
Schon eine Stunde vor Beginn sind die ersten Besucherinnen und Besucher da. Das Interesse an der Podiumsdiskussion der Mediengruppe Main-Post am Dienstagabend in der Stadthalle Schweinfurt ist groß.
Wie geht es weiter mit der Krankenhausversorgung nach dem 1. Januar 2025? Diese Frage stellen sich die Menschen in der Region, seit bekannt ist, dass das Krankenhauses St. Josef zum Jahresende geschlossen wird. 800 Arbeitsplätze gehen verloren. 272 Klinikbetten verschwinden.
Menschen aus Schweinfurt sorgen sich um die Versorgung, Beschäftigte sich um ihre Zukunft
Über mögliche Lösungen diskutieren die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), die Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar (SPD), der Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und der Geschäftsführer des Leopoldina-Krankenhauses in Schweinfurt, Jürgen Winter. Als Moderatoren führen Oliver Schikora, Leiter der Main-Post-Lokalredaktion Schweinfurt und Gerolzhofen, und Redakteur Marcel Dinkel durch den Abend.
Mehr als 300 Interessierte sind gekommen: Menschen aus Stadt und Landkreis, die eine große Verbundenheit haben zu ihrem "Sepperle", wie das Josefs-Krankenhaus genannt wird. Viele Beschäftigte, die sich um ihre Zukunft sorgen. Auch Ärzte des Leopoldina-Krankenhauses, das mit der Geomed-Klinik des Landkreises in Gerolzhofen die Versorgungslücke schließen soll. Landrat Florian Töpper verfolgt vom Publikum aus die Diskussion, ebenso wie viele Stadträtinnen und Stadträte.
Nachricht von der Schließung des Krankenhauses St. Josef hat die Region erschüttert
Die Nachricht der Kongregation der Würzburger Erlöserschwestern am 23. Juli über die Schließung ihres Hauses nach 93 Jahren hat die Region erschüttert. In einem zu Beginn eingespielten Video sprechen Menschen aus Schweinfurt über ihre Sorgen und Ängste.
Stephan Stuhr (41), Physiotherapeut und Mitarbeitervertreter am St. Josef-Krankenhaus, weist darin auf die strukturellen Probleme im Gesundheitssystem hin. Als er die Politik auffordert, parteiübergreifend an Lösungen zu arbeiten, bricht im Saal Applaus aus.
Welche Antworten hat die Stadt Schweinfurt? Es gelte, den Blick nach vorne zu werfen, sagt Oberbürgermeister Sebastian Remelé. "Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, um die Versorgungslücke so klein wie möglich zu halten", sagt er. Man stehe im Dialog mit den umliegenden Kliniken in der Region, denn alleine könne das städtische Leopoldina-Krankenhaus die Versorgung künftig nicht stemmen.
Und er sichert zu, allen Mitarbeitenden des St. Josef Krankenhauses ein Jobangebot machen zu wollen. Ab Oktober gebe es eine Jobbörse, für die schon über 70 Arbeitgeber freie Stellen gemeldet hätten. Allein im Leopoldina würden 100 Mitarbeitende zusätzlich benötigt.

Jürgen Winter, Geschäftsführer des Leopoldina-Krankenhauses, spricht Klartext in Richtung von Bundespolitikerin Sabine Dittmar. "Wir erleben in Schweinfurt das Ergebnis eines kalten Strukturwandels." Das "Josefs" sei Opfer einer Politik, die darauf angelegt sei, dass möglichst viele Krankenhäuser schließen, bevor die eigentliche Reform beginnt. "Das ist schade."
Dittmar nimmt den Ball auf: "Es ist richtig, unsere Krankenhäuser sind in einer schwierigen Lage. Und genau deswegen brauchen wir die Krankenhausreform." Bis diese ins Rollen komme, laut Dittmar wird das erst 2029 der Fall sein, sei die Zeit zu überbrücken.
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach fordert von Berlin finanzielle Unterstützung in dieser Zeit, "sonst haben Krankenhäuser wie das St. Josef keine Überlebenschance". Ein Zuhörer im Saal wünscht sich eine Art Rettungsschirm, wie ihn der Bund für die Industrie aufgelegt habe. Dittmar macht ihm wenig Hoffnung. Der Bund habe schon enorme Mittel in die Hand genommen. "Uns sitzt der Rechnungshof im Nacken", sagt sie.
Trend zu Gesundheitszentren und Ambulantisierung
Die sogenannten Baby-Boomer gehen in Rente, die Gesellschaft wird immer älter. Der Versorgungsbedarf wird also mutmaßlich weiter steigen. "Braucht es dafür künftig nicht mehr anstatt weniger Krankenhäuser?", fragt Redaktionsleiter Oliver Schikora. "Die Struktur der Gesundheitsversorgung wird sich ändern", sagt Dittmar. Sie sieht einen Trend hin zu Gesundheitszentren und einer stärkeren Ambulantisierung.

Gesundheitsministerin Gerlach befürchtet eine Zentralisierung der Kliniken in Ballungszentren und warnt vor dem Wegbrechen kleiner Krankenhäuser auf dem Land. Gesundheitsversorgung müsse aber in zumutbarer Entfernung erreichbar bleiben. Sie fordert individuelle Konzepte und Geld vom Bund.
Geschäftsführer des Leopoldina-Krankenhauses in Schweinfurt sagt: "Wir schaffen das."
"Die Kommunen ächzen unter der Last der Kliniken", sagt Leopoldina-Geschäftsführer Jürgen Winter. Der ökonomische Druck sei noch nie so hoch gewesen wie jetzt. OB Remelé bestätigt das: "Wir besitzen nichts mehr." Deshalb könne die Stadt das St.-Josef-Krankenhaus nicht übernehmen. Er mache sich "riesige Sorgen, dass das ganze System erodiert".
Dittmar verweist auf die guten Jahre vor 2022, als das Leopoldina-Krankenhaus Überschüsse erwirtschaftet habe. Man könne nicht immer nur nach dem Steuerzahler rufen, sagt sie.
"Die Menschen wollen eine Lösung", sagt Redakteur Marcel Dinkel. Stephan Stuhr von der Mitarbeitervertretung des St. Josef fordert die Podiumsteilnehmer auf, einen Weg zu finden, das St. Josef nach dem Schweinfurter Modell am Leben zu erhalten und bekommt dafür Applaus. OB Remelé bedauert, dass mit dem Rückzug der Erlöserschwestern dieses Modell gescheitert sei. Die Chance, dass ein "weißer Ritter" auftaucht, sieht er als gering.

Ob nicht der Landkreis einspringen könne, fragt eine Zuhörerin. Landrat Florian Töpper ergreift spontan das Mikrofon: "Wir können es uns genauso wenig wie die Stadt leisten, der weiße Ritter zu sein." Man wolle jetzt die Geomed-Klinik stärken, um die Versorgungslücke möglichst klein zu halten.
Leopoldina-Geschäftsführer Winter versucht, der Bevölkerung die Angst zu nehmen. "Ihr traut uns zu wenig zu." Das Leopoldina sei gut aufgestellt. "Wir schaffen das."