Die Linke verliert mehr und mehr an politischem Einfluss: Auf 1,5 Prozent Gesamtstimmenanteil kam die Partei bei der Landtagswahl in Bayern, in Unterfranken waren es 1,7 Prozent. Und selbst in Schweinfurt, wo die Linke in guten Zeiten, etwa bei der Bundestagswahl 2009, ein zweistelliges Ergebnis schaffte, erzielte man diesmal gerade mal 1,9 Prozent.
Ein Hauptgrund für das desaströse Abschneiden ist der Streit um Sahra Wagenknecht. Viele in der Partei wollen die populäre Bundestagsabgeordnete lieber heute als morgen loswerden. Der unterfränkische Landtagskandidat und Miltenberger Kreisrat Andreas Adrian gehört zu den 58 Unterzeichnern eines Antrags an die Landesschiedskommission des Landesverbands Nordrhein-Westfalen, Wagenknecht rasch auszuschließen.
Einerseits störe ihn, dass Wagenknecht bei wichtigen Themen, etwa in der Flüchtlingspolitik oder zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, eine andere Position als die Mehrheit der Linken vertrete, sagt Adrian. "Dabei gibt es eindeutige Parteitagsbeschlüsse."
Viel entscheidender sei, dass Wagenknecht aktuell immer noch auf Ressourcen der Linken zurückgreife, "obwohl sie eine neue, eigene Partei gründen möchte". Dies sei "extrem parteischädigend", so der 24 Jahre alte Miltenberger Kreisrat.
Viele Linke-Anhänger wählten in Unterfranken diesmal die AfD
Differenzierter bewertet Frank Hertel die Lage. Der 51-Jährige kandidierte bei der Landtagswahl in Schweinfurt, er führte zudem die Unterfranken-Liste der Linken an. "Ja, der Streit um Sahra hat uns massiv Stimmen gekostet", räumt Hertel ein.
Viele einstige Sympathisanten hätten an den Infoständen tatsächlich angekündigt, "diesmal wählen wir AfD". Selbst Gewerkschaftsmitglieder seien darunter gewesen, "dabei will diese Partei die Rechte der Gewerkschaften beschneiden".
Mit Schuldzuweisungen an Wagenknecht ist Hertel gleichwohl nicht so eindeutig wie Adrian. Aus seiner Sicht hat die Abgeordnete sehr wohl einen Punkt, wenn sie ihrer Partei vorwirft, sie kümmere sich viel zu sehr um Identitätsthemen wie Geschlechtergerechtigkeit und zu wenig um die Nöte der abhängig Beschäftigten.
Frank Hertel will eine schnelle Entscheidung zu Wagenknecht-Ausschluss bei der Linken
So argumentiert auch der Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst, der jahrelang Garant für die guten Schweinfurter Linken-Ergebnisse war, nun aber als erster Unterstützer Wagenknechts gilt, wenn diese die Gründung ihrer neuen Partei wahrmacht.
Ob die beiden auch auf Hertel als Mitstreiter setzen können? Da hält sich der Schweinfurter, der vor zehn Jahren der Linken beigetreten ist, noch bedeckt. "Ich rede ungern über ungelegte Eier", sagt der 51-Jährige. Er wolle sich zunächst mal das Programm der neuen Partei anschauen, um sich anschließend zu positionieren.
Hertel ist zwar dagegen, Wagenknecht aus der Partei auszuschließen. Gleichwohl mahnt er eine schnelle Entscheidung über ihre Zukunft an. "Sonst wird es noch schlimmer mit dem Rechtsruck hierzulande."
Linken-Kreisrat Adrian wünscht ich offensivere Linke
Der Miltenberger Kreisrat Andreas Adrian tickt da anders. Für ihn wäre Wagenknechts Partei keine Alternative. Wer versuche, durch eine restriktive Flüchtlingspolitik Stimmen am rechten Rand zu fischen, sei kein Linker. "Für mich gibt es keinen linken Nationalismus. Links sein bedeutet, international solidarisch zu sein."
Grundsätzlich schlössen sich Identitätsthemen und der Kampf für Arbeitnehmerrechte nicht aus, ist der Kreisrat überzeugt. Er wünscht sich allerdings eine Linkspartei, die sich "viel offensiver als bisher" als Alternative im Parteienspektrum präsentiert.
"Wenn die SPD die Forderung nach zwölf Euro Mindestlohn plakatiert, dürfen wir nicht 13 Euro verlangen, sondern lieber gleich 15." Außerdem plädiere er dafür, die Wirtschaft stärker zu "demokratisieren", beispielsweise durch die Vergesellschaftung von Schlüsselindustrien oder auch Wohnungsunternehmen.