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Grafenrheinfeld
Aktivist verzögert Sprengung der Kühltürme in Grafenrheinfeld: Was waren seine Ziele?
Rund eineinhalb Stunden später als geplant wurden die Kühltürme am Kernkraftwerk Grafenrheinfeld gesprengt. Wer ist der Aktivist, der auf den Strommast kletterte?
Mehrere tausend Zuschauerinnen und Zuschauer beobachteten die Sprengung der Kühltürme am stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld am 16. August. Sie hatte sich wegen einer Aktion eines Pro-Atomkraft-Aktivisten um rund eineinhalb Stunden verzögert.
Foto: René Ruprecht | Mehrere tausend Zuschauerinnen und Zuschauer beobachteten die Sprengung der Kühltürme am stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld am 16. August.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 22.08.2024 02:42 Uhr

Die Stimmung unter den gut 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauern rund um das stillgelegte Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld am Spätnachmittag des 16. August ist prächtig. Doch eine halbe Stunde vor der für 18.30 Uhr angesetzten Sprengung der beiden 143 Meter hohen Kühltürme kommt auf einmal Unruhe auf. Ein Polizeihubschrauber kreist über den Türmen, Feuerwehrfahrzeuge, darunter eines mit Drehleiter, sowie Rettungsdienst fahren mit Blaulicht Richtung Kernkraftwerk.

Es dauert eine Weile, bis klar ist, was passiert ist: Ein Aktivist aus der Pro-Atomkraft-Szene hat sich gut drei Stunden unbemerkt mitten im Sperrbereich aufgehalten und war kurz vor der Sprengung auf einen Strommast in der Nähe der Kühltürme geklettert. Er weigert sich, vom Mast zu klettern und wird schließlich nach gut einer Stunde von der Polizei mit einem Hubwagen des Kernkraftwerks aus acht Metern Höhe befreit. Doch wer ist der Mann, der die Sprengung um knapp eineinhalb Stunden verzögert hat und was sind seine Ziele?

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Foto und ein Interview auf umstrittener Internet-Plattform Nius zu sehen

Kurz nach Beginn der Protestaktion veröffentlichte die umstrittene Internet-Plattform Nius ein Foto, das den Aktivisten mit Helm und Klettergeschirr auf dem Mast in acht Meter Höhe zeigt. Die Echtheit des Fotos kann bestätigt werden. Nius, die Plattform des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt, gab an, mit dem Mann gesprochen zu haben. Er soll gesagt haben: "Das ist ein Protest gegen den Atomausstieg und die sinnlose Zerstörung der Kraftwerke." Zwar sei das AKW schon weit zurückgebaut, aber seiner Meinung nach sei es günstiger, Grafenrheinfeld wieder ans Netz zu bringen, "als neue Kraftwerke zu bauen".

Nach Recherchen dieser Redaktion handelt es sich bei dem Aktivisten um den 36 Jahre alten Andreas F., der mutmaßlich aus Bretten in Baden-Württemberg stammt. Auf seinen Social-Media-Profilen ist zu lesen, er habe unter anderem am Helmholtz-Zentrum in Dresden gearbeitet. Eine Anfrage zu seinen Zielen beantwortete der Mann nicht.

Bernd Kaiser, Anlagenleiter des Kernkraftwerks, war bei der Einsatzleitung der Polizei und sprach mit dem Mann, als er seine Protestaktion gestartet hatte. Er habe von ihm gefordert, dass das Kernkraftwerk wieder hochgefahren werde, so Kaiser. Technisch ist das unmöglich. Kaiser erklärte, "jegliche Diskussion mit ihm war nicht zielführend".

Hinweise zeigen eine Verbindung des Aktivisten mit dem Verein Nuklearia e.V.

Die Recherchen zeigen, dass es eine Verbindung zwischen Aktivisten und dem Pro-Atomkraft-Verein Nuklearia e.V. gibt, der 2013 in Dortmund gegründet wurde. Unter anderem ist der Mann auf einem Gruppenfoto des Vereins auf dessen Facebook-Seite zu sehen, wie er mit mehreren anderen Vereinsmitgliedern Banner in die Höhe hält. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass er auf verschiedenen Kundgebungen pro Atomkraft mit dabei und als einer von zwei Vertretern von Nuklearia bei der Weltklimakonferenz "Cop28" in Dubai vor Ort war.

Unter den Schaulustigen am Tag der Sprengung waren auch Aktivisten des Vereins Nuklearia e.V., die für ein Wiederanfahren der deutschen Atomkraftwerke eintreten.
Foto: Anand Anders | Unter den Schaulustigen am Tag der Sprengung waren auch Aktivisten des Vereins Nuklearia e.V., die für ein Wiederanfahren der deutschen Atomkraftwerke eintreten.

Auf Bildern ist er dort zu sehen, außerdem steht er auf einer Rednerliste einer Veranstaltung der "Cop28", dort wird er als "Environmental Nuclear Chemist and Advocate" bezeichnet, also als Aktivist und Umwelt-Kern-Chemiker. Die entsprechenden Unterlagen liegen der Redaktion vor.

Eine Vertreterin des Vereins Nuklearia e.V. bestätigte auf Anfrage der Redaktion, dass Andreas F. Mitglied des Vereins sei. Weiter heißt es: "Wir waren von der Besetzung des Strommasts überrascht. Die Aktion passte aber inhaltlich zu unserer Forderung, dass der Rückbau der deutschen Kernkraftwerke gestoppt werden soll."

Fotoserie

Das Polizeipräsidium Unterfranken bestätigte den Namen des Mannes und die Hintergründe mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. In einer Mitteilung der Polizei heißt es: "Durch die Handlungen des 36-jährigen Mannes besteht der Anfangsverdacht der Nötigung, des Hausfriedensbruchs und eines Verstoßes gegen die Allgemeinverfügung. Die Polizeiinspektion Schweinfurt führt in dieser Sache die Ermittlungen und legt nach deren Abschluss die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft zur Prüfung und weiteren Entscheidung vor." Der Mann sei nach der Sprengung der Kühltürme und nach Beendigung aller notwendigen Maßnahmen aus dem polizeilichen Gewahrsam entlassen worden, so die Polizei.

Landrat Florian Töpper betonte in Bezug auf die Störaktion: "Da steckt kriminelle Energie dahinter." Er sei froh, dass der Aktivist keinen Erfolg hatte. Jeder dürfe seine Meinung natürlich kundtun, aber nicht in diesem Rahmen. Unklar ist derzeit, in welcher Form Andreas F. nicht nur strafrechtlich, sondern auch finanziell haftbar gemacht wird. Die Polizei wie Preussen Elektra prüfen, ob durch den Rettungseinsatz und die Verzögerung ein finanzieller Schaden entstanden ist und wie dieser geltend gemacht werden kann.

Nuklearia e.V. mit Video-Projektion auf die Kühltürme am 9. August

Eine Gruppe des Vereins Nuklearia hatte am Abend des 9. August eine genehmigte Projektion auf die da noch stehenden Kühltürme verwirklicht und für  die Produktion von 333 Milliarden Kilowattstunden, aus Sicht des Vereins, klimafreundlichen Stroms gedankt. Auch am Tag der Sprengung waren Aktivisten von Nuklearia vor Ort.

Der Verein besteht seit 2013 mit Sitz in Dortmund. Er hat rund 600 Mitglieder und finanziert sich nach eigenen Angaben über Mitgliedsbeiträge. Vorläufer war eine Arbeitsgemeinschaft der Piratenpartei. Der Verein organisierte in den vergangenen Jahren mehrere Protestaktionen und agiert als Lobbyist pro Atomkraft.

Die Videoprojektion des Vereins Nuklearia eine Woche vor der Sprengung der Kühltürme des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld.
Foto: Steffen Krapf | Die Videoprojektion des Vereins Nuklearia eine Woche vor der Sprengung der Kühltürme des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld.

Der Vorsitzende und Gründer des Vereins, Rainer Klute, steht nach Medienberichten unter anderem im "Spiegel" in der Kritik, da er im Dezember 2020 ein Gutachten in Zusammenhang mit einem Antrag der AfD-Fraktion im Landtag in Nordrhein-Westfalen mit dem Titel "EEG Kartell endlich beenden, Verbraucher und Unternehmen entlasten!" verfasste. In diesem Gutachten, das der Redaktion vorliegt, argumentiert Klute pro Atomkraft und verweist ausdrücklich darauf, er stehe nicht der AfD nahe und schreibe als "sachkundiger Bürger". Auf der Internetseite von Nuklearia e.V. gibt es darüber hinaus einen Anfang August 2020 veröffentlichten "Unvereinbarkeitsbeschluss" des Vereins in Bezug auf die AfD.

Um 19.56 Uhr war es am Freitag dann doch so weit, die Türme wurden gesprengt. Nachdem Sprengmeisterin Ulrike Matthes von der mit der Sprengung beauftragten Thüringer Sprenggesellschaft die Zündung der Sprengladungen eingeleitet hatte, dauerte es nicht einmal eine Minute, bis die beiden Türme in einer großen, weithin sichtbaren Staubwolke in sich zusammenfielen.

