Die Kühltürme am stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (Lkr. Schweinfurt) sind Geschichte: Am 16. August, um 19.56 Uhr, gab die Thüringer Sprengmeisterin Ulrike Matthes das Signal. Innerhalb von knapp 30 Sekunden fielen die beiden 143 Meter hohen Kühltürme wie Kartenhäuser in sich zusammen. "Es war eine perfekte Sprengung, es ist alles nach Plan gelaufen", so Matthes.
Rund 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauer waren laut Polizei rund um das Kernkraftwerk und auf der anderen Main-Seite und verfolgten das Spektakel; dazu kamen mehrere tausend Menschen auf den Anhöhen und Äckern in der Gegend. Auf der Bundesstraße 19 bei Werneck sowie auf der Autobahn 70 nahe Schweinfurt kam es während der Sprengung zu Behinderungen.
Für viele Menschen vor Ort war das Fallen der Türme und die große Staubwolke ein bewegender Moment: "Ich hatte Gänsehaut und war richtig ergriffen", sagte eine Frau, auch Grafenrheinfelds Bürgermeister Christian Keller hatte "gemischte Gefühle. Es war eine Landmarke und vor allem ein Teil einer langen, erfolgreichen Geschichte für Grafenrheinfeld".
Kühlturmsprengung in Grafenrheinfeld war ein politischer Wunsch aus der Region
Die emotionale Verbindung konnte man nicht nur am Tag der Sprengung beobachten, sondern sowohl davor, als viele Menschen noch einmal ein letztes Bild von den Türmen machten, als auch am Tag danach, als viele Schaulustige sich die Szenerie der niedergelegten Türme vor Ort anschauten.
Dass die Kühltürme jetzt gesprengt wurden, hatte laut Betreiber Preussen Elektra keinen technischen Grund, auf den Rückbau bezogen. Vielmehr war es ein Wunsch der örtlichen Politik, insbesondere von Schweinfurts Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und Landrat Florian Töpper (SPD), wie dieser bestätigte.
"Es ist ein bedeutender Tag im seit langem anhaltenden Rückbauprozess", so Töpper, der die Sprengung als Signal an die Bevölkerung verstanden wissen wollte, dass es mit dem Rückbau des Kernkraftwerks vorangehe.
Pro-Atomkraft-Aktivist verzögerte die Sprengung in Grafenrheinfeld
Verzögert wurde die Sprengung durch einen Pro-Atomkraft-Aktivisten, der eine halbe Stunde vor der für ursprünglich 18.30 Uhr angesetzten Sprengung auf einen Strommast außerhalb des Kraftwerksgeländes kletterte. Er wurde nach rund einer Stunde von der Polizei vom Mast geholt und in Gewahrsam genommen, kam aber am Abend wieder frei.
Nach Recherchen dieser Redaktion gibt es Verbindungen zwischen dem 36 Jahre alten Mann und dem Pro-Atomkraft-Verein Nuklearia e.V. Die Ermittlungen laufen laut Polizei, auch dazu, wie es ihm gelingen konnte, rund drei Stunden unentdeckt im Sperrbereich zu sein.
Rückbau des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld geht schon seit Montagmorgen weiter
Durch die Sprengung sind laut Betreiber Preussen Elektra rund 55.000 Tonnen Bauschutt entstanden, der größte Teil Beton. Der Betonbruch wird in den nächsten Monaten aufbereitet und rund zwei Drittel davon zum Verfüllen der sogenannten Kühlturmtassen verwendet. Die Fläche der ehemaligen Kühltürme wird später als Lager für diverse Materialien aus dem Rückbau des Kernkraftwerkes verwendet.
Dieser, so Anlagenleiter Bernd Kaiser, konnte bereits am Montagmorgen wie geplant weitergehen. Mittlerweile ist auch der Reaktordruckbehälter im Inneren des Kernkraftwerkes zerlegt. Die Brennstäbe wurden schon vor Jahren entfernt und in Castoren gelagert.
Mit dem bis Mitte der 2030er-Jahre geplanten Rückbau des Kernkraftwerkes ist das Thema Atomkraft für die Region Schweinfurt aber nicht beendet. Denn derzeit lagern in 54 Castoren in speziell gesicherten Hallen hoch radioaktive Abfälle. "Die große Frage des Endlagers ist in Deutschland nach wie vor ungeklärt", betont Landrat Florian Töpper (SPD) und fordert in diesem Zusammenhang Bund und die Länder auf, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger eine schnelle Lösung zu finden.