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Schweinfurt
Neuer Chef bei SKF: Welche Zukunft hat der Standort Schweinfurt, Herr Wuttke?
Wohin entwickelt sich der Wälzlagerhersteller SKF? Der neue Deutschland-Chef erklärt, wie er die chinesische Konkurrenz einschätzt und welche Nachteile Europa hat.
Jörg Wuttke ist seit 1. März neuer Deutschland-Chef von SKF, das seinen weltweit größten Standort in Schweinfurt hat.
Foto: Fabian Gebert | Jörg Wuttke ist seit 1. März neuer Deutschland-Chef von SKF, das seinen weltweit größten Standort in Schweinfurt hat.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:40 Uhr

Seit 1. März ist Jörg Wuttke neuer Deutschland-Chef des schwedischen Wälzlagerherstellers SKF. Der 54-Jährige war zuvor Werkleiter des mit 4500 Mitarbeitenden weltweit größten SKF-Standorts in Schweinfurt. Er folgt Martin Johannsmann nach, der die Leitung der SKF Business Unit Marine übernahm. Im Gespräch erklärt Wuttke, warum er immer noch gerne in der Fabrik ist, wie wichtig deutsche Ingenieurskunst für die Zukunft der Firma ist und wie es um die Sicherheit der Arbeitsplätze steht.

Herr Wuttke, sie sind jetzt Deutschland-Chef von SKF, sitzen aber nach wie vor in Ihrem Büro in Werk 2. Gefällt Ihnen das markante SKF-Hochhaus nicht?

Jörg Wuttke (schmunzelt): Die Musik spielt in der Fabrik, deshalb bin ich lieber in der Fabrik.

Sie waren lange Werkleiter, kennen die Produktion und die Arbeiter in Schweinfurt. Was hat sich für Sie mit der neuen Verantwortung geändert?

Wuttke: Für SKF-Verhältnisse sind das nicht viele Jahre als Werkleiter. Ich war zuerst in Lüchow und dann in Schweinfurt. Ich glaube, dass es ein großer Vorteil ist, das Werk zu kennen. Denn alle Entscheidungen, die getroffen werden, haben direkten Einfluss auf die Fabrik. Wenn man diese Erfahrung mitbringt und für das Deutschland-Geschäft verantwortlich ist, kann das große Vorteile mit sich bringen.

Inflation, Fachkräftemangel, Ukrainekrieg, Energiekrise: Es wimmelt von Horrormeldungen. Was ist die größte Herausforderung für SKF in Deutschland und weltweit?

Wuttke: Für mich persönlich brauche ich nicht alle zwei, drei Jahre eine neue Krise, die Intervalle könnten durchaus länger sein. Wir haben als SKF die Corona-Pandemie gut überstanden, das muss man sagen. Es gibt zwei große Herausforderungen: CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit sowie der Einfluss durch den Ukrainekrieg. Daran haben wir ordentlich zu arbeiten. Es gab Gas- und Strompreiserhöhungen, die ich noch nie in meiner beruflichen Laufbahn erlebt habe. Man kann damit umgehen, aber die Preise hier sind immer noch dreimal so hoch wie vor der Krise. Alles, was wir verarbeiten, hat mit Stahl zu tun, der muss hergestellt werden, wofür man hohe Energiemengen braucht. Auch die Materialpreise sind unfassbar gestiegen. Die Energiepreise gehen wieder runter, die Materialpreise noch nicht. Es ist eine Herausforderung, dagegen anzukämpfen, denn wir haben dieses Problem nur in Europa, nicht in den USA und nicht in Asien. Die haben diese Sorgen nicht und damit verlieren wir massiv an Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa.

Werden auch innerhalb der SKF die europäischen Standorte kritischer gesehen?

Wuttke: Natürlich, man schaut genau, wo sich Investitionen rechnen. Europa ist zurzeit nicht der bevorzugte Standort, um massiv zu investieren.

"Wir haben dieses Problem nur in Europa, nicht in den USA und nicht in Asien."
Jürg Wuttke über hohe Energiepreise.
Wie sehr beschäftigt Sie das Werk in der Ukraine in der Schweinfurter Partnerstadt Luzk?

Wuttke: Es gibt nach wie vor tägliche Videokonferenzen. Es sind unsere Kollegen, die auch nach wie vor von uns aus Schweinfurt unterstützt werden. Die Menschen vor Ort müssen immer noch fast täglich in die Luftschutzkeller. Es ist beeindruckend, wie sie in zwei Schichten unter diesen Umständen rund 70 Prozent von dem produzieren, was sie früher produziert haben. Sie hatten russischen Stahl bezogen, den wir nicht mehr nehmen, womit sie an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Die Umstände sind immer noch ziemlich angespannt für die Kollegen.

Es gibt Unkenrufe, vor allem wegen der hohen Energiepreise sei der Industriestandort Deutschland gefährdet. Sie sind für acht Werke und 6000 Mitarbeitende verantwortlich, wie sehen Sie das Thema?

Wuttke: Wenn es von Seiten der Regierung einen vernünftigen Strompreisdeckel gibt, wäre das hilfreich. Es braucht aber einen, der uns Wettbewerbsfähigkeit bringt zu annehmbaren Konditionen.

Die Konditionen sind zum Beispiel, Arbeitsplätze zu erhalten?

Wuttke: Da ist die Frage, kann man so weit in die Zukunft schauen, ist man so stabil und sicher? Das Risiko muss man abwägen als Firma, wenn man sich auf Unterstützungsmaßnahmen der Regierung einlassen möchte.

Jörg Wuttke spricht im Interview mit dieser Redaktion über die Zukunft des SKF-Standorts in Schweinfurt, gestiegene Energiepreise und die Konkurrenz aus China.
Foto: Fabian Gebert | Jörg Wuttke spricht im Interview mit dieser Redaktion über die Zukunft des SKF-Standorts in Schweinfurt, gestiegene Energiepreise und die Konkurrenz aus China.
SKF-Chef Rickard Gustafson hat deutlich gemacht, seine Firma sei ein globaler Konzern, der dort produzieren müsse, wo die Kunden sind – zum Beispiel in China. Welche Auswirkungen hat das auf die deutschen Standorte?

Wuttke: Es war schon immer so und es muss auch so sein, denn es hat keinen Sinn, das Material um den Globus zu schicken. Es gibt viele Länder, die den ‚Local Content‘ fordern, es muss vor Ort produziert werden. So bringen sie auch Arbeit in ihr Land hinein. Wir sind schon länger auf dieser Reise. Durch die Strategie der SKF nimmt das an Fahrt auf, die Regionalisierung in Asien wird beschleunigt. Und es führt dazu, dass wir weniger Volumen am Standort produzieren können und uns deshalb auf den heimischen Markt konzentrieren und dort wettbewerbsfähig sein müssen.

Sie kennen sicher die Namen Wilhelm Höpflinger und Engelbert Fries. Wie wichtig ist das Erbe der Gründer der deutschen Sparte von SKF aus dem Jahr 1890 heute und welche Rolle spielt deutsche Ingenieurskunst?

Wuttke: Wenn das, was wir machen, komplexer ist und kein Produkt, das jeder machen kann, sondern eines, wo man sagen kann, da haben wir deutsche Ingenieurskunst, dann haben wir auch eine Daseinsberechtigung. Ich war kürzlich in China, und dort liefern wir Lager für die Bahnindustrie. Sie wollen deutsche Lager haben, weil sie sagen, es ist deutsche Qualität. Wir schauen auch nach Nachhaltigkeitsprojekten. Zum Beispiel unser Beitrag zu den Gezeitenkraftwerken, die unter Wasser fest installiert werden. Das ist auch sehr komplex, man muss ein System bauen, und da sind wir stark.

"Die Beschäftigungssicherung steht, wir wollen auch daran nicht wackeln, obwohl wir vor Herausforderungen stehen."
Jörg Wuttke über die Zukunft von SKF in Schweinfurt.
Es gibt in der Region Schweinfurt mindestens zwei chinesische Wälzlager-Hersteller, die offensiv in Konkurrenz zur deutschen Industrie gehen. Wie sehen Sie das?

Wuttke: Es ist strategisch geschickt, es so zu machen. Sie versuchen Wissen abzuziehen, wir werden das nicht aufhalten können. Es wird eine Herausforderung für uns werden, weil vieles auch schneller geht in China – der Wechsel der Produktgenerationen, die Art, wie sie produzieren.

Die Schweinfurter Fabriken sind der größte Standort innerhalb der SKF. Wird das auch in zehn Jahren so sein?

Wuttke: Wenn ich sehe, wie chinesische Fabriken wachsen, wird das eine Herausforderung. Das Wachstum der Welt ist in Asien, das Potenzial ist viel größer, dort muss man investieren. Und deshalb wird auch die Anzahl der Mitarbeiter dort wachsen.

2020 hat SKF für Schweinfurt ein "Zukunftsprogramm zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit" geschaffen mit einer Beschäftigungsgarantie bis 2026. Hat sich daran etwas geändert?

Wuttke: Die Beschäftigungssicherung steht, wir wollen auch daran nicht wackeln, obwohl wir vor Herausforderungen stehen.

In den vergangenen sieben Jahren wurden 150 Millionen Euro in den Standort Schweinfurt investiert. Wie viel investiert SKF in den nächsten Jahren?

Wuttke: Das möchte ich nicht spezifizieren. Wenn man in Asien massiv wachsen will, muss man da viel investieren. Wir haben in Europa viel in Wind investiert. Das ist aber nach wie vor die größte Herausforderung am Standort, denn die Profitabilität ist nicht so gegeben, wie wir uns das wünschen. Deswegen sind wir bewusst auf die Bremse getreten, um die getätigten Investitionen zum Laufen zu bringen. Der Wind-Markt ist nach wie vor ein Einkäufer-Markt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es ein Verkäufer-Markt wird, wenn die Regierungen in Europa es ernst meinen mit der Klima-Neutralität und das installiert wird, was prognostiziert wurde.

Der Schriftzug als Wahrzeichen: das SKF-Hochhaus in Schweinfurt.
Foto: Martina Müller | Der Schriftzug als Wahrzeichen: das SKF-Hochhaus in Schweinfurt.
Sie nehmen also Offshore-Projekte wie in der Nordsee auf europäischer Ebene wohlwollend zur Kenntnis, sind aber skeptisch, dass es umgesetzt wird?

Wuttke: Ich würde es mir wünschen, wenn es so kommt und es würde eine wichtige Rolle spielen. Aber bis jetzt wurde viel angekündigt und ich habe wenig gesehen.

SKF hat erklärt, dass bis 2030 die Fabriken CO2-neutral sein werden und bis 2050 die Wertschöpfungskette der SKF. Wo sehen Sie sich auf dem Weg?

Wuttke: In unserer Roadmap ist klar formuliert, wie wir das erreichen wollen. Wir investieren nun weitere fünf Millionen Euro in Photovoltaikanlagen in Schweinfurt auf den Fabrikdächern. Energiekrisen helfen auch manchmal, kreativ zu sein. Wir schalten ältere Anlagen aus, die sehr energieintensiv sind, und lassen andere dafür länger laufen.

"Der Austausch mit dem Betriebsrat ist im Moment richtig gut und geprägt von offener Kommunikation und gegenseitigem Verständnis."
Jörg Wuttke über die Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung.
Mit Ihrem Wechsel auf den Chefsessel kam auch die neue Arbeitsdirektorin Anna Krimmel. Wie ist die Zusammenarbeit?

Wuttke: Hervorragend, es war genau die richtige Entscheidung und wir geben uns sehr viel Energie. Wir gehen sehr transparent und offen mit allen Themen um. Wir machen regelmäßig Podcasts, wo wir auch sehr deutlich die Herausforderungen formulieren. Sehr wichtig ist uns, dass die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat gut und für beide Seiten fruchtbar ist. Das kann man nur gemeinsam machen. Der Austausch mit dem Betriebsrat ist im Moment richtig gut und geprägt von offener Kommunikation und gegenseitigem Verständnis.

Leidet SKF unter dem Fachkräftemangel oder gelingt es weiterhin, genügend qualifiziertes Personal zu finden.

Wuttke: Derzeit haben wir genügend Arbeitskräfte. Die Herausforderung ist die Alterspyramide. Wir spüren, dass sich weniger Auszubildende bewerben. Aber wir schaffen es bis jetzt, alle Positionen zu besetzen, die wir brauchen.

Ein anderes großes Thema ist derzeit künstliche Intelligenz. Wie kann ein Industriebetrieb KI nutzen?

Wuttke: Egal, was man produziert, es fallen unheimlich viele Daten an. Bei deren Analyse wird es interessant, daraus das Beste zu machen. Wie kann ich in den Wärmebehandlungsöfen zum Beispiel das Optimum herausholen, damit die Ringe so rund werden, dass sie keine Ovalität haben? Da würde KI helfen, das beste Programm zu entwickeln. Gerade in wiederholenden Tätigkeiten und bei der Zustandsüberwachung wird einiges passieren.

Schwedische Kugellager Fabrik (SKF)

Die schwedischen Kugellagerfabriken, kurz SKF, wurden 1907 von Sven Winquist, einem schwedischen Ingenieur, gegründet. Schnell wuchs man zu einem weltweiten Unternehmen. Die erste Fabrik wurde im schwedischen Göteborg gebaut, wo auch heute noch der Hauptsitz ist. Von 1929 bis 1953 hieß die SKF in Deutschland Vereinigte Kugellagerfabriken AG (VKF), der Hauptsitz war in Schweinfurt.
Schon 1890 hatten Wilhelm Höpflinger und Engelbert Fries in Schweinfurt die Deutsche Gussstahlkugelfabrik Fries und Höpflinger AG gegründet. 1929 kaufte die schwedische SKF die Firma und fusionierte sie mit fünf Konkurrenten, unter anderem auch der Wälzlagerabteilung von Fichtel & Sachs, zu den Vereinigten Kugellagerfabriken AG. Seit 1953 firmiert man unter dem Namen SKF.
Das Unternehmen hat heute weltweit rund 45.000 Mitarbeitende, ist in 130 Ländern mit 15 Technologiezentren und 103 Produktionsstandorten am Markt. Es erwirtschaftet knapp acht Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. In Deutschland beschäftigt die SKF Gruppe rund 6000 Mitarbeiter. Der Hauptsitz und größte Standort mit rund 4000 Mitarbeitern ist Schweinfurt.
Quelle: skf/swt
 
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