 
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  • Helga Scherendorn
    Aktivist?
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  • Daniel Spannbauer
    Aktivist!
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Das war doch eigentlich nicht viel anderes, als dass er sich an einer Straße festgeklebt hätte.
    Werden Er und sein Verein Nuklaria jetzt auch als kriminelle Vereinigung geführt?
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  • Dietmar Eberth
    In Bayern auf jeden Fall.
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  • Daniel Spannbauer
    Das war keine Aktion der Nuklearia (wie aus dem Artikel hervor geht)
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  • Peter Koch
    Wo hat der Aktivist denn am Helmholtz-Zentrum in Dresden gearbeitet? In der Forschung oder bei der Fussbodenpflege?
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  • Daniel Spannbauer
    Lt. Profil Nuklear-Chemie.
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  • Christoph Pfeuffer
    Ich hoffe, dieses Subjekt wird mit aller Härte bestraft, zumal sollte der Verfassungsschutz den Verein Nuklearia mal genauestens unter die Lupe nehmen. Die Leute von der Letzten Generation werden ja auch mit voller Härte bestraft, obwohl deren Gebaren wenigstens Sinn ergibt.
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  • Daniel Spannbauer
    Wieso so garstig? Kam jemand zu Schaden?
    Davon ab: es war lt. Artikel keine Aktion der Nuklearia.
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  • Jürgen Huller
    Dass da irgend so ein Heini wegen einer Sprengung zweier Kühltürme aufs Gelände kommt, die sowieso schon seit neun Jahren außer Betrieb sind- geschenkt!

    Viel wichtiger ist doch die Frage, wie es jemand schafft, trotz an diesem Tag sicherlich erhöhter Aufmerksamkeit der Wachdienste, überhaupt aufs Gelände zu kommen, auf dem jede Menge radioaktives Material gelagert ist? Wie einfach wäre es gewesen an einem anderen Tag aufs Gelände zu kommen?

    Wie einfach wäre es für eine gut organisierte terroristische Organisation, Material für eine schmutzige Bombe zu entwenden?

    Das sind doch die wichtigen Fragen!

    Da würde mich mal ein Statement unseres Innenministers interessieren, wie sicher unsere Atomlager sind.
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  • Peter Koch
    Die Zwischenendlager sind mindestens so gut abgesichert wie die Flughäfen. Betrieben werden diese Lager nicht etwa vom Staat sondern von der BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH. Für wenn was passiert hat diese GmbH immerhin ein Eigenkapital von etwa 3 Millionen Euro.
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  • Dietmar Eberth
    "Die Zwischenendlager sind mindestens so gut abgesichert wie die Flughäfen."

    Da sollte man sich aber ernsthaft Gedanken machen wenn da alle 2 Wochen jugendliche Klimaaktivsten ganz einfach unbemerkt auf das Rollfeld kommen. Noch besser könnte man nicht auf Sicherheitslücken aufmerksam machen.
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  • Arnold Friedrich
    Vorher wissen Sie das er auf dem direkten Gelände des Kraftwerks war? Außerhalb des Sperrzaum mit Stacheldraht und Kameras stehen jede Menge Strommasten die bei der Sprengung im Sperrbereich lagen, aber sonst immer frei zugänglich sind.
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  • Philipp Markert
    Er war doch nicht auf dem KKG Gelände. Sondern auf einem Strommast der daneben auf einem Acker stand. In etwa 100m Luftlinie zu den Türmen. Trotzdem innerhalb des Sperrbereichs.

    Die Polizei hat den angrenzenden Wald zuvor durchkämmt. Aber auch der Helikopter mit Wärmebildkamera hat hier versagt.
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  • Peter Koch
    Mit der Wärmebildkamera war ein nur 37C warmer Mensch in der Hitze des Nachmittags auch kaum auffindbar.
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  • Philipp Markert
    Im Wald hat es bei weitem keine 37 Grad.
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  • Daniel Spannbauer
    Artikel gelesen? Er war nicht auf dem Gelände. Er war nur im Sperrbereich für die Sprenung.
    Erzählen Sie uns bitte noch, wie jemand Material für eine Schmutzige Bombe entwenden soll?
    Wegen uninfirmierten Leuten wie Ihnen sind wir doch in der Lage, in der wir uns befinden....
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  • Franz Schröter
    Wieso umstrittene Internetplattfporm NIUS?
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  • Thomas Voll
    Weil NIUS kein Männchen vor dieser Untergangsregierung macht und als Gesinnungsgehilfen agiert.
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  • Walter Stöckl-Manger
    Weil NIUS ebenso umstritten IST wie der saubere 'Journalist' Julian Reichelt.

    Ziele hatte dieser Clown auf dem Mast sicher keine oder er hat da gerade nach einem ausreichend lange sicherem Endlager 'geforscht'...

    Aber, wenn er nach Dubai fliegen kann, zahlt er die zu erwartenden Strafen etc. sicher mit links. Vielleicht legt der liebe Julian auch nochmal was fürs Exklusivinterview drauf.
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