zurück
Gerolzhofen
Diskussion um Nationalsozialist Nikolaus Fey: So denken Unternehmer in der Straße über eine Umbenennung
In Gerolzhofen wären nicht nur Privatleute von der Namensänderung der Straße betroffen, sondern auch eine Vielzahl von Firmen und Geschäften.
Die Straßennamensschilder der Nikolaus-Fey-Straße in Bergtheim wurden mit Hinweisschildern zum Mundartdichter ergänzt. Eine solche Kontextualisierung wünschen sich auch mehrere Unternehmen für die Straße in Gerolzhofen.
Foto: Irene Konrad | Die Straßennamensschilder der Nikolaus-Fey-Straße in Bergtheim wurden mit Hinweisschildern zum Mundartdichter ergänzt. Eine solche Kontextualisierung wünschen sich auch mehrere Unternehmen für die Straße in Gerolzhofen.
Stefan Pfister
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:15 Uhr

In der Nikolaus-Fey-Straße sind neben 22 Privathaushalten mindestens 14 Unternehmen plus weitere Firmen gemeldet. Diese Zahlen gab Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU) in der Stadtratssitzung im Vorjahr bekannt. Er wies darauf hin, dass die Stadt eine Verantwortung gegenüber den Unternehmen trage. Durch eine Umbenennung käme auf manche Firmen ein Schaden von mehreren zehntausend Euro zu, so Wozniak.

CSU-Stadtrat Arnulf Koch hatte seinerzeit auf eine weitere Schwierigkeit hingewiesen: Dass Firmen, die bei Internetgeschäften mit Online-Bezahldiensten zusammenarbeiten, Probleme bekommen könnten. Alle Fraktionssprecher betonten daher die Notwendigkeit, bei einem Beschluss unbedingt auch auf die Belange der Anwohner und Unternehmen zu achten.

Befragte Unternehmen sind gegen neuen Straßennamen

Die Redaktion hat einige Firmen, die in der nach Nikolaus Fey benannten Straße angesiedelt sind, zu ihrer Meinung befragt. Gerd Kirchner von der Kirchner GmbH hält nichts von einer Umbenennung. Nicht nur aus finanziellen und organisatorischen Gründen, die für seinen Holzmaschinenhandel erheblich wären. Eine erste Schätzung hätte rund 500 Änderungen ergeben. Zusätzlich sieht er Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich auf seine Firma zukommen.

Das größte Problem wird sich im Bereich Onlinehandel auftun. Laut Kirchner macht dieser 80 Prozent des Gesamtumsatzes aus, 15 der 30 Arbeitsplätze hängen daran. Weil die Zahlungsabwicklung zum größten Teil über Dienstleister wie etwa PayPal laufe, könnte bei kleinsten Abweichungen wie einem neuen Straßennamen das Geschäftskonto gesperrt werden. "Das geht Ruck-zuck, wenn Änderungen erfolgen und der Datenabgleich nicht stimmt, dann wirst du sofort gesperrt", fürchtet Kirchner.

Kirchner plädiert für eine korrekte geschichtliche Aufarbeitung, fordert aber: "Geschichte kann man nicht umschreiben. Wir sollten leben mit der Geschichte und diese nicht ausradieren." Er schlägt eine Mahntafel mit Erläuterungen zum Namensgeber vor, die am oder nahe am Straßenschild angebracht werden könnte. Er wäre auch bereit, diese zu finanzieren. Statt einer Abstimmung im Stadtrat fordert er einen Bürgerentscheid, da es alle Bürgerinnen und Bürger in Gerolzhofen betreffe.

Wunsch nach einer Mahntafel am Straßennamenschild

Auch Dieter Roede von der Rettner Abfüll- und Verpackungsservice GmbH hält es für zu kurz gedacht, nur den Namen vom Schild zu entfernen. "Wenn er verschwunden ist, denkt kein Mensch mehr darüber nach. Dann ist er einfach weg." Wie Kirchner spricht er sich für eine Informationstafel zu den Verfehlungen Feys in der NS-Zeit, eine sogenannte Kontextualisierung, aus. Das würde ihm zufolge sowohl der geschichtlichen als auch wirtschaftlichen Seite gerecht werden.

Die Nikolaus-Fey-Straße in Gerolzhofen ist keine reine Anwohnerstraße wie in anderen Kommunen. Hier haben mehr als ein Dutzend Unternehmen ihren Sitz. Sie befürchten nicht nur erhebliche finanzielle Kosten, die eine Umbenennung der Straße mit sich bringt.
Foto: Klaus Vogt | Die Nikolaus-Fey-Straße in Gerolzhofen ist keine reine Anwohnerstraße wie in anderen Kommunen. Hier haben mehr als ein Dutzend Unternehmen ihren Sitz.

