
Im Oktober 2022 wandte sich Schweinfurts Oberbürgermeister in einem Schreiben, mit deutlichen Worten an die Bevölkerung. "Ich bin schockiert darüber, dass sich eine nachweisbar neonazistische Partei in Schweinfurt niederlässt", hieß es darin. "Diese Gesinnung brauchen und wollen wir in unserer Stadt nicht."
Acht Tage später fand, begleitet von einem breiten Gegenprotest, die offizielle Eröffnung eines Bürger- und Parteibüros der rechtsextremen Kleinstpartei "Der Dritte Weg" in der Hauptstraße 16 im Schweinfurter Stadtteil Oberndorf statt. Heute, über zwei Jahre später, sind die Rechtsextremisten immer noch da.
Unter vorgehaltener Hand warnten die Vertreter des Bündnis "Schweinfurt ist bunt" schon vor einem Jahr, dass allmählich ein "Gewöhnungseffekt" eintrete. Die Aktionen gegen "Der Dritte Weg" wurden zuletzt weniger. Gleichzeitig erstarkt der hiesige Ableger der Partei, der "Stützpunkt Mainfranken", durch die eigene Immobilie nachweislich.
Zehn Tage vor Heiligabend war das kleine gelbe Gebäude in der Oberndorfer Hauptstraße Schauplatz des Landesparteitages von "Der Dritte Weg". Der 2020 gegründete Landesverband Bayern, der als Nachfolgeorganisation des 2014 verbotenen "Freien Netz Süd" gilt, ist aufgeteilt in fünf sogenannte Stützpunkte. Die Behörden rechnen der Partei in Bayern um die 150 Personen zu (bundesweit 800), dem "Stützpunkt Mainfranken" etwa 30.
Einer von ihnen ist Thorsten Kokula. Der Schweinfurter wurde auf dem Landesparteitag als Nachfolger der Oberpfälzerin Jasmine Eisenhardt zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Kokula war bereits zuvor stellvertretender Landesvorsitzender (als Nachfolger des verurteilten Münchner Rechtsterroristen Karl-Heinz Statzberger) und gilt nach laut Rechtsextremismus-Experten als der große Aktivposten des "Stützpunkt Mainfranken".

Auch bundesweit ist er bereits in Erscheinung getreten, etwa als Redner beim "Arbeiterkampftag" seiner Partei am 1. Mai 2024 im thüringischen Sonneberg. Der vorgenommene Führungswechsel an der Parteispitze verdeutliche den gestiegenen Stellenwert und die hohe Bedeutung des "Stützpunkt Mainfranken" innerhalb des Landesverbandes, erklärt das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz gegenüber dieser Redaktion.
Verfassungsschutz sieht einen "Kern aus langjährigen Rechtsextremisten"
"Der Stützpunkt besteht im Kern aus langjährigen Rechtsextremisten", so der Verfassungsschutz, der auch eine Mobilisierung "jüngerer Aktivisten" durch die Gründung einer "Nationalrevolutionären Jugend" (NRJ) in Franken, beobachtet. Die Gründung der NRJ fand im Dezember 2022 im Partei- und Bürgerbüro in Oberndorf statt. Seither hielt der Parteinachwuchs dort mehrere Veranstaltungen, mit sportlichen Aktivitäten und ideologischen Schulungen, ab.
Militanz, Kampfsporttrainings, ein neonazistisches, völkisches und nationalrevolutionäres Weltbild, prägen die vom Verfassungsschutz beobachtete Kleinstpartei, die sich selbst als Avantgarde des Rechtsextremismus betrachtet. Schweinfurt ist durch das Partei- und Bürgerbüro zum Hotspot des "Dritter Weg" geworden. Die Extremisten sehen das "SW16", wie sie ihre Zentrale in Oberndorf auch nennen, als "Freiraum" und "Leuchtturm unserer Bewegung".
Neben Veranstaltungen werden dort auch scheinbar soziale Projekte, wie eine Kleiderkammer und eine Tiertafel unter dem Motto "Hilfe für Deutsche" angeboten. "Wesentlicher Teil der Strategie der Partei ist der Erwerb und der Ausbau von Immobilien", heißt es im sächsischen Verfassungsschutzbericht. In Schweinfurt ist eine Anmietung erfolgreich gelungen. Bislang gelang es den Behörden nicht, den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses mit den Rechtsextremen zu bewegen.
Stadtverwaltung versuchte die Immobilie selbst anzumieten
"Die Stadt Schweinfurt hat dem Eigentümer der Immobilie angeboten, die Räume selbst für lokale Zwecke anzumieten", erklärt die Pressestelle der Stadt auf Anfrage. Nach Informationen dieser Redaktion bewegte sich das Angebot der Stadt über dem marktüblichen Quadratmeterpreis. "Dadurch sollte dem Eigentümer eine Brücke gebaut werden, um die wirtschaftlichen Nachteile aus einem beendeten Mietvertrag auszugleichen", so die Stadt weiter. "Der Eigentümer hat dieses Angebot bedauerlicherweise ohne Begründung nicht angenommen." Seither herrsche Funkstille zwischen Stadt und Vermieter.
Den Behörden sind die Hände gebunden, wie die Staatsregierung auf eine Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Cemal Bozoglu im März 2024 erklärte: "Da es sich bei dem Objekt um eine Privatimmobilie handelt, besteht vonseiten der Behörden keine rechtliche Möglichkeit, eine Schließung zu erreichen."
Die Stadt indes versichert, die Aktionen der Kleinstpartei weiterhin "kritisch zu beobachten". "Der Dritte Weg konnte in Schweinfurt bislang keine spürbaren Akzente setzen", heißt es aus dem Rathaus. Das sieht der bayerische Verfassungsschutz allerdings anders: "Mit dem Parteibüro hat sich 'Der Dritte Weg' einen Rückzugort geschaffen, um seine rechtsextremistische Ideologie auszuleben." Ein Ende ist momentan nicht in Sicht.