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Schweinfurt
Neujahrsempfang der Stadt Schweinfurt: "Monströser Sozialstaat" und überstürzter Atomausstieg
Oberbürgermeister Sebastian Remelé fordert in seiner Rede Mut zur Veränderung und lobt die Großeltern-Generation für ihren Gründergeist.
Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé beim Neujahrsempfang der Stadt für das Jahr 2025.
Foto: Josef Lamber | Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé beim Neujahrsempfang der Stadt für das Jahr 2025.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 16.01.2025 02:37 Uhr

Es war mit gut 15 Minuten wahrscheinlich eine der kürzesten Reden bei Neujahrsempfängen der Stadt Schweinfurt in den vergangenen Jahren. Doch es war auch eine mit klaren, deutlich konservativen Botschaften von Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), die zwar mit Applaus bedacht wurde, aber auch für Stirnrunzeln sorgte.

Angesichts der für den 23. Februar terminierten Bundestagswahl erklärte Sebastian Remelé: "Der Zustand unseres Landes ist alarmierend, die Probleme türmen sich, der Weg zur Gesundung wird steinig und lang." Er verwies, gleichwohl ohne das in den vergangenen Jahren in Bayern übliche Ampel-Bashing, auf drei Entwicklungen, die er als "Fehlentscheidungen" bezeichnete. 

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Zum einen erklärte Remelé, aus seiner Sicht "funktioniert die Energiewende nicht". Den Ausstieg aus der Atomkraft, beschlossen von der schwarz-gelben Bundesregierung unter Führung der CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2011 nach der Fukushima-Katastrophe, bezeichnete Remelé als "überstürzt und von 'German Angst' getrieben." Der Ausbau der Windkraft verlaufe nur stockend und der Zubau größerer Solaranlagen stoße wegen fehlender Leitungen von Norden nach Süden an seine Grenzen. Aus seiner Wahrnehmung "ist das versprochene 'grüne Wirtschaftswunder' ausgeblieben", so der OB.

Sozialausgaben wachsen Bund, Ländern und Kommunen über den Kopf

Den Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Hartmut Berghoff, aus einem Interview mit der konservativen Tageszeitung FAZ zitierend, bezeichnete der OB den Sozialstaat "als gefräßiges Monster, dessen Appetit ständig wächst." Die Sozialausgaben auf Bundesebene betrügen schon rund die Hälfte des gesamten Haushaltes. Der "aufgeblähte Sozialstaat", so Remelé, "ist schon bald aus demografischen Gründen nicht mehr finanzierbar." Gerade der Mangel an Fach- wie Arbeitskräften behindere das Wachstum der Unternehmen massiv.

"Ebenso monströs wie der Sozialstaat ist der öffentliche Dienst expandiert", konstatierte Remelé weiter. Alleine in den Bundesministerien stieg in den vergangenen zehn Jahren (sieben unter Kanzlerin Merkel, drei unter Kanzler Scholz) die Zahl der Planstellen um 47 Prozent. Schon mehrfach hatte Remelé auch zu anderen Gelegenheiten überbordende Bürokratie und zu viele Gesetze und Vorschriften kritisiert, die kommunale Verwaltungen umsetzen müssen. So auch beim Neujahrsempfang, denn "die aus den Nähten platzenden Ministerien produzieren immer mehr Gesetze und Verordnungen, die das Leben der Bürger verkomplizieren."

Beteiligt daran sei nicht nur der Bundestag, sondern auch die EU und das Länderparlament in München, weswegen der OB eine Art "Verschnaufpause beim Erlass von Gesetzen" durch Parlamentarier forderte. Gleichwohl lägen die Ursachen für den "Bürokratisierungswahn" woanders, nämlich auch in einer steigenden Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger an den Staat, so der OB mit Verweis auf die Leiterin des Ifo-Forschungszentrums für soziale Marktwirtschaft, Sarah Necker.

Für Sebastian Remelé ist klar, dass für den Weg aus der von ihm festgestellten strukturellen Misere in Deutschland "wir alle gefordert sind". Er plädierte dafür, sich ein Beispiel an der Großelterngeneration zu nehmen, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und dem nationalsozialistischen Terrorregime innerhalb einer Generation wieder aufgebaut habe und für das Wirtschaftswunder der 1960er-Jahre verantwortlich sei. "Mitverantwortlich war eine bewundernswerte Leistungsbereitschaft, ein positives Verhältnis zu Arbeit, Fleiß, Pünktlichkeit, Bescheidenheit in eigenen Ansprüchen, Eigenverantwortlichkeit und Mut zur Veränderung", so Remelé.

Weit über 100 Gäste aus der Politik sowie den Vereinen und Institutionen der Stadt Schweinfurt waren zum Neujahrsempfang der Stadt in der Rathausdiele geladen.
Foto: Josef Lamber | Weit über 100 Gäste aus der Politik sowie den Vereinen und Institutionen der Stadt Schweinfurt waren zum Neujahrsempfang der Stadt in der Rathausdiele geladen.

Von der nächsten Bundesregierung ab Ende Februar forderte er Mut für "harte und unpopuläre Reformen", für "hohle Phrasen, leere Versprechungen und politische Kosmetik" sei kein Raum mehr.

Optimismus bezüglich der Entwicklung der Stadt Schweinfurt

Sebastian Remelé behandelte in seiner Rede nicht nur die großen Linien der Politik, sondern ging auch auf die Entwicklung in Schweinfurt ein, die sich gerade im vergangenen Jahr trotz aller Herausforderungen als positiv darstelle.

Durch den Kauf der Schießanlage am Haardtberg habe die Stadt nun alle bis 2014 von der US-Armee genutzten Flächen in ihrem Besitz. Das Leitmotiv "Wohnen, Wissen, Wirtschaft" werde vor allem in der Ledward-Kaserne, in Bellevue und am Kessler Field vorbildlich umgesetzt. Froh ist Remelé auch, dass der Kauf der Conn Barracks als große Entwicklungsfläche für Industrie und Handwerk in den kommenden sechs Monaten vonstatten gehen soll.

Auf zwei Besonderheiten ging er auch ein: Die Sanierung des Theaters verläuft nicht nur planmäßig, sondern der Kostenrahmen werde eingehalten. Keineswegs eine Selbstverständlichkeit, wenn man auf andere vergleichbare Sanierungsprojekte in der Region schaue. Lob gab es auch für das Leopoldina-Krankenhaus, das angesichts der Unsicherheiten über die Zukunft des Krankenhauses St. Josef "der Stabilitätsanker der Region Schweinfurt" in Sachen Gesundheitsvorsorge sei.

 
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Überstürzt und von Angst getrieben -

    da hat er Recht, der Herr OB.

    Was er nicht erwähnt, ist die Tatsache, dass der Atomausstieg schon vorher vertraglich festgelegt war und der Vertrag ohne Not gekündigt wurde, um dann nur wenige Monate später - "es koste was es wolle" - eine weitere radikale Kehrtwendung hinzulegen, als sich - einmal mehr - herausstellte, dass die Sorge um das mit der Kernenergienutzung verbundene Risiko berechtigt ist.

    Dass man so keine seriöse Politik machen kann, dürfte einleuchten.

    Das konservative Lager beschwert sich ja gern, dass Rot-Grün nicht mit Geld umgehen kann. Was dagegen solcher Blödsinn kostet (wie z. B. auch der Maut-Einführungs-Vertrag, als noch gar nicht feststand, ob das so überhaupt geht), davon redet dort niemand.

    Auch nicht Markus Söder, obwohl er 2011 doch die Speerspitze des Atomausstiegs geben wollte. Für wie kurz halten die eigentlich unser Gedächtnis?!
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  • Marc Stürmer
    Wir wissen doch spätestens seit Edmund Stoiber und dem Hypo-Alpe-Adria-Debakel: die CSU kann es auch nicht.
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  • E. Böhrer
    Zum Kommentar von Thomas Hemmerich:
    Ob da Speisen gereicht wurden...? Sieht für mich nicht so aus, wohl maximal Gebäck. Sie erinnern sich vielleicht daran, als es im Jahre 2003 noch im Konferenzzentrum auf der Maininsel in größerem Rahmen und tatsächlich "mit Speisen", also einem warmen Essen, stattfand.
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  • Ulrike Schneider
    @ E. Böhrer
    Im Gegenteil… es gab Vorspeisen, warme Hauptspeisen, gute Weine und Nachtisch mit Kaffee… und ja, da könnte man sparen! Aber ehrlich gesagt - es gibt Handlungsbedarf bei wichtigeren Themen.
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  • Erich Spiegel
    Danke OB Remele für die klaren Worte. Seine Partei, die CSU hat in der Vergangenheit auch nicht alles richtig gemacht. Aber OB Remele die Schuld dafür zu geben ist unfair. Der Wohlstand Deutschlands wird durch die Exporte der Industrie erwirtschaftet. Wenn man aktuell in der Main-Post liest, dass z.b. im IG -Metall Tarifgebiet Main-Tauber von 50 Betrieben nur zwei keine Kurzarbeit haben, sollte dem allerletzen klar sein, dass es nicht so weiter gehen kann. So wie in Main-Tauber sieht es leider überall in der Republik aus. Was kommt nach der Kurzarbeit? Antwort: weitere Entlassungen. Wir alle müssen aus der Komfortzone raus und Einschnitte ins soziale Netz akzeptieren. Mit Betonung auf "alle". Junge, Alte, Arbeitnehmer, Rentner, Pensionäre, Beamte, etc. Ein paar Jahre kann man noch auf Pump leben wie das Beispiel der kaputten und runter gewirtschafteten Länder in Südamerika zeigt. Heute sind die Länder pleite (z.b. Argentinien, Bolivien, etc.)
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  • Marc Stürmer
    Typisch Spiegel: weil die Industriebosse vermeidbare und fatale Fehler gemacht haben, muss nun die Allgemeinheit ran und dafür bluten. Weil: die ist ja schuld!

    Ach muss das schön sein, wenn die Weltsicht so monokausal gestrickt ist...
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  • Thomas Hemmerich
    Diese Veranstaltung, welchen Nutzen hat sie eigentlich? Es sind fast immer die gleichen Leute da, die auf Steuerkosten Getränke und Speisen gereicht bekommen. Die Stadt muss sparen, also .....warum nicht auf diese Veranstaltung im kommenden Jahr verzichten.
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  • Stefan Fuchs
    Wow, keinerlei Selbstreflexion und viele Menschen die sich gerne in der Zeitung sehen.

    Schweinfurt schafft sich ab!
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  • Hubert Endres
    Und nicht zu vergessen, der aufgeblähte EU Apparat. Auf ein Drittel reduzieren und nur als Allianz der Länder reduzieren. Spart unsinnige Gesetze und Vorschriften und viel Geld und spätere Pensionen für die vielen unnötigen und unproduktiven Beamten und Abgeordnete.
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  • Hubert Endres
    Herr Opel. Ja da haben sie vollkommen Recht. Aber auch die meisten Bundesländer - hier genügen 10 an der Zahl mit der Hälfte der Abgeordneten. Die meisten Migranten, die meisten Faulanzer, welche sich auf den Kosten der Allgemeinheit ausruhen, die niedrigsten Wochenarbeitsstunden , die höchsten Lohn - und Nebenkosten ( MWST ) usw. Es gäbe hier noch hunderte Beispiele. Doch wer traut sich, dies zu ändern ? Schröder hat es angepackt und wurde dann abgewählt, weil ein Volk nicht weiter denkt, sondern zuerst nur an sich selbst. Schade.
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  • Christian Papay
    Bei welchen Punkten der treffenden Analyse wurde von wem die Stirn gerunzelt?
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  • Horst Böhnlein
    Energiewende? Genauso wie auf Landesebene steht doch die CSU in Schweinfurt der Energiewende im wesentlichen im Wege.
    Warum wird denn keine Bürgerbeteiligung beim Ausbau der Wind- und Photovoltaik über die Stadtwerke angeboten um Geschwindigkeit aufzunehmen?
    Photovoltaik auf öffentlichen Gebäuden sind eine Seltenheit.
    Balkonkraftwerke sind bei der SWG nicht gerne gesehen, außer sie sind nicht sichtbar von außen. Die Förderung durch die Stadt wurde jetzt auch eingestellt zugunsten der Fernwärme. Diese läuft noch mit Importkohle, Klärschlamm und zukünftig mit Holzpellets. Die hochgiftigen Filterrückstände aus dem GWS werden in Thüringen in Salzstöcke eingelagert.
    Also auch nicht gerade Umweltfreundlich.
    Die Energiewende ausbremsen, von einer Renaissance der Atomkraft träumen - Zurück ins letzte Jahrtausend. - Vielen Dank CSU
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  • Johannes Metzger
    Was erwarten Sie von einer CSU , die die Bezeichnung christlich in ihrem Namen trägt, aber unchristlich daherkommt und einen Bratwurstbudenclown als Vorsitzenden hat?
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  • Erich Spiegel
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Marc Stürmer
    Ja, wer wer dann nur damals gegen den Bau von Südlink, Herr Remelé? Ach richtig: Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU)!

    Also bedanken Sie sich doch bitte bei dem dafür, dass die Leitung bis heute nicht fertig ist.
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  • Robert Grünewald
    Es ist schon erstaunlich, wie "monströs", "aufgebläht" und "gefräßig" der Herr OB unseren Staat und die Bürgerinnen und Bürger zu finden scheint. Besonders wenn er an vergangene Zeiten denkt, die er gewiss selbst in eigener Anschauung erlebt hat, fällt ihm auf, was das heutige Staatsvolk so alles nicht mehr ist. "Bewundernswerte Leistungsbereitschaft, ein positives Verhältnis zu Arbeit, Fleiß, Pünktlichkeit, Bescheidenheit in eigenen Ansprüchen, Eigenverantwortlichkeit und Mut zur Veränderung" sah er damals und scheint das bei seinen Bürgerinnen und Bürgern heutzutage zu vermissen. Es ist wohl eine gewisse Entfremdung, die hier stattgefunden hat. Anders wird man seine Äußerungen wohl nicht erklären können.

    Was die Energiewende anbelangt, so dürfte er übersehen haben, dass der MP Söder höchtselbst gesagt hat, dass Bayern bei der Energie vorne liegt. Das würde er doch nicht gesagt haben, wenn es in Bayern nicht funktionieren würde, oder?
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  • Reinhard Opel
    Zur Energiewende: mit deutschen KnowHow fliegen Raumsonden zum Jupiter und zur Sonne, deshalb sollten wir auch die Energiewende hinbekommen.

    zu den Sozialausgaben: Deutschland hat weltweit die meisten Parlamentarier, hier ist ein enormes Einsparpotential vorhanden.
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  • Erich Spiegel
    Mit dem neuen Wahlrecht wird die Zahl der Sitze auf 630 begrenzt. Zur Zeit sind es 733. Das kann man doch mal anerkennen Herr Opel oder?
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