Ein neuer Straßenname würde die Firma Rettner einiges kosten, er schätzt "deutlich im fünfstelligen Bereich". Erschwerend käme hinzu, dass fast alle Zertifikate erneuert werden müssten, da diese an die Adresse gebunden seien. Sollte es dazu kommen, erwartet Roede eine finanzielle Beteiligung der Stadt an allen Kosten.

Müllers Radladen würde Stadt wegen Kosten verklagen

Bernhard Müller von Müllers Radladen ist gegen eine Umbenennung der Nikolaus-Fey-Straße. Es entstünden nur Kosten und ein Bürokratie-Wust. Für ihn steht jetzt schon fest, dass er alle Rechtsmittel ausschöpfen werde, um einen dadurch entstandenen Schaden von der Stadt einzuklagen. Im Hinblick auf den Verkauf im Internet – rund 15 Prozent des Umsatzes generiert der Radladen dort – sorgt er sich ebenso wie Kirchner, dass seine Bonität bei Zahlungsdienstleistern gefährdet sein könnte.

Umfrage
Ted wird geladen, bitte warten...

Wie alle befragten Unternehmer stellt Müller die Frage in den Raum, mit welchen Namen man bei der geschichtlichen Aufarbeitung anfange und wo man damit aufhöre. Konsequenterweise müsste man dann an weitere Straßennamen und Einrichtungen in Gerolzhofen herangehen. 

Eine Kontextualisierung am Straßenschild wäre nicht nur für Müller, sondern auch für Nicole Ludwig von der Steuerberatungsgesellschaft Ludwig und Ludwig erste Wahl. Wenn jeder lesen könnte, was damals passiert sei, wäre es besser, so Ludwig. Ein Tilgen des Namens wäre für sie eher ein Wegducken: "Ich halte etwas eher im Gedächtnis, dass wir so etwas nie wieder bekommen."

Bürgermeister: Gemischtes Stimmungsbild in der Bevölkerung

Die organisatorischen Auswirkungen für ihre Gesellschaft nennt sie immens. Zum Aufwand mit tausenden Briefen käme ein finanzieller Schaden im fünfstelligen Bereich hinzu. "Wenn die Stadt umbenennt, dann soll sie sich auch darum kümmern", fordert Ludwig eine Entlastung.

Bürgermeister Wozniak hat unterdessen ein gemischtes Stimmungsbild zu diesem Thema in Gesprächen mit der Bevölkerung ausgemacht. Bislang habe es lediglich Anfragen von Bürgern und Unternehmen gegeben, die die Auswirkungen hinsichtlich einer Ummeldung beträfen, "nie wegen der NS-Thematik", sagt er in einem Gespräch mit dieser Redaktion.

Dem Vorschlag einer Kontextualisierung steht er skeptisch gegenüber. Vielleicht sähen das die Fraktionen anders. Wenn die Auswirkungen für Unternehmen in wirtschaftlicher Hinsicht erheblich wären, "dann muss man das auch würdigen", meint Wozniak.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gerolzhofen
Stefan Pfister
Bernhard Müller
Christlich Soziale Union Bayern Werneck
Das dritte Reich
Dienstleister
Müller Schweinfurt
Nikolaus Fey
PayPal
Stadt Gerolzhofen
Steuerberatungsgesellschaften
Thorsten Wozniak
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Hans Müller
    Kirchner hat recht.
    Ich zitiere:
    "Geschichte kann man nicht umschreiben. Wir sollten leben mit der Geschichte und diese nicht ausradieren."

    Wenn wir radieren, dann bitte doch die ganze Geschichte!

    Was wäre z.B. das Leiden Jesus wert, wenn wir die Römer aus den Geschichtsbücher streichen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Georg Metzger
    Mit der Kontextualisierung entsteht ein Mahnmal. Das ist gut so. Dass jetzt wirtschaftliche Gründe für diese Vorgehensweise sprechen, hilft dieser Idee zur Umsetzung. Einfach Denkmäler, Straßennamen entfernen, ist auch eine Form der Geschichtsklitterung.
    Ein Negativbeispiel hat jüngst die Diözese Essen geliefert. Als die Missbrauchstaten des Kardinal Hengsbach bekannt wurden - im kirchlichen Kreis war das schon kalter Kaffee - hat man seine Statue entfernt, obwohl die Künstlerin befürwortet hat, seine Statue als Mahnmal auf den Kopf zu stellen. Dies wäre ein starkes Zeichen für "Denk mal" gewesen. Aber die Amtskirche bevorzugt die Nichterinnerungskultur. So minimiert man eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten