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Schweinfurt
ZF Konzern will sechs Milliarden Euro einsparen: Betriebsrat in Schweinfurt warnt davor, die Lage zu verkennen
Ein Interview von ZF-Konzernchef Holger Klein sorgt für Furore. In Schweinfurt sucht die Unternehmensberatung McKinsey nach Einsparpotenzialen in der Produktion.
Beim Autozulieferer ZF in Schweinfurt geht es um Stellenabbau. Dabei stellt sich die Frage, wohin der Konzern grundsätzlich steuert.
Foto: Felix Kästle, ZF; Getty Images; Montage: Daniel Biscan | Beim Autozulieferer ZF in Schweinfurt geht es um Stellenabbau. Dabei stellt sich die Frage, wohin der Konzern grundsätzlich steuert.
Jürgen Haug-Peichl
 und  Marcel Dinkel
 |  aktualisiert: 15.07.2024 02:39 Uhr

Flaute, Kostendruck, Stellenabbau: Die Nervosität in der mainfränkischen Industrie ist seit Monaten groß. Das ist derzeit unter anderem beim Autozulieferer ZF zu erkennen, dessen Werke in Schweinfurt mit zusammen 9000 Beschäftigten die größten kommerziellen Arbeitgeber in der Region sind. Nun hat ZF-Konzernchef Holger Klein weiteres Öl ins Feuer gegossen.

In einem Interview mit dem "Manager Magazin" redete Klein vor wenigen Tagen Tacheles: "Die Situation ist sehr ernst." Es ist die Rede davon, dass ZF bis 2030 in Deutschland 12.000 Arbeitsplätze streicht, 2000 davon in Schweinfurt. Vorerst geht es dort erst einmal um knapp 400 Stellen, die wegen der aktuellen Flaute bis Ende 2024 wegfallen sollen.

'Die Situation ist sehr ernst', sagt Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG.
Foto: Felix Kästle/ZF | "Die Situation ist sehr ernst", sagt Holger Klein, Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG.

ZF muss wegen der Mobilitätswende hin zu E-Autos einen Kraftakt hinlegen, ist hoch verschuldet und steht unter großem Kostendruck. In Schweinfurt arbeiten zwei Drittel der ZF-Belegschaft im Bereich Elektromobilität, der Rest ist anderen Sparten zugeordnet, darunter dem als Aftermarket bezeichneten Bereich für Ersatzteile.

Auch Schweinfurts Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll sieht dunkle Wolken am ZF-Himmel. Vielen Beschäftigten sei der Ernst der Lage nicht klar, sagte er dieser Redaktion. Sie würden geblendet von der Tatsache, dass in manchen Abteilungen momentan Sonderschichten liefen und generell "viel Arbeit" zu leisten sei. Doch das könne sich im nächsten halben Jahr "sehr schnell ändern".

Viele Beschäftigte bei ZF in Schweinfurt verstehen den Ernst der Lage nicht: Davon ist Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll überzeugt.
Foto: Josef Lamber | Viele Beschäftigte bei ZF in Schweinfurt verstehen den Ernst der Lage nicht: Davon ist Betriebsratsvorsitzender Oliver Moll überzeugt.

Wie energisch die Konzernzentrale in Friedrichshafen offenbar den Rotstift ansetzt, zeige die Tatsache, dass derzeit die Agentur McKinsey als international renommierte Unternehmensberatung die Schweinfurter Werke unter die Lupe nehme, sagte Moll. Nach seinen Worten sollen die Fachleute unter anderem herausfinden, an welchen Produktionslinien Personal verringert werden kann.

Vorstandsvorsitzender Klein machte in dem Interview mit dem "Manager Magazin" klar, dass er den Sparkurs im Konzern an mehreren Stellen vorantreiben will. Mitunter werde "es auch Aufhebungsverträge geben". In Schweinfurt sei dieses Mittel des Job-Abbaus aber "noch kein Thema", sagte Moll.

Indes sei im Konzern vor wenigen Tagen ein Altersteilzeit-Modell aufgelegt worden, mit dem der Stellenabbau ebenfalls vorangetrieben werden soll. Seit Anfang des Monats können sich laut Moll Beschäftigte zu dieser Altersteilzeit beraten lassen. Entsprechende Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber "müssen noch in diesem Jahr unterschrieben werden". Die Ansparphase beginne dann Ende 2025.

Hohes Interesse an Altersteilzeit bei ZF in Schweinfurt

Der Betriebsratsvorsitzende hält das Modell "für eine gute Regelung", die in der Schweinfurter Belegschaft bereits auf positive Resonanz gestoßen sei. Zahlen darüber, wie viele Mitarbeitende von dem Angebot Gebrauch machen, liegen laut Moll nicht vor. Nur so viel: "Das Interesse daran ist hoch." Die bearbeitenden Kollegen würden von Anfragen überhäuft.

