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Schweinfurt/Bad Neustadt
"Müssen über freiwillige Leistungen reden": Bezirkstagspräsident warnt vor Folgen des Stellenabbaus in Unterfranken
Unternehmen in der Krise, weniger Steuereinnahmen für Kommunen, kein Geld für Soziales: Stefan Funk ist in Sorge, dass Infrastruktur und Daseinsvorsorge leiden. Was tun?
Stefan Funk (CSU) ist seit Oktober 2023 neuer unterfränkischer Bezirkstagspräsident. Im Interview warnt er vor sozialen Einschnitten aufgrund der Wirtschaftsflaute.
Foto: Heiko Becker | Stefan Funk (CSU) ist seit Oktober 2023 neuer unterfränkischer Bezirkstagspräsident. Im Interview warnt er vor sozialen Einschnitten aufgrund der Wirtschaftsflaute.
Andreas Jungbauer
 |  aktualisiert: 26.06.2024 02:53 Uhr

Schlechte Auftragslage, Kurzarbeit, Stellenabbau: Die Hiobsbotschaften aus unterfränkischen Unternehmen häufen sich. Betroffen sind aktuell unter anderem Preh und Valeo in Bad Neustadt/Saale und Ebern, ZF, SKF, Bosch Rexroth und Schaeffler in Schweinfurt sowie Joyson in Aschaffenburg. Für den unterfränkischen Bezirkstagspräsidenten Stefan Funk (CSU) sind dies alarmierende Nachrichten. Was er befürchtet, sagt der 63-jährige CSU-Politiker im Interview.

Herr Funk, was bewegt Sie, wenn Sie vom Stellenabbau in der Region hören?

Stefan Funk: Ich sehe die finanziellen Folgen einer solchen Wirtschaftskrise für die betroffenen Gemeinden. Ihnen gehen Gewerbesteuer und Einkommenssteuer verloren. Als Fraktionsvorsitzender im Schweinfurter Stadtrat erlebe ich die massiven Auswirkungen hautnah. Und betroffen ist ja nicht nur der jeweilige Firmenstandort. Die Arbeitskräfte leben in der ganzen Region.

Denken Sie nur an Einnahmeausfälle bei den Kommunen oder auch an die betroffenen Familien?

Funk: Natürlich trifft ein Arbeitsplatzverlust zuallererst die Mitarbeiter und ihre Familien. Sie verlieren Einkommen, brauchen Transferleistungen. Viele haben ein Haus gebaut oder anderweitig investiert. Ich sehe aber auch die sozial Schwachen, für die wir als Bezirk zuständig sind. Vieles konnten wir in den vergangenen Jahren nur leisten, weil die Wirtschaft gut gelaufen ist.

Sie haben Angst um die Sozialausgaben? Davor, dass bedingt durch die Wirtschaftskrise Geld für Soziales fehlt?

Funk: Definitiv. Ich habe Sorge, dass wir die freiwilligen Leistungen nicht im bisherigen Umfang fortführen können und wir uns auf Schwerpunkte konzentrieren müssen. 

Wo würde gespart? Wo müsste gespart werden?

Funk: Etwa bei Fahrdiensten, Eingliederungshilfen oder anderen Leistungen sozialer Teilhabe werden wir prüfen müssen, was tatsächlich Pflichtaufgaben sind und was wir uns darüber hinaus noch leisten können. Auch die Kliniken des Bezirks sind freiwillige Aufgaben. Wenn ihr Betrieb nicht mehr kostendeckend ist, könnte sie der Bezirkstag infrage stellen. Ein dauerhaftes Defizit müssten die neun Landkreise und drei kreisfreien Städte in Unterfranken über ihre Bezirksumlage mitfinanzieren. Das Geld würde ihnen für eigene Aufgaben fehlen.

"Vieles konnten wir in den vergangenen Jahren nur leisten, weil die Wirtschaft gut gelaufen ist."
Stefan Funk, Bezirkstagspräsident für Unterfranken, über freiwillige soziale Leistungen
Der Bezirk könnte sich das fehlende Geld über die Umlage von Städten und Landkreisen holen, oder?

Funk: Das ist nicht mein Selbstverständnis. Ich nehme die kommunale Familie von den Gemeinden bis zum Bezirk ernst, und wir sollten Lösungen immer im Dialog finden. Es kann nicht sein, dass wir Politik nach Kassenlage machen und wichtige Aufgabe wie die medizinische Versorgung vernachlässigen. Die Kommunen müssen in der Lage sein, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen.

Haben die Gemeinden überhaupt eine Möglichkeit, die Ausfälle bei Gewerbe- und Einkommenssteuer zu kompensieren?

Funk: Über die staatlichen Schlüsselzuweisungen findet – zeitversetzt in zwei Jahren – ein gewisser Ausgleich statt. Aber natürlich werden sich betroffene Gemeinden sehr genau überlegen, was sie sich noch leisten können. Neustadt hat per Bürgerentscheid ein Kulturzentrum abgelehnt. In Kolitzheim im Landkreis Schweinfurt wurde aufgrund der angespannten Finanzlage der Neubau der Schule zurückgestellt. Also die Gefahr, dass Infrastruktur und Daseinsvorsorge leiden, ist sehr real. Deshalb bereiten mir die Wirtschaftskrise und der Stellenabbau so große Sorgen. Selbst gut situierte Gemeinden in Unterfranken haben mittlerweile Probleme, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.

Gemeinden, Kreise, Bezirk - was meinen Sie mit einem "konzertierten Vorgehen" der drei kommunalen Ebenen?

Funk: Wir müssen über freiwillige Leistungen reden. Auf Null können wir sie nicht zurückfahren, sonst gehen in den Kommunen viele Lichter aus. Vereine tragen zum Leben in der Bürgerschaft bei. Aber wenn Geld fehlt, müssen wir über das Mögliche und Schwerpunkte reden. Vielleicht müssen wir auch an Standards ran, in Absprache mit der Staatsregierung. Beispiel Ganztagsbetreuung: Ja, aber brauchen wir dafür unbedingt extra Räume? Oder der Umbau von Pflegeheimen, weil Mindestgrößen bei Zimmern oder neue Standards bei Nasszellen vorgeschrieben werden? Hier sollten wir unvoreingenommen prüfen, was wirklich nötig und bezahlbar ist.

"Vielleicht müssen wir auch an Standards ran."
Stefan Funk über Sparmöglichkeiten bei Aufgaben des Bezirks
Treten Sie auch persönlich in Kontakt mit den Firmen, um Arbeitsplätze zu erhalten?

Funk: Ich habe einen guten Draht zur Wirtschaft, aber früher war das einfacher: Da haben die Vorstände der Unternehmen noch am Ort gewohnt, haben am kulturellen Leben teilgenommen, Entscheidungen sind hier gefallen. Das ist heute anders. Entscheidungen fallen für die ZF in Friedrichshafen, für Schaeffler in Herzogenaurach und für SKF in Göteborg. Das direkte Gespräch ist da schwierig. Wir müssen insgesamt die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft wieder so machen, dass die Unternehmen hier bleiben.

Das ist der Appell an die Wirtschaftspolitik. Was sagen Sie den Unternehmen?

Funk: Sie sollen Vertrauen in den Standort Unterfranken haben. Hier ist es attraktiv, die Lebenshaltungskosten sind deutlich geringer als anderswo – man findet leichter gute Fachkräfte, was heutzutage ein extrem wichtiger Faktor ist.

 
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  • Reinhard Opel
    einfach Krass: auf der einen Seite haben wir einen großen Investitionsstau von mehreren 100 Mrd Euro (Brücken, Straßen, Kitas, Schule , Altenheime) und auf der anderen Seiten hat sich das Vermögen der reichsten Deutschen in den letzten Jahrzehnten unglaublich erhöht.
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  • Ulrike Schupp
    Schade, dass in dem Artikel nicht erklärt wird, was freiwillige Aufgaben sind und was nicht. Ich hätte zum Beispiel nicht vermutet, dass die Kliniken eine freiwillige Aufgabe sind.
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  • Andreas Graf
    wichtig ist doch das an den bezügen des bezirkstagspräsidenten nicht gekürzt wird.
    er konnte sich ja vor kurzem über eine bescheidene erhöhung seiner bezüge freuen.
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  • Manfred Kleinwechter
    Tiefer Hintersinn: die "Reichen" könnten auch etwas abgeben. Ich behaupte, die merken es noch nicht mal
    Gisela Kleinwechter
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  • Michael Appel
    Mann könnte die in Not gekommenen Familien noch länger und intensiver helfen wenn man die unnötigen Sozialleistungen , Bürgergeld, Asylleitung ( soziale Hängematte) ..., aufs nötigste kürzen würde.
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  • Manfred Kleinwechter
    Sie mögen recht haben. Aber wer definiert "das Nötigste"?
    Gisela Kleinwechter
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  • Manfred Kleinwechter
    Herr Funk beschreibt die Situation sehr genau. Auch ich bin unter anderem der Meinung, daß freiwillige Leistungen immer wieder neu hinterfragt werden.
    Gisela Kleinwechter
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