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Schweinfurt
Krankenhaus St. Josef vor dem Aus: Gesundheitsministerin Gerlach kommt am Freitag zu Krisengespräch nach Schweinfurt
Bayerns Gesundheitsministerin spricht von einem "traurigen Beispiel" des Kliniksterbens. Bundesstaatssekretärin Sabine Dittmar sieht dagegen den Freistaat in der Pflicht.
Das Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt soll Ende 2024 wegen hoher Defizite geschlossen werden. Nun will sich Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU, rechts) um eine Lösung bemühen. Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) sieht den Freistaat ohnehin in der Pflicht.
Foto: Collage: Daniel Biscan, Daniel Peter, Irene Spiegel | Das Krankenhaus St. Josef in Schweinfurt soll Ende 2024 wegen hoher Defizite geschlossen werden. Nun will sich Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU, rechts) um eine Lösung bemühen.
Benjamin Stahl
 und  Henry Stern
 |  aktualisiert: 29.07.2024 02:36 Uhr

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) will sich persönlich um eine Lösung für das vor der Schließung stehende Krankenhaus St. Josef bemühen: An diesem Freitag werde sie in Schweinfurt mit Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), der Generaloberin der Würzburger Erlöserschwestern Schwester Monika Edinger sowie den Geschäftsführungen der Klinik wie auch des städtischen Leopoldina-Krankenhauses Gespräche führen, teilte Gerlach mit.

Das Gesundheitsministerium sei bereits im Vorfeld an Gesprächen zur Übernahme der Klinik durch das Leopoldina-Krankenhaus beteiligt gewesen, sagte Gerlach. Auch in dieser Woche habe es noch Gespräche des Ministeriums mit den beiden Klinik-Leitungen gegeben.

Übernahmegespräch gescheitert, Klinikbetreiber gibt auf

Nach einem gescheiterten Übernahmegespräch mit dem unterfränkischen Bezirkstag wegen hoher wirtschaftlicher Risiken hatte der Klinikbetreiber, die Kongregation der Würzburger Erlöserschwestern am Dienstag überraschend bekannt gegeben, das 272-Betten-Haus bis Ende 2024 zu schließen. Der Orden versucht seit zwei Jahren das Krankenhaus aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Belastung abzustoßen.

Die angekündigte Schließung bedauere sie sehr, erklärte die Ministerin. Im Interesse der Patienten und Beschäftigten gelte es nun, "rasch eine Perspektive für die weitere Sicherung der Patientenversorgung zu finden".

Gerlach: Schnell stationäre Versorgung in der Region absichern

Zusammen mit den politisch Verantwortlichen vor Ort müssten jetzt schnell Entscheidungen getroffen werden, "wie die stationäre Versorgung in der Region zukunftsfähig ausgerichtet und gesichert werden kann".

Kommt am Freitag nach Schweinfurt: Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU)
Foto: Daniel Peter (Archivbild) | Kommt am Freitag nach Schweinfurt: Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU)

Was die Schließung selbst betrifft, seien ihre Einflussmöglichkeiten jedoch begrenzt, erklärte die aus Aschaffenburg stammende CSU-Ministerin. Entscheidungen über den Betrieb, aber auch über Standort- oder Stationsschließungen träfen Krankenhausträger in eigener Verantwortung.

Gesundheitsministerin befürchtet weitere Krankenhausschließungen in Bayern

Klar sei, dass das Aus für das St. Josef-Krankenhaus nur ein "weiteres trauriges Beispiel" für ein tieferes Problem sei, sagte Gerlach: "Viele Krankenhäuser könnten in den kommenden Monaten und Jahren ihren Betrieb einstellen oder unkontrolliert in die Insolvenz rutschen, weil sie unter der Last der Betriebskostendefizite zusammenbrechen."

Für die Betriebskosten der Kliniken sei der Bund zuständig. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) höre jedoch nicht auf die Hilferufe: "Es wird vielmehr von Seiten des Bundes billigend in Kauf genommen, dass wichtige Versorgungsstrukturen zerstört werden."

Staatssekretärin Sabine Dittmar hofft auf "Lösungsoptionen"

Auch Sabine Dittmar, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, bedauert die Schließung von St. Josef: Sie halte es jedoch für "nicht nachvollziehbar", dass nun "mit dem Finger ausschließlich nach Berlin gezeigt wird und die dringend notwendige anstehende Krankenhausreform als Ursache" gesehen wird, sagte die SPD-Politikerin aus Maßbach (Lkr. Bad Kissingen).

Die wirtschaftliche Situation sei "in vielen Krankenhäusern angespannt". Im St. Josef habe es 2018 noch etwa 13.500 stationäre Fälle gegeben, 2022 nur noch rund 10.300. "Dass dies beim derzeitigen Fallpauschalen-Vergütungssystem natürlich zu erheblichen Verlusten bei den Einnahmen führt, liegt auf der Hand", sagt Dittmar. Sie hoffe, dass ein bereits initiierter Koordinierungskreis nun "Lösungsoptionen" für das Schweinfurter Krankenhaus, die Beschäftigten und die Menschen in der Region erarbeiten kann.

Sieht die Verantwortung im Freistaat: Sabine Dittmar (SPD), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.
Foto: Daniel Biscan (Archivbild) | Sieht die Verantwortung im Freistaat: Sabine Dittmar (SPD), Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.

Laut Dittmar ist es Aufgabe der Länder, "eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit stationären Leistungen sicherzustellen". Sie hätten deshalb "auch darüber zu entscheiden, welche Krankenhäuser zur Deckung des stationären Versorgungsbedarfs notwendig sind". Bei Schließungen hätten sie "entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen". Sie erwarte, dass Bayern "dieser Verantwortung endlich gerecht wird und nicht wie bisher die Kommunen und Krankenhausträger mit ihren Problemen allein lässt".

Initiative von Bürgern: Zehntausende unterzeichnen Online-Petition

Unterdessen haben Bürgerinnen und Bürger in Schweinfurt eine Online-Petition zum Erhalt von St. Josef gestartet. "Der Verlust dieses Krankenhauses würde eine schmerzhafte Belastung für unsere Gemeinschaft darstellen", schreibt Initiator Stefan Glöckner. Bis Donnerstagnachmittag hatten bereits mehr als 37.000 Menschen die Petition unterzeichnet.

 
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  • Manuela Rottmann
    Wir hatten in Bayern noch nie eine Krankenhausplanung, die diesen Namen verdient. Es gibt deshalb bei uns viele Häuser, die sich auf planbare, lukrative Eingriffe beschränken. Die flächendeckende Akutversorgung, etwa bei Herzinfarkt oder Schlaganfall, ist hingegen schon länger eher Zufall und müsste durch den Krankenhausplan sichergestellt werden. Dorthin müssten die Investitionen fließen. Sie werden aber weiter mit der Gießkanne verteilt. Frau Gerlach scheint an diesem Zustand leider nichts ändern zu wollen. Man fragt sich, warum es der bayerischen Staatsregierung so wichtig ist, die Zuständigkeit für die Krankenhausplanung zu behalten, wenn sie diese dann nicht nutzt, um eine verlässliche Versorgung festzulegen. Es wird nur auf die Kommunen und nach Berlin gezeigt. Das wird der Verantwortung des Landes nicht gerecht.
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  • Georg Metzger
    Was für ein Hühnerhaufen an Berufspolitikerinnen und – politikern. Jetzt, wo die lange bestehehdenden Finanzierungsbedingungen für die Krankenhäuser einen freigemeinnützigen Träger in die Knie gezwungen haben, brechen sie in Hektik aus. Das hilft nicht.
    Sind Sie so ahnungslos oder wollen Sie uns für dumm verkaufen?
    Die Definition und Umsetzung der Vorhalteleistung im Gesundheitswesen, sowohl im stationären wie ambulanten Bereich ist eine politische Aufgabe und da ist Grundvoraussetzung, dass man die Bevölkerung mitnimmt, was benötigen wir, was wollen wir uns in Form von Krankenkassenbeiträgen und staatlichen Mitteln leisten. Diese Mühe müssen sich die politisch Verantwortlichen unterziehen z.B. in Regionalkonferenzen, Anhörungen zur Gesundheitsversorgung
    Diesen Dialog mit der Bevölkerung und noch mehr die Konsensbildung um die Vorhalteleistungen im Gesundheitswesen fehlen. Anstelle dessen bevorzugt die kommunikationsarme Bundesregierung ungeordnete kalte Krankenhausschließungen.
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  • Hiltrud Erhard
    Frau Dittmar sagt doch selbst, dass ihr Ressort und damit auch Sie mit schuld ist an den Exodus!
    Dann plant man die nächste Reform und und und!
    In Berlin die Weichen auf das Sterben stellen und dann sollen es die Länder machen?
    Frau Dittmar, treten Sie zurück! Sie können es nicht!
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  • Gerald Effertz
    Initiative von Bürgern: Zehntausende unterzeichnen Online-Petition
    Liebe Frau Gerlach:

    soviele Bürger und Bürgerinnen sprechen sich PRO Josef aus : Das sollte der Politik Auftrag genug sein.

    "Unterdessen haben Bürgerinnen und Bürger in Schweinfurt eine Online-Petition zum Erhalt von St. Josef gestartet. "Der Verlust dieses Krankenhauses würde eine schmerzhafte Belastung für unsere Gemeinschaft darstellen", schreibt Initiator Stefan Glöckner. Bis Donnerstagnachmittag hatten bereits mehr als 37.000 Menschen die Petition unterzeichnet.
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  • Simone Full
    Das derzeitige Fallpauschal-Vergütungssystem zerstört jedes Krankenhaus....da kann schon mal mit dem Finger nach Berlin gezeigt werden...bitte nachbessern....
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  • Gerald Effertz
    Frau Gerlach & Co. Tun sie ALLES was in ihrer Macht steht das Josef zu erhalten. Stadt SW & auch die ganze Region braucht dieses Krankenhaus !!!!
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  • Hubert Endres
    Frau Gerlach übernehmen sie. Frau Dittmar kann das nicht und ist auch dazu nicht geeignet.
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  • Mathias Buttmann
    Bundespolitisch wird nun durch eine Unterfinanzierung der Betriebskosten mit Billigung der Krankenkassen ein unkontrolliertes Krankenhaussterben erzwungen, dessen dramatische Dynamik der Öffentlichkeit noch nicht bewusst ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass seit Jahren kein Bundesland ausreichend seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, die Investitionskosten der Krankenhäuser zu finanzieren. Anders als die Erlöserschwestern sind deshalb sowohl Frau Dittmar als auch Frau Gerlach direkt mitverantwortlich. Während Unikliniken und kommunale Häuser ihre Defizite aus Steuermitteln ausgeglichen bekommen und die erlösoptimierten Aktienkonzerne weniger gefährdet sind, erwischt es vor allem die Freigemeinnützigen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht ganz besonders für eine wertebasierte Medizin einstehen, so auch im Josefskrankenhaus - oft aber auch dort, wo überhaupt kein anderes Krankenhaus ist, z.B. in Neuendettelsau oder Wertheim. Wollen wir das als Gesellschaft? Was ist uns wichtig?
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  • Hubert Endres
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