Es sind stürmische Zeiten für die Linken in Schweinfurt. Nachdem Sahra Wagenknecht zusammen mit neun Unterstützern – darunter auch der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst – am Montagmorgen ihren Austritt und die Gründung einer neuen Partei angekündigt hat, droht die Linke jetzt auch in Schweinfurt auseinander zu brechen.
Klaus Ernst und seine Kollegen im Stadtrat bescherten der Schweinfurter Linken in den vergangenen Wahlen regelmäßig bayernweite Spitzenergebnisse. Im Stadtrat, wo die Partei mit drei Mitgliedern vertreten ist, würde sich eine Abspaltung auch auf die dortige Fraktion und deren Arbeit auswirken. Im Landkreis könnte die Partei gar gänzlich aus dem Kreistag verschwinden.
Frank Hertel, Vorsitzender des Linken-Kreisverbands
Frank Hertel, Vorsitzender des Linken-Kreisverbands Schweinfurt, macht keinen Hehl daraus, dass sich der Riss bis in den Kreisverband zieht. Die Ergebnisse der vergangenen Wahlen haben gezeigt, dass es der Partei zuletzt nicht mehr gelungen sei, ihre Kernwählerschaft zu erreichen. Auch vor Ort möchte Hertel es deshalb nicht ausschließen, dass es zu Übertritten zum neuen Bündnis Sahra Wagenknecht kommen könnte.
"Es ist bei uns in der Diskussion", sagt Hertel auch im Hinblick auf seine eigene Zukunft im Gespräch mit der Redaktion. "Es ist nicht unmöglich, dass ich wechseln werde. Die Nähe zu Frau Wagenknecht ist da." Zum jetzigen Zeitpunkt sei aber noch nichts sicher. Vorerst wolle er sich die laufende Entwicklung anschauen, um dann zu entscheiden. "Ich bin jetzt seit zehn Jahren in der Partei. Es wäre schade, wenn das zugrunde geht. Aber es geht um die Inhalte und darum, dass wir soziale Politik in Deutschland durchsetzen und die Umverteilung von oben nach unten wieder mehr in den Vordergrund kommt."
Rober Striesow, Schweinfurter Stadtrat
Eigentlich wolle er sich gar nicht zur Wagenknecht-Abspaltung äußern. Auch der Redaktion teilte Robert Striesow das mit. In einem längeren Facebook-Beitrag zeigt sich der Schweinfurter Stadtrat am Dienstagmorgen aber verärgert – vor allem über den Umgang der Linken mit der aktuellen Situation.
Er befürchtet demnach eine Austrittswelle, die durch scharfe Drohungen gegenüber Wechselwilligen sogar noch befeuert werden könne. Grundsätzlich bemängelt er die Fehlerkultur in der Linken: "Leider schafft es die Partei nicht, Wahlniederlagen anständig zu analysieren."
Striesow sei froh, in Schweinfurt in einer Fraktion zu arbeiten, in der Fehler gemacht werden dürften und wo konstruktiv zusammengearbeitet werde. Eine klare Aussage dazu, ob er selbst in Linken-Fraktion und Partei verbleibt, vermied der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Stadtrat. Der Redaktion schrieb er: "Sobald für mich als Stadtrat klar ist, wie es in Schweinfurt weiter geht, dann werde ich es verlauten lassen."
Andrea Greber, Schweinfurter Stadträtin
"Für mich als Stadträtin ist es so, dass ich natürlich nicht aus der Linken austrete", betont Andrea Greber. Für sie ist es auch eine Verpflichtung gegenüber den Wählerinnen und Wählern, die nicht nur sie als Person, sondern auch als Mitglied der Partei die Linke gewählt hätten. Ein Austritt komme für sie daher nicht infrage: "Das würde den Wählerwillen ad absurdum führen."
Wie es insgesamt mit Partei und Fraktion vor Ort weitergeht? "Keine Ahnung", sagt die Schweinfurter Stadträtin. "Vieles von dem, was Sahra Wagenknecht sagt, entspricht dem Parteiprogramm der Linke", ist Greber überzeugt. Sie sei jetzt vor allem "ernüchtert", weil offensichtlich nicht die richtigen Schlüsse daraus gezogen worden seien.
Agnes Conrad, Wolfgang Gutgesell und Frank Firsching
Ähnlich sieht das auch die Co-Vorsitzende des Linke-Kreisverbands, Agnes Conrad. "Die Linke hat von allen deutschen Parteien das stärkste Programm, was die soziale Gerechtigkeit angeht." Die politische Arbeit des Kreisverbands in Schweinfurt habe sich immer an den Werten orientiert, auf denen die Linke aufgebaut sei. "Ich sehe mit unseren Inhalten und Schwerpunkten in keinster Weise den Bedarf, die Partei zu wechseln oder einem Bündnis beizutreten", schreibt Conrad.
Deutlich unentschlossener gibt man sich dagegen in anderen Teilen der Kreis- und Stadtratsfraktion der Linken. Wolfgang Gutgesell, Kreistagsabgeordneter der Linken im Landkreis Schweinfurt, zeigt sich enttäuscht über die aktuelle Situation. Seiner Ansicht nach tragen beide eine Schuld an der Misere. "Die Führung der Linken und Sahra hätten die Abspaltung mit allen Mitteln verhindern müssen." Er sei daher zum jetzigen Zeitpunkt hin- und hergerissen.
Auch Frank Firsching, Fraktionsvorsitzender der Linken im Stadtrat, erklärt auf Nachfrage, sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern zu können, "da meine Überlegungen noch nicht abgeschlossen sind", so Firsching. Ende letzten Jahres hatte Firsching seine Mitgliedschaft bei den Linken im Gespräch mit dieser Redaktion noch bekräftigt.
es ist auch immer wieder witzig, dass Gutgesell es nicht verknusen kann, wenn man auf diesen Umstand der eigenen Geschichte hinweist. Meinungsfreiheit gilt bei ihm nicht. *g* nunja... Linke halt
Auch das Stoppen der Überwachung durch den Verfassungsschutz war ein Fehler. Ergebnis sieht man jetzt.
Sollte die Partei endlich eine Randnotiz in Geschichtsbüchern werden, wäre das ein weiterer Schritt zur Normalität und Hinter-sich-lassens der DDR-Geschichte.