Eigentlich könnten die Menschen in Bergrheinfeld zufrieden sein. Die Gemeinde liegt gut fünf Kilometer südlich von Schweinfurt, ist mit der A70 und A71 für Pendler bestens angebunden. Anders als in vielen anderen Orten der Region gibt es noch Supermärkte, Gasthöfe, Schulen, sogar ein Ärztezentrum. So normal, so idyllisch. Wären da nicht die zahlreichen Strommasten, das dichte Netz aus Leitungen, das Umspannwerk. Bergrheinfeld ist sogenannter Netzknotenpunkt. Hier soll der eine Zweig des SuedLink enden und der transportierte Gleichstrom in einem neuen Konverter in Wechselstrom umgewandelt werden. Hier soll die Fulda-Main-Leitung (P43) ankommen. Und genau das ruft seit Jahren massiven Protest hervor.
Freitagnachmittag, am Felsenhof. Die Netzbetreiber Tennet und TransnetBW haben zu einem Infotag eingeladen, wollen über den Netzausbau in der Region informieren. Und ins Gespräch kommen mit Bürgern, Landwirten, Gegnern. Bei den Bürgerinitiativen allerdings stieß das auf wenig Gegenliebe. Statt zur gemeinsamen Dialogveranstaltung entschieden sich die Trassengegner zum Protest mit Schleppern und viel Wut im Bauch. Warum aber stehen sich die beiden Seiten beim Thema SuedLink und P43 so unversöhnlich gegenüber?
Landwirt Armin Wahler steigt von seinem Traktor und sagt es den Netzbetreibern direkt ins Gesicht: "Ihr kommt daher und überplant einfach unser Land." Viele Landwirte haben deshalb Betretungsverbote auf ihren Äckern für die Vertreter von Tennet und TransnetBW ausgesprochen. Entlang des Felsenhofs stehen einige solcher Schilder. Dass die Bauern nun "massiv unter Druck gesetzt" und Strafzahlungen angedroht werden, das bringt Wahler auf die Palme. Umgekehrt bedeuten die Verbote für die Netzbetreiber weiteren Zeitverlust und Aufwand. Nirgends in Deutschland ist der Widerstand gegen die Trassen so laut wie in Bergrheinfeld.
Dann droht die Kundgebung für einen Moment zu eskalieren, als sich ein Teilnehmer der Dialogveranstaltung mit seinem Auto recht flott den Weg mitten durch die Demonstrierenden bahnen will und im Vorbeifahren einen Mann streift. Die Polizei, die den Protestzug absichert, kann die aufgebrachten Gemüter aber schnell wieder beruhigen. Für heute.
Sechs Konfliktpunkte, bei denen Netzbetreiber und Trassengegner nicht einig werden:
1. Sind SuedLink und die Fulda-Main-Leitung notwendig?
Das sagen die Trassengegner: Die Bürgerinitiativen halten die Trassen für nicht notwendig. Es seien reine Stromhandelstrassen, die Wind- und Sonnenenergiespitzen aufnehmen und in südeuropäische Länder transportieren sollen. Sie halten es für sinnvoller und preisgünstiger, in Speichertechnologien zu investieren, weil diese ohnehin gebraucht würden.
Das sagen die Netzbetreiber: Für Tennet und TransnetBW gibt es keine Zweifel an der Notwendigkeit des SuedLink und der Fulda-Main-Leitung. Beide Vorhaben seien Teil des Bundesbedarfsplans-Gesetzes und in der Netzentwicklungsplanung immer wieder bestätigt worden. Beispiel SuedLink: Die Trasse soll über 700 Kilometer Strom von der Küste Norddeutschlands in den Süden liefern. Dort klaffe nach dem Ausstieg aus der Kernenergie quasi eine Energielücke, und diese müsse ersetzt werden. Der "Löwenanteil" der Erneuerbaren Energien werde jedoch im Norden gewonnen, sagt Werner Götz, Vorsitzender der Geschäftsführung von TransnetBW. Deshalb brauche es die Transportverbindungen. Hinzu komme, dass der Strombedarf etwa durch E-Mobilität künftig weiter steigen werde – und was vor Ort produziert werden könne, "reicht nicht".
2. Ist die Versorgungssicherheit in der Region ohne Netzausbau gefährdet?
Das sagen die Trassengegner: "Die Versorgungssicherheit hängt nicht von den großen Stromtrassen ab", meint Stefan Lochmüller, der Energieexperte des Nürnberger Energieversorgers N-Ergie, sondern vom dezentralen Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dieser müsse jetzt schnell vorangehen. Dann könne sich Bayern größtenteils aus eigener Produktion versorgen.
Das sagen die Netzbetreiber: Ohne die Trassen wäre die Versorgungssicherheit gegeben – es würde allerdings noch teurer, argumentieren die Netzbetreiber. Schon jetzt müssten pro Jahr mehr als zwei Milliarden Euro als sogenannte Redispatch-Kosten aufgewendet werden, um Engpässe zu vermeiden oder zu beseitigen. Ohne Netzausbau würden diese Kosten im Zuge der Energiewende deutlich ansteigen – und letztlich die Stromkunden belasten.
3. Kann der künftige Stromverbrauch rein dezentral gedeckt werden?
Das sagen die Trassengegner: Die Bürgerinitiativen sehen gar keine andere Alternative, als den Stromverbrauch rein dezentral abzudecken, weil ohne flächendeckende Stromerzeugung, Speicher und den Ausbau der Verteilernetze die Versorgungssicherheit gar nicht gewährleistet sei. Auch Bergrheinfelds Bürgermeister Ulrich Werner sieht das so: "Wir sollten erst einmal den regionalen Ausbau vorantreiben, bevor in teure europaweite Konzepte investiert wird."
Das sagen die Netzbetreiber: Die Energiewende sei weder rein dezentral, noch allein zentral realisierbar. Nur mit SuedLink oder anderen Leitungen werde die Energiewende nicht gelingen – nötig sei vielmehr ein funktionierendes Gesamtsystem. "Es ist kein entweder oder – sondern ein sowohl als auch", sagt TransnetBW-Chef Götz. In Bayern liege der Schwerpunkt der erneuerbaren Energien auf Wind- und Photovoltaik-Anlagen. Vor allem Letztere zeigten aber: Im Sommer könnten sie den Energiebedarf gut decken, im Winter reiche es nicht.
4. Welche Folgen haben die Netzausbauprojekte für Landwirte und Bodenbesitzer?
Das sagen die Trassengegner: "Der Trassenbau trifft vor allem die Landwirte", verweist Hildegard Beyfuß von der Bürgerinitiative Wasserlosen auf den Verlust von wertvollen landwirtschaftlichen Flächen durch den Trassenbau. Viele Landwirte fürchten aufgrund der Eingriffe um ihre Existenz. Die tatsächlichen Schäden könnten aber noch gar nicht beziffert werden, weil man die konkreten Auswirkungen der Wärmeabstrahlung durch die Kabel im Boden nicht kenne. Diese würden jetzt erst von den Netzbetreibern erforscht.
Das sagen die Netzbetreiber: Der SuedLink soll als Erdkabel mit einer Spannungsebene von 525 Kilovolt verlegt werden. Das ist neu und deshalb wird der Betrieb der Kabel derzeit auf Versuchsfeldern simuliert, unter anderem in Güntersleben im Landkreis Würzburg. In diesem Jahr sei dort Sommergerste angebaut gewesen, heißt es von TransnetBW. Dabei habe die erste Auswertung "keine negativen Auswirkungen" ergeben. Allerdings laufe die Felduntersuchung noch mindestens bis 2024.
Die Fulda-Main-Leitung hingegen ist grundsätzlich als Freileitung vorgesehen. Zudem befindet sie sich erst in der Bundesfachplanung, das heißt, noch steht der finale Korridor nicht fest. Die Auswirkungen sollen aber im Rahmen des weiteren Genehmigungsprozesses untersucht werden.
5. Was kostet der Trassenbau?
Das sagen die Trassengegner: Die Bürgerinitiativen gehen aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise von 200 bis 250 Milliarden Euro für den gesamten Netzausbau aus. Das ist das Doppelte der ursprünglichen Schätzung der Netzbetreiber.
Das sagen die Netzbetreiber: Das Investitionsvolumen von SuedLink geben die Netzbetreiber mit zehn Milliarden Euro an. Bei der Fulda-Main-Leitung ist laut Tennet "zum jetzigen Zeitpunkt keine seriöse Kostenschätzung" möglich. Grundsätzlich koste aber ein Kilometer Freileitung rund drei Millionen Euro, ein Kilometer Erdkabel gut das Sechsfache.
6. Welche Folgen hat die Energiekrise für SuedLink und P43?
Das sagen die Trassengegner: Die Energiekrise bietet nach Ansicht der Bürgerinitiativen die "Riesenchance", sich durch den dezentralen Ausbau unabhängig in der Energieversorgung zu machen. Das bringe Wertschöpfung und Sicherheit vor Ort.
Das sagen die Netzbetreiber: Der Krieg in der Ukraine aber auch die Energiekrise zeigen aus Sicht der Netzbetreiber deutlich, wie wichtig Energiesicherheit ist. Dabei habe der Krieg keine direkten Auswirkungen auf den Leitungsbau. Allerdings zwinge die Energiekrise zu noch mehr Tempo bei der Energiewende – was nicht einfach umzusetzen sei. Stand heute soll der SuedLink Ende 2028 in Betrieb genommen werden, durch die Fulda-Main-Leitung könnte 2031 Strom fließen.
wenn man sich mal mit betroffenen Landwirten unterhält oder auch mit den Energiebedarfen und -produktionen anschaut... dann müssen jedem Zweifel kommen, dass das ganze Verbuddel-Projekt wirklich zielführend ist.
denn eines ist klar: Speicher sind das A und O. diese sind nötiger als Leitungen... aber wur gaben noch keine ressourcenschonende Technik... DA liegt das wahre Problem
JA ICH habe verstanden und schaue mir Energieverbräuche und -produktion seit 2021 extrem genau an.
wir haben seit 2010 auch eine 22kWp-Solaranlage. mein Fazit: das würde ich nicht mehr machen. Man legt am Ende drauf.
aber die Aussage von Baerbock war damals schon grosser Quatsch.
Wenn ich mit unserem Chef vom Elektrounternehmen rede, bekomme ich qualifiziertere Aussagen, als von der.
wer jemals einen Elektrokasten als Kind hatte, wird qualifizierter sein, als diese Dame