Jeden zweiten Tag fahren die SKF-Lastwagen in die Ukraine. Vollgepackt mit Hilfsgütern. Bisher wurden schon über 400 Paletten mit Waren aus vielen verschiedenen europäischen SKF-Standorten ins Werk nach Lutsk gebracht. Alle helfen, alle spenden: Deutschland, Österreich, Spanien, Portugal, Schweden, Frankreich, Belgien, die Niederlande, die Türkei und das Vereinigte Königreich. Besonders groß ist die Hilfsbereitschaft bei SKF in Schweinfurt. Denn in Lutsk steht das Schwesternwerk, das Kegel-und Zylinderrollen für Schweinfurt produziert und das vom hiesigen Standort aus geführt wird.
Gleich nach dem Einmarsch der russischen Truppen im Februar hatte es eine Solidaritäts-Demonstration der SKF-Angestellten in Schweinfurt gegeben. 3000 Beschäftigte am Standort in Schweinfurt legten eine Schweigeminute ein und warben in einer Erklärung für Frieden.
Transportbrücke von Schweinfurt nach Lutsk
Man wollte es aber nicht nur bei Solidarität und Mitgefühl belassen, sondern konkret Hilfe für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine organisieren. Der Konzern hat inzwischen eine übergeordnete Hilfsorganisation aufgebaut, die von den SKF-Werken in Polen und Warschau koordiniert wird. Von Schweinfurt aus gibt es eine direkte Transportbrücke. Im zweitägigen Rhythmus kommen hier Lieferungen aus Lutsk für das Werk in der Gunnar-Wester-Straße an. Auf dem Rückweg nehmen die Lastwagen dann hier gesammelte Hilfsgüter mit in die Ukraine.
"Die Solidarität in der Belegschaft ist groß", sagt Holger Laschka, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei SKF. Anfangs wurden vor allem Sachspenden bei der Werkfeuerwehr abgegeben, die vor Ort die Hilfstransporte koordiniert. Inzwischen schickt das Werk in Lutsk regelmäßig eine Liste, was im Moment benötigt wird. Derzeit ist es vor allem medizinisches Material, zum Beispiel Binden, Kompressen, Pflaster, blutstillende Mittel. Am Mittwoch verpackte Feuerwehrmann Maximilian Loeber kistenweise Abbindematerial, das in die Lastwagen nach Lutsk verladen wurde.
Längst werden nicht mehr nur die Werksangehörigen versorgt, die SKF-Lieferungen gehen an die gesamte Zivilbevölkerung. "Wir versorgen von Schweinfurt aus auch ein Kinderkrankenhaus", sagt Holger Laschka.
Geldspenden werden über den Verein "Von uns für uns" abgewickelt
Finanziert werden die Hilfsgüter aus Spenden der Schweinfurter SKF-Belegschaft, ein "großer Batzen" komme aber auch vom Unternehmen selbst. Laut Laschka wurden bis jetzt Hilfsgüter im Wert von 100.000 Euro nach Lutsk gebracht. Abgewickelt werden die Geldspenden über den Verein "Von uns für uns", der einst bei SKF Schweinfurt für in Not geratene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gegründet wurde.
Auf Vorschlag von Betriebsratsvorsitzendem Norbert Völkl hat das Unternehmen nun auch die Möglichkeit geschaffen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Mai und Juni Überstunden aus ihrem Zeitkonto spenden können. SKF wandelt die gespendeten Stunden in Geld um, so dass sich das Spendenkonto weiter füllt. "Bis jetzt wurden über 1400 Stunden von 107 Personen gespendet", sagt Holger Laschka. Quer durch die Belegschaft, vom Schichtarbeiter bis zum Angestellten. Das Spendenkonto sei dadurch um 60.000 Euro angewachsen.
SKF-Länderchefs stehen im täglichen Austausch
Als der Krieg begann startete SKF auch ein Resettlement-Hilfsprogramm für die SKF-Mitarbeitenden oder deren Verwandten in Lutsk. Nach Firmenangaben haben rund 120 ukrainische Staatsbürger, die die Grenze nach Polen überquert haben, Unterstützung erhalten beim Transport und bei der Vermittlung einer Unterkunft. Einige von ihnen würden jetzt wieder in die Ukraine zurückkehren.
Nach wie vor stehen auch die beiden SKF-Länderchefs im täglichen Austausch. In der 210.000-Einwohner-Stadt im Nordwesten der Ukraine gibt es aktuell zwar keine Kampfhandlungen, doch Bogdan Volchok, der Leiter des SKF-Werks in Lutsk, berichtet Martin Johannsmann, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung in Schweinfurt, regelmäßig von Luftalarmen. Lutsk war zu Beginn des Krieges angegriffen worden. Das russische Militär hatte den Militärflughafen und ein Öldepot bombadiert.
In den ersten Kriegstagen war die Produktion gestoppt worden, inzwischen arbeiten die 1200 Beschäftigten wieder im Zwei-Schicht-Betrieb. Die psychische Belastung aufgrund der ständigen Bombenalarme sei jedoch enorm, sagt Holger Laschka. Immer wieder müsse die Produktion unterbrochen und der firmeneigene Schutzbunker aufgesucht werden. Dieser fasst 2500 Menschen und steht auch der Zivilbevölkerung zur Verfügung.
Auch die Stadt Schweinfurt will helfen und strebt nun eine Solidaritäts-Partnerschaft mit Lutsk an. Dies gab Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) in der jüngsten Stadtratssitzung bekannt. Den Kontakt nach Lutsk haben seitens SKF Arbeitsdirektor Harald Speck und CFO Thomas Burkardt hergestellt. Bei der Stadt habe das Projekt maßgeblich Pressereferentin Nike Carr vorangetrieben, so Holger Laschka, der als SKF-Pressesprecher und Fraktionssprecher der Grünen alle Handelnden zusammenbrachte.