Letzte Chance, von einem wohlvertrauten Anblick Abschied zu nehmen. Viele Menschen nutzten am vergangenen Freitagabend die Gelegenheit, um die Sprengung der Kühltürme des ehemaligen Atomkraftwerks Grafenrheinfeld vor Ort mitzuerleben. Die Sprengung ist ein Teil des AKW-Rückbaus, der bis 2035 dauern und 1,1 Milliarden Euro kosten soll.
Das Ereignis hat historischen Charakter, denn fast fünf Jahrzehnte lang prägten die 143 Meter hohen Bauwerke die Ansicht des Maintals südlich von Schweinfurt. Erst einmal zuvor waren Kühltürme eines stillgelegten Atomkraftwerks in Deutschland per Explosion eingelegt worden: am 14. Mai 2020 in Philippsburg bei Karlsruhe.
Sprühfarbe und Planen über den Sprengmäulern
Schon in den Wochen vor dem 16. August konnten die Menschen, die beispielsweise auf dem Radweg am Adam-Tasch-Weg unterwegs waren, die Vorarbeiten an den Kühltürmen aus nächster Nähe beobachten: Experten markierten mit Farbe die Einbaupunkte für den Sprengstoff und Schlitze, die für die Detonation aus dem Mauerwerk herausgebrochen worden sind. Anschließend sind die sogenannten Sprengmäuler mit Planen abgedeckt worden.
Für die meisten waren die einknickenden Türme ein Spektakel. Doch es gab in den vergangenen Monaten immer wieder Forderungen, die Kühltürme für die Nachwelt zu erhalten: als Andenken oder als Mahnmal - je nach Sichtweise zum Thema Atomkraft. Auch ganz praktische Vorschläge zur Weiternutzung wurden formuliert, um zum Beispiel dem Vorbild des nie in Betrieb gegangenen AKW Kalkar nachzueifern: Ein Investor hat das Gelände dort zu einem Freizeitpark umgebaut. Der Kühlturm dient heute als Kletterwand, aus der Öffnung ragt ein 58 Meter hohes Kettenkarussell.
30-Sekunden-Sprengung kostet drei Millionen Euro
Etwa 30 Sekunden dauerte am Freitag die Zerstörung der Türme in Grafenrheinfeld, was Betreiber Preussen-Elektra etwa drei Millionen Euro kostet. Ihre Errichtung auf der damals größten Baustelle Süddeutschlands zog sich deutlich länger hin: 1975 waren die Fundamente gegossen und die ersten V-förmigen Stelzen, die die Bauwerke hielten, fertig. Der restliche Bau mit 22.000 Kubikmeter Beton und 4000 Tonnen Stahl zog sich bis 1978 hin.