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Gerolzhofen
Wegen NS-Verfehlungen: Gerolzhofen ehrt Mundartdichter nicht mehr, Nikolaus-Fey-Straße wird aber nicht umbenannt
Der Stadtrat hat sich für die Variante mit einer Mahntafel entschieden, vor allem um die vielen Firmen in der Straße vor finanziellen Schäden zu bewahren.
Mehr als zwei Jahre wurde über den Straßennamen in Gerolzhofen diskutiert, jetzt hat der Stadtrat eine Entscheidung dazu getroffen. Der Name des wegen seiner aktiven Mitarbeit in der NS-Zeit umstrittenen Mundartdichters Nikolaus Fey bleibt auf dem Straßenschild. Es wird aber eine Kontextualisierung zu seinen Verfehlungen geben.
Foto: Stefan Pfister | Mehr als zwei Jahre wurde über den Straßennamen in Gerolzhofen diskutiert, jetzt hat der Stadtrat eine Entscheidung dazu getroffen.
Stefan Pfister
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:15 Uhr

Nach knapp einer Stunde und ausführlicher Diskussion stand der Beschluss des Stadtrates fest: Die nach Nikolaus Fey benannte Straße in Gerolzhofen behält ihren Namen, wird aber eine sogenannte Kontextualisierung erhalten. Seit dem Bekanntwerden der Forschungsergebnisse einer Würzburger Fachkommission Ende 2020, dass sich der in Wiesentheid geborene Heimatdichter Fey an der nationalsozialistischen Diktatur aktiv beteiligt hatte, haben bereits zahlreiche Gemeinden und Städte in Unterfranken auf deren Empfehlung reagiert, diesen Straßennamen zu ändern.

In Gerolzhofen kamen die Mitglieder am Montag in der gut besuchten Sitzung mit mehr als ein Dutzend Zuhörerinnen und Zuhörern zu einer anderen Einschätzung. Wobei sich das Gremium dem von der Verwaltung vorgelegten Vorschlag grundsätzlich anschloss. "Die Stadt Gerolzhofen distanziert sich ausdrücklich und sehr deutlich vom Wirken Nikolaus Feys: Fey hat aktiv an der Ausgestaltung nationalsozialistischer Propagandainszenierungen mitgewirkt; er hat von der NS-Herrschaft profitiert. Die Stadt Gerolzhofen ehrt Nikolaus Fey nicht mehr", heißt es dort.

Erklärendes Hinweisschild und zusätzlich ein QR-Code

Einig waren sich alle Stadtratsmitglieder dahingehend, dass ein separates Schild oder eine Hinweistafel mit einem geeigneten Text aufgestellt wird, das darauf hinweist, warum die Stadt sich von dem Straßennamensgeber distanziert. Dieses soll im Rahmen einer Veranstaltung oder eines Vortrages angebracht werden. Das Schild soll auch einen QR-Code erhalten, den Interessierte mit dem Smartphone einscannen können und der zu einer Internetseite mit weiterführenden Informationen führt.

Eine solche digitale Option, die es zum Beispiel schon in der Marktgemeinde Wiesentheid gibt, hatte zuvor der Zweite Bürgermeister Erich Servatius (SPD) angeregt. Wie der erklärende Inhalt ausgestaltet sein wird, dafür ist eine noch zu bildende Arbeitsgruppe verantwortlich. Diese hatte Günter Iff (Freie Wähler) gefordert. Der Stadtrat folgte seinem Wunsch und beauftragte den Bürgermeister und die Stadtverwaltung, dieses Gremium zu besetzen. Aus Sicht Iffs könnten diesem unter anderem Mitglieder und Kulturbeauftragte des Stadtrates, Experten oder Freiwillige angehören.

Rücksicht genommen hat der Stadtrat bei seinen Beschlüssen auf die in der Straße angesiedelten Unternehmen. 15 sind es aktuell, die sich im Vorfeld gegen eine Umbenennung und für eine Kontextualisierung ausgesprochen hatten. Einige Firmeninhaber befürchteten fünfstellige Kosten durch den bürokratischen Aufwand mit der neuen Adresse, ein Unternehmer sogar finanzielle Schäden in Millionenhöhe bei seinem Onlinegeschäft aufgrund möglicher Probleme mit Zahlungsdienstleistern.

Zur dauerhaften Mahnung und insbesondere in Verantwortung für die davon in erheblichem Maße betroffen gewesenen Unternehmen, nimmt die Stadt keine Straßenumbenennung vor, sondern eine Kontextualisierung, heißt es in einem Beschluss, dem alle Stadtratsmitglieder zustimmten.

Bürgermeister: Musterbeispiel einer demokratischen Meinungsbildung

Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU) dankte dem Stadtrat für das einstimmige Signal und lobte das sehr seröse Vorgehen. Man habe das Thema keineswegs auf die leichte Schulter genommen, sich in Gremien ausgetauscht, zweimal öffentlich diskutiert und zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Für ihn sei das Vorgehen "ein Musterbeispiel einer demokratischen Meinungsbildung".

"Für uns ist offensichtlich, dass Nikolaus Fey ein überzeugter Nationalsozialist war."
Günter Iff

Die SPD hätte gerne die Straße umbenannt, gestand Erich Servatius in seiner Wortmeldung. Das sei aber wegen der Unternehmen nicht möglich gewesen, denen man die erheblichen Kosten nicht habe aufbürden wollen. Deswegen sprachen sich die Sozialdemokraten für eine Kontextualisierung aus.

Alle Fraktionen für eine Kontextualisierung

Zu dieser Einschätzung kamen im Prinzip alle Fraktionen. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, räumte Arnulf Koch (CSU) ein. Für seine Fraktion sei es jedoch "der bessere und würdevollerer Umgang" als wenn die Straße umbenannt werden würde. Das Auslöschen des Namens wäre keine perfekte Lösung, deshalb habe man sich für einen praktikablen Umgang entschieden.

Für eine Mahntafel mit einer ausführlichen Beschreibung der Taten von Nikolaus Fey in der NS-Zeit wie in Wiesentheid (1881-1956) hat sich der Stadtrat ausgesprochen. Wann und wo sie aufgestellt wird, ist noch offen.
Foto: Thomas Obermeier | Für eine Mahntafel mit einer ausführlichen Beschreibung der Taten von Nikolaus Fey in der NS-Zeit wie in Wiesentheid (1881-1956) hat sich der Stadtrat ausgesprochen. Wann und wo sie aufgestellt wird, ist noch offen.

Gewünscht hatte Koch sich in Bezug auf die Arbeitsgruppe, dass diese nicht aus den Reihen des Stadtrates, sondern vom Bürgermeister gebildet werde, da dieser bislang sehr verantwortungsvoll mit dem Thema umgegangen sei. Aus diesem Grund stimmte er nur bei diesem Beschluss und zusammen mit drei weiteren CSU-Räten (Christian Ach, Christoph Rosentritt, Burkhard Wächter) dagegen.

"Für uns ist offensichtlich, dass Nikolaus Fey ein überzeugter Nationalsozialist war", ließ Günter Iff keine Zweifel an Feys historischer Schuld aufkommen. Er sah aber ebenfalls die Anliegen der Betriebe als Knackpunkt, warum man die Straße nicht umbenennen wolle. Im Namen der Freien Wähler forderte er kein kleines Erklärschild, sondern eine umfangreiche Erklärung zu Fey und dessen Tun in der NS-Zeit. Wichtig sei das gerade in der heutigen Zeit, in der der Populismus wieder zunehme; damals habe auch Fey dazu beigetragen, was später in offenen Antisemitismus umgeschlagen sei.

Einzig Thomas Vizl stimmte für eine Straßenumbenennung

Einzig für eine Straßenumbenennung war Thomas Vizl (Geo-Net). Seine Fraktion war deshalb nicht zu einer einheitlichen Erklärung gekommen. Bis zu seiner Teilnahme an der Demonstration gegen rechts in Schweinfurt am Samstag hatte er noch keine Entscheidung getroffen und mit sich gerungen, vor allem wegen der besonderen Situation in Gerolzhofen und finanziellen Belastung für Anwohnende und Unternehmen. Er appellierte eindringlich an alle, nicht wegzuschauen bei Menschen, die solche Tendenzen wieder vertreten. "Wir müssen die Diskussion führen, gerade für die jüngeren Leute!"

Einen solchen, sehr kurz und allgemein gehaltenen Zusatz zu Feys Wirken im Nationalsozialismus, wie hier in Bergtheim, soll es in Gerolzhofen nicht geben.
Foto: Irene Konrad | Einen solchen, sehr kurz und allgemein gehaltenen Zusatz zu Feys Wirken im Nationalsozialismus, wie hier in Bergtheim, soll es in Gerolzhofen nicht geben.

Weil es Vizl ein wichtiges Anliegen war, bat er darum, vor dem Beschluss zur Kontextualisierung zuerst über eine Umbenennung abstimmen zu lassen, was ihm der Stadtrat gewährte. Nur der Geo-net-Fraktionsvorsitzende votierte dafür. Im Hinblick auf die Mahntafel appellierte er an den Stadtrat, den Text in einer eindeutigen Sprache umzusetzen, und nicht wie zum Beispiel in der Gemeinde Bergtheim.

Einstimmig angenommen wurde allerdings eine inhaltliche Ergänzung des dann folgenden Beschlusses zur Distanzierung von Feys Wirken. Dieser weist jetzt zusätzlich auf dessen Arbeit im Generalgouvernement Polen von 1942 bis 1944 hin. "Es war eine gravierende Tätigkeit, mit der Propaganda die Kultur eines ganzen Volkes auszulöschen und die Schoa (den Holocaust, Anm.d.Red.) zu flankieren", begründete Thomas Vizl diesen Antrag.

 
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Kommentare
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  • Hans Müller
    Soweit ich richtig informiert bind sind Sie doch Stadtrat in Gerolzhofen und haben als Stadtrat ja auch zugestimmt.

    Meine Hochachtung davor.

    Doch es geht um Löschung, wer die Hälfte aus den Geschichtsbüchern streichen will braucht sich doch nicht zu wundern, dass niemand die Geschichte mehr hören will.

    Napoleon,
    Alexander der Große,
    Katharina II.,
    Mao Tse-tung,
    Stalin,
    Dschingis Kahn,
    Saddam Hussein,
    Idi Amin,
    Putin,
    Hitler,
    usw.

    Entweder die ganze Geschichte oder keine Geschichte!
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  • Georg Schulz-Hertlein
    ... Frau Kram, sie stellen in den Raum, er könne "widerwillig" in Polen propaganda zur Auslöschung polnischer Kultur gemacht haben? ....ernsthaft? ... glauben sie wirklich was sie da schreiben?... bei allem was ich in den letzten 35 Jahren zu diesem Thema umfänglich gelesen und recherchiert habe, kann ich mir das beim besten Willen absolut nicht vorstellen.
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  • Hans Müller
    Die Geschichte kann nicht umgeschrieben werden.

    Wer Ernsthaft denkt die Hälfte der Geschichte zu löschen beschwört doch erst Recht Ungerechtigkeit auf.

    Also entweder wir Steichen die Geschichte konsequent und komplett, oder wir leben mit der Geschichte!

    Ich schlage vor, die Nikolaus Frey Straße zu belassen so wie sie ist?
    Lasst die Toten ruhen!
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  • Thomas Vizl
    Es geht nicht um "löschen", sondern um konsequente Aufarbeitung. Damit sich derartige Verbrechen nicht wiederholen. Warum das sehr notwendig ist, sehen wir aktuell.
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  • Frank Widmaier
    sehr gute Entscheidung. So kann man in Zukunft 'politische Bildung' direkt vermitteln.

    Zensur und Verschweigen sind der falsche Weg.
    Danke ans Gremium für die weise Entscheidung
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  • Edith Kram
    Zunächst einmal ein großes Lob an den Stadtrat von Gerolzhofen, der eine demokratische Entscheidung getroffen hat und sich nicht hat blenden und verleiten lassen.

    Es liegt mir auch fern, die Ergebnisse "Würzburger Forscher" in Frage zustellen.
    Ungeklärt ist aber die Frage, ob Herr Fey seinerzeit damals freiwillig für die Regierung gearbeitet hat oder ob widerwillig gearbeitet hat, weil er an sein eigenes Leben und das seiner Familie gedacht hat?
    Hätte man eine Straße nach ihm benannt, wenn das Regime ihn und seine Familie ausgelöscht hätte?
    Vermutlich hätte man sich nicht einmal an ihn erinnert.

    Die Vorgänger im Stadtrat, die seinerzeit den Straßennamen vergeben haben, dürften sich sehr wohl erinnert haben.
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  • Thomas Vizl
    Das Thema "freiwillig" oder Zwang hat die Historikerkommission geklärt: Fey hat sich "willfährig" dem Nazi-Regim zur Verfügung gestellt. Er war überzeugter Nazi und hat sich nie entschuldigt oder distanziert.
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