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Schweinfurt
Koks auf nackten Frauen? So lief der neunte Verhandlungstag im Prozess gegen den "Go&Change"-Guru in Schweinfurt
Am Freitag kamen vor dem Landgericht erneut bizarre Details über die Gemeinschaft ans Licht. Ein Zeuge versuchte zu erklären, warum Kai K. anziehend auf Frauen wirke.
Kai K. (rechts) im Gespräch mit einem seiner Anwälte. Dem 42-Jährigen wird vorgeworfen, eine Frau vergewaltigt, geschlagen und gewürgt zu haben.
Foto: Archivbild: Heiko Becker | Kai K. (rechts) im Gespräch mit einem seiner Anwälte. Dem 42-Jährigen wird vorgeworfen, eine Frau vergewaltigt, geschlagen und gewürgt zu haben.
Benjamin Stahl
,  Christine Jeske
 und  Lisa Marie Waschbusch
 |  aktualisiert: 17.04.2024 02:48 Uhr

Der Prozess gegen den Kopf der umstrittenen Gemeinschaft "Go&Change" kommt weiter nur im Schneckentempo voran. Dