Im Januar veröffentlichte die Redaktionsgemeinschaft Correctiv eine Recherche zu einem Treffen Rechtsextremer der Identitären Bewegung in einem Hotel in Potsdam, an dem auch Politikerinnen und Politiker von AfD, CDU und Werteunion teilnahmen. Ein Thema dabei: Die vom aus Österreich stammenden Rechtsextremen Martin Sellner vertretenen Thesen zu einer Remigration aller Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland weg, unabhängig davon, ob sie einen deutschen Pass haben. Eine Ideologie, gegen die sich seit Wochen zehntausende Menschen bei Kundgebungen verwahren.
In der Region Schweinfurt gab es drei Kundgebungen unter dem Motto "Nie wieder ist jetzt", in denen für den Erhalt der Demokratie in der auf dem Grundgesetz basierenden Form eingetreten wurde. Am 27. Januar kamen in Schweinfurt gut 6500 Menschen, am 3. Februar in Gerolzhofen 600 und am 17. Februar in Gochsheim 800.
Nun setzte der Schweinfurter Stadtrat ein klares Zeichen. Er unterstützt die sogenannte "Trierer Erklärung" des Deutschen Städtetages. Der Antrag, den die Fraktionsvorsitzenden von CSU, SPD, Grünen, Freien Wählern, Linke, proschweinfurt, Zukunft./ödp und FDP gemeinsam bei Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) einreichten, lautete, diese Erklärung zu unterstützen. Der OB betonte, er und die Verwaltung schlössen sich der Erklärung ausdrücklich an.
Wie lautet die Trierer Erklärung des Deutschen Städtetages?
SPD-Co-Fraktionsvorsitzende Marietta Eder freute sich über das starke gemeinsame Zeichen des Stadtrates und die Unterstützung "aller demokratischen Gruppen." Sie verlas auch die Erklärung im Wortlaut. Sie lautet: "Das jüngst bekannt gewordene Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der Identitären Bewegung und die dort diskutierte Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland hat uns alle schockiert. Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren."
Weiter heißt es: "In unseren Städten leben Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen – als Nachbarinnen und Nachbarn, als Kolleginnen und Kollegen, als Freundinnen und Freunde, als Familie. Das ist die Lebensrealität in unseren Stadtgesellschaften. Das macht unsere Städte aus. Unsere Städte gehören allen Menschen, die hier leben. Wir akzeptieren nicht, dass Bürgerinnen und Bürger, dass Familien, dass sogar Kinder in unseren Städten Angst davor haben müssen, von hier vertrieben zu werden."
Um die Demokratie in der Bundesrepublik geht es in dieser Passage: "Unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Bewertungen politischer Themen, auch unterschiedliche Positionen zur Migrations- und Asylpolitik sind Teil unserer Demokratie. Demokratie braucht Auseinandersetzung, Demokratinnen und Demokraten müssen auch Streit aushalten und Widerspruch akzeptieren. Was wir nicht akzeptieren, ist, wenn der Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenlebens angegriffen wird: die Würde des Menschen."
Die Erklärung schließt mit folgendem Absatz: "Menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat müssen immer wieder neu verteidigt werden. Eine wehrhafte Demokratie lebt von einer aktiven und wachen Zivilgesellschaft vor Ort. Das haben Zehntausende Menschen in den vergangenen Tagen in unseren Städten deutlich gemacht. Die Menschen, die aktuell gemeinsam auf die Straßen gehen, um Farbe zu bekennen für Demokratie und Menschenwürde, senden ein klares Signal der Solidarität – und gegen die Spaltung unserer Stadtgesellschaften."
Was kritisierte der Schweinfurter AfD-Landtagsabgeordnete Richard Graupner?
Kritik an dem Antrag gab es vom Fraktionsvorsitzenden der Schweinfurter AfD und Landtagsabgeordneten Richard Graupner. Die Erklärung "ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht", befand er. Seine Ausführungen wurden immer wieder von Unmutsbekundungen der anderen acht Gruppen und Fraktionen unterbrochen.
Aus seiner Sicht sei die Recherche von Correctiv "in sich zusammengebrochen", so Graupner mit Verweis auf verschiedene Berichterstattungen unter anderem der Berliner Zeitung und Gerichtsverfahren, bei denen sich Betroffene, über die berichtet wurde, gegen die Berichterstattung verwahrten. Graupner sprach von einer "Kampagne" gegen seine Partei und einer "unbegründeten Hysteriewelle". Er argumentierte ähnlich wie die AfD-Parteispitze, deren Co-Vorsitzende Alice Weidel sich unter anderem auf X wie Graupner äußerte.
Aus Graupners Sicht ist die "Trierer Erklärung" das "Festschreiben eines gewünschten Narratives". Seiner Darstellung, Correctiv habe mehrere Gerichtsprozesse verloren, widerspricht die Darstellung der Rechercheplattform selbst, aus der hervorgeht, man habe unter anderem in dem Rechtsstreit gegen Ulrich Vosgerau, einem der Teilnehmer des Potsdamer Treffens, "weitgehend gewonnen."
Bei der Abstimmung stimmten alle anwesenden Stadtratsmitglieder von CSU, SPD, Grünen, Freien Wähler, Linken, proschweinfurt, Zukunft./ödp und FDP für die "Trierer Erklärung" sowie AfD-Stadträtin Daniela Mahler. Dagegen stimmten die AfD-Stadträte Richard Graupner und Sebastian Madeiski.