
Als Zeichen für "Demokratie, Freiheit und Respekt" gehen seit einigen Wochen in ganz Deutschland jedes Wochenende mehrere zehntausend Menschen zu Kundgebungen. Anlass war eine Berichterstattung des Recherchenetzwerkes Correctiv über ein Treffen in Potsdam, bei dem Vertreter der Identitären Bewegung, der AfD und der Werteunion über das Thema "Remigration" von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland sprachen. Der Protest dagegen ist bisher nicht abgeebbt.
Auch in der Region Schweinfurt gab es Kundgebungen unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt": am 27. Januar in Schweinfurt mit 6500 Teilnehmenden, am 3. Februar in Gerolzhofen mit 600 und am 17. Februar in Gochsheim mit 800. Immer mit dabei unter anderem Landrat Florian Töpper (SPD), Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU), ihr SPD-Kollege Markus Hümpfer sowie der Grünen-Landtagsabgeordnete Paul Knoblach. Bisher bei keiner Kundgebung war gleichwohl die im Oktober neu in den Landtag gewählte CSU-Abgeordnete Martina Gießübel.
Auf Nachfrage erklärt ihr Büroleiter Heinrich Wullhorst, Gießübel habe "wegen dienstlicher und privater Verpflichtungen nicht an den Veranstaltungen teilnehmen können." Sie schließe aber nicht aus, "wenn es ihre Terminlage erlaubt", an künftigen Kundgebungen zum Beispiel von "Schweinfurt ist bunt" teilzunehmen.
Kürzlich verabschiedete der Schweinfurter Stadtrat die vom Deutschen Städtetag ins Leben gerufene "Trierer Erklärung", ein Plädoyer für Demokratie, Toleranz und Vielfalt. Diese Entscheidung begrüßt auch die CSU-Abgeordnete Gießübel. Es gebe "keinen Grund, sich einer solchen Erklärung nicht anzuschließen", betont ihr Büroleiter und fügt an: "Zur Sicherung des Rechtsstaates ist es erforderlich, gegen jede Form von Extremismus die Stimme zu erheben. Das gilt für den Extremismus von rechts wie den von links und den religiösen Extremismus."
Differenzierte Haltung von Martina Gießübel zu den Kundgebungen
Die Antwort auf die Frage, wie Martina Gießübel grundsätzlich zu den Kundgebungen "Nie wieder ist jetzt" und den dort Teilnehmenden aus allen Bevölkerungsgruppen steht, fällt differenziert aus. Wullhorst stellt klar, dass sie die in Potsdam diskutierte Remigration "selbstverständlich verurteilt".
Gießübel halte es auch für "ein positives Zeichen, wenn Menschen ihre demokratischen Rechte wahrnehmen und ihre Positionen auch bei Demonstrationen bekennen. Das Anliegen, den Rechtsstaat zu bewahren, ist sicherlich zu begrüßen." Aus ihrer Sicht sei es aber schwierig, "wenn bei sogenannten 'Demonstrationen gegen rechts', alles, was nicht dem linken Flügel zuzuordnen ist, in eine rechte Ecke gestellt wird."
Eine Gemeinsamkeit aller drei Kundgebungen bisher war, dass sich hier das gesamte politische Spektrum mit Ausnahme der AfD zusammenfand, um für Demokratie und Menschenrechte einzustehen – also von der Linken bis zur CSU. Von Seiten der Veranstalter wurden dabei bei keiner Kundgebung entsprechende Bemerkungen gemacht, der Slogan "Gegen rechts" immer so verstanden, dass man sich gegen rechtsextreme Positionen, wie man sie unter anderem bei der AfD in den neuen Bundesländern feststellt, wendet.
Verständnis für Positionen der Würzburger CSU-Abgeordneten Andrea Behr
In Würzburg hatte vor einigen Wochen die Ascherdonnerstags-Rede der dortigen CSU-Landtagsabgeordneten Andrea Behr für Kritik gesorgt. Sie hatte die Kundgebungen kritisch gesehen. Auf Nachfrage erklärte Büroleiter Wullhorst: "Frau Gießübel distanziert sich, wie Frau Behr, vom Extremismus jeglicher Couleur. Sie kann verstehen, wenn keine Bereitschaft besteht, an der Seite von linksextremistischen Gruppierungen zu demonstrieren."

Das Bündnis "Schweinfurt ist bunt" als Plattform für Austausch und Diskussion hält Martina Gießübel für wichtig. Sie weist in ihrer schriftlichen Antwort auf die Fragen unserer Redaktion darauf hin, dass sie den Fokus auf Aktionen gegen Rechtsextremismus für zu einseitig hält: "Hier wäre es notwendig, linksextremistische Umtriebe oder Aktionen von religiösen Extremisten ebenso auf die Agenda zu setzen. Unser Staat wird durch jede Form von Extremismus bedroht. Davor sollten die Demokraten, unabhängig welcher Couleur sie sind, nicht die Augen verschließen."
Im 2010 gegründeten Bündnis "Schweinfurt ist bunt" sind 75 Organisationen zusammengeschlossen, unter anderem auch die CSU Schweinfurt. Für seine Arbeit wurde das Bündnis mit dem Würzburger Friedenspreis ausgezeichnet. In einem Gespräch mit dieser Zeitung zum zehnten Geburtstag 2020 sagte der damalige Vorsitzende Frank Firsching über die Ziele: "Wir wollen, dass wir in Schweinfurt friedlich mit allen Menschen zusammenleben und dabei unsere Werte beachten und den Respekt voreinander nicht verlieren." Er betonte, es sei klar, dass "'Schweinfurt ist bunt' durch die Breite des Bündnisses Gewalt ablehnt, egal, wer die verübt. Wir schützen das Grundgesetz gegen alle Angriffe, egal woher sie kommen."