzte Schwein verkauft.
Guter Zuspruch in der Direktvermarktung gibt Hoffnung
Corona, die afrikanische Schweinepest, aber auch Exportschwierigkeiten macht er mitverantwortlich für die derzeitige Situation. Aber auch immer neue politische Entscheidungen machten es den Schweinehaltern schwer. "Für uns wäre die Umstellung auf Tierwohl baulich gar nicht möglich gewesen", erläutert Krämer.
Was er mit dem leeren Stall zukünftig macht weiß Krämer noch nicht. Die gewonnene Zeit und Energie will er jetzt erst einmal in die Optimierung der bestehenden Betriebszweige stecken. Das sind vor allem Sonderkulturen wie Spargel und Erdbeeren. Der Familienbetrieb hat zudem Schnittblumenfelder und betreibt Ackerbau.
Zwar hat auch hier die Konkurrenz durch Produkte aus dem Ausland zugenommen. "Wir merken aber auch einen sehr guten Zuspruch in der Direktvermarktung", so Krämer. Die Menschen kaufen wieder mehr beim Erzeuger. Das sei durch Corona gekommen – und bisher geblieben.
Der Handel unterbietet sich bei den Preisen auf Kosten der Erzeuger.
Und unter diesen Bedingungen können die Bauern natürlich nicht eine Umstellung auf artgerechte Haltung (dringend notwendig) finanzieren.
Was bleibt?
1). Verbraucher müssen sich auf marktgerechte Preise einstellen.
2). Bauern müssen sich zu Erzeuger Genossenschaften zusammenschließen und gemeinsam ihre Marktmacht gegen den Handel ausspielen.
3). Einfuhr von Agrarprodukten muss zum Schutz der heimischen Erzeuger beschränkt werden.
Wenn wir das nicht tun, vernichten wir nälangfristig heimische landwirtschaftliche Produktion.
Im groben beschrieben besagt sie, dass bei hohen Preisen, viel in den Ausbau der Schweinemast investiert wird. Daraus resultiert, zeitversetzt, ein hohes Angebot, was dann zu fallenden Preisen führt.
Bei niedrigen Preisen lohnt die Mast nicht mehr, Betriebe geben auf, oder reduzieren. Das Gut wird wieder knapper und die Preise steigen wieder. Was bei steigenden Preisen geschieht, ist oben schon beschrieben. Somit ist der Zyklus geschlossen. Die Erkenntnis ist durchaus nicht neu.
Was das Ganze noch mit beeinflusst, ist ein sich änderndes Verbraucherverhalten. Das ist nur schwer vorherzusagen und dehalb kaum einkalkulierbar. Alledings glaube ich fest daran, dass es keinesfalls richtig ist, immer nur auf Wachstum zu setzen. Da geht die Kalkulation eben nicht immer auf.