Auch wenn Moll das Angebot des Arbeitgebers grundsätzlich für gut befände, kritisierte er, dass derartige Modelle den Druck auf die verbliebene Belegschaft erhöhen würden. "Dadurch wird die Arbeit nicht weniger." Die Gewinnansprüche des Konzerns blieben gleich. Demnach strebe ZF einen jährlichen Produktivitätszuwachs von fünf Prozent an. "Solange wir eine Wachstumsphase haben, kann man das daran abbilden. Aktuell haben wir aber keine Wachstumsphase." So fielen die fünf Prozent direkt auf die verbliebenen Beschäftigten zurück.

Stellenabbau überschattet Betriebsversammlung

Am Montag, 8. Juli, hatte ZF in Schweinfurt eine reguläre Betriebsversammlung angesetzt. Darin wurden die Beschäftigten auch über die aktuelle Lage des Konzerns unterrichtet. Die Gesprächsthemen seien trotz entspannter Stimmung von den Meldungen der vergangenen Wochen überschattet gewesen, sagte Moll. Für Erleichterung sorgte eine Aussage des Unternehmens, dass kein Beschäftigter gegen seinen Willen ZF verlassen müsse – auch nicht am Standort Schweinfurt, zitierte Moll.

Für den Betriebsratsvorsitzenden sind diese Neuigkeiten allerdings noch kein Grund zur Erleichterung. Bei den 380 Stellen, die ZF bis Ende des Jahres abbauen will, handle es sich um einen rein umsatzbedingten Stellenabbau zur Rettung der Bilanz. "Der transformative Wandel zum Elektromotor ist da noch nicht inbegriffen." Aktuell hingen noch bis zu 2000 Stellen am Verbrennermotor. 

ZF will sechs Milliarden Euro einsparen

Laut dem Schweinfurter ZF-Standortleiter Manfred Süß befinde sich die Automobilindustrie in der größten Transformation seit ihrem Bestehen. Eine schwache Konjunktur, instabile politische Rahmenbedingungen, hoher Preisdruck und ein schleppender Hochlauf der Elektromobilität zwinge die Unternehmen dazu, "besonders sorgsam mit ihren finanziellen Ressourcen umzugehen", antwortete Süß auf eine Anfrage dieser Redaktion.

Ziel sei es, die Kosten des Konzerns in 2024 und 2025 um rund sechs Milliarden Euro zu verbessern. "Dabei geht es nicht allein ums Sparen, sondern zum Beispiel auch um eine höhere Produktivität der Werke", so Süß. Die Branche und der Standort Schweinfurt würden weiterhin unter sinkenden Verkaufszahlen bei E-Autos leiden. Befristete Stellen und Verträge von Zeitarbeitern würden daher in der Division E-Mobilität aktuell nicht verlängert. "Über die Art und Weise, wie das Effizienzprogramm und die sozialverträgliche Stellenreduzierung ein Erfolg werden, wollen wir jetzt mit der Arbeitnehmervertretung sprechen", sagte Süß.

 
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  • Hiltrud Erhard
    Leider tritt genau das ein, wovor seit Monaten oder Jahren gewarnt wurde.
    Der Schluck aus der Pulle war zu groß.
    Die Kosten laufen davon.
    Das Versagen, dieser Bundesregierung und die falschen Weichenstellungen führen zu einem nie da gewesen Kollaps.
    Alles auf die Elektromobilität zu schieben, ist zu kurz gedacht. Manches funktioniert halt auf dem Land anders als in einer Stadt.
    Gestern Abend bei Lanz wurde mit einem Satz deutlich gemacht, wo wir stehen.
    Die SPD ist so eine SozialgeldEmpfängerPartei geworden und Ist keine Arbeiterpartei mehr.

    Jemand mit einem goldenen Handschlag heim zu schicken, ist der falsche Weg. Diese Menschen sind für den Arbeitsmarkt verloren. Das verstärkt zusätzlich das Facharbeiter Problem. Andererseits will ja niemand jemand aus der Fabrik einstellen.
    Es macht einfach nur traurig, was in diesem Land passiert.
    Und symptomatisch ist es, dass es nun wieder andere richten sollen und andere schuld sind.
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  • Edgar Pröschel
    Wenn man die letzten Wochen die Nachrichten aus der Region verfolgt, wäre es wohl ehr sinnvoll die Elektromobilität wieder verstärkt zu fördern um die Arbeitsplätze auch hier zu retten, da die Firmen in Vorleistung gegangen sind und die Umsätze nicht kommen.
    Bin gerade aus China zurück, da würde keiner mehr einen Verbrenner kaufen.Die E-Taxifahrt ist wieder günstig wie vor 10 Jahren, weniger Lärm und weniger Hitze in der Stadt. Autonomes fahren, kein Thema.
    Das wird auch hier alles kommen wie das Amen in der Kirche, die Frage ist nur wie lange es die ewig gestrigen es schaffe den Fortschritt zu verhindern und letztendlich die Arbeitsplätze hier abbauen. Nur Fortschritt und Innovation schafft langfristig Beschäftigung. Die Politik muss die Richtung vorgeben und konsequent verfolgen.
    Wir leben zwar mit unserem (Land-) Wirtschaftsminister und seinen Rechtsaußen unter unserem weißblauen Himmel, am Horizont scheint es aber zu scheitern.

    Ch. Pröschel
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  • Michael Lorz
    Vielen Dank für diesen tollen Kommentar. Applaus!
    Sehe ich absolut genauso: der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten, das Rad nicht zurückdrehen. Und E-Mobilität wird kommen, das gilt es zu akzeptieren.

    Wir können JETZT die nötigen Transformationsprozesse anstoßen, oder versuchen, "die guten alten Zeiten" so lange am Leben zu lassen, wie möglich.

    Das dicke Ende kommt dann halt einfach später, aber es kommt. Da bin ich mir recht sicher.
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  • Stefan Fuchs
    Ach hätt ich doch in meiner Jugend mehr gelernt, dann wäre ich am Band gelandet, oder als Staplerfahrer.
    So bin ich in einem Krankenhaus gestrandet, und schau neidvoll zu , wie unsere "Stützen unseres Wohlstands" watteweich mit 50 in den Ruhestand verabschiedet werden.

    Augen auf bei der Berufswahl!
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  • Andreas Graf
    ach ja, wie oft in den fast 35 jahren in denen ich in der industrie arbeite hab ich solche sprüche schon gehört, wie schön wir es als schitarbeiter doch haben, nix können müssen ausser knöpfli drücken, aber wenn man nachfragt warum derjenige der diese sprüche klopft nicht selbst in die industrie gegangen ist wo es doch so schön ist, dann bekommt man nur fadenscheinige ausreden.
    "am band" war ich in der zeit noch nie gestanden, aber stapler darf ich ab und zu fahren.
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  • Bernd Schuhmann
    Für die Entscheidung pro E- Mobilität zahlt in erster Linie der Arbeitnehmer am Standort.
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  • Thomas Diener
    Da hätte man das Geld für eine teure Unternehmungsberatung sicherlich sparen können .
    Außer Personalabbau bekommen die meisten nichts gebacken und dann verlassen
    sie das sinkende Schiff.
    Man sollte von einer fachlich qualifizierten Geschäftsleitung auch einmal verlangen können ,
    eigene Ideen und Konzepte zu erarbeiten . Verdienen viel Geld und außer Personalabbau
    und dafür neue Bonus zu erhalten passiert da gar nichts !
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  • Erich Spiegel
    Die IG Metall fordert jetzt wieder kräftige Lohnerhöhungen von 7%. Das passt in Boom Zeiten, nicht aber jetzt wo sich die Wirtschaft im stärksten Rückgang seit Bestehen der Bundesrepublik befindet. Eine wesentliche Ursache sind die zu hohen Energiekosten, weil das billige russische Gas fehlt. Nach jetzigem Stand wird es Jahre dauern, bis die erneuerbaren Energien ausgebaut sind und die Energeipreise in Deutschland wieder wettbewerbsfähig sind. Die Industrie braucht gewaltige Energiemengen. Das BASF Werk in Ludwigshafen z.B. soviel wie ganz Dänemark. Es wird Zeit, dass die IG Metall ihren Mitgliedern mal reinen Wein einschenkt. Besser etwas weniger Geld als dass er immer noch gut bezahlte Job in der Metallindustrie ins Ausland verlagert wird.
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  • Dietmar Eberth
    "Eine wesentliche Ursache sind die zu hohen Energiekosten"

    Nichts davon im Artikel diesbzgl. gelesen. Haben sie noch andere Quellen von ZF?
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  • Walter Seubert
    wer hat denn die erneuerbaren Energien in Bayern seit Jahren mit Erfolg verhindert. Christlich Sozial
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  • Peter Koch
    Laut Geschäftsbericht 2023 arbeiten in Deutschland 54447 Menschen für ZF. Wenn davon 12000 in 5 Jahren abgebaut werden sollen wären das 4,4% der momentan Beschäftigten pro Jahr. Das ist nicht richtig gut, aber wesentlich besser als eine Pleite.
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  • Helga Scherendorn
    @Koch, und wieder haben sie hervorragend recherchiert, haben sie eigentlich auch eigenes Wissen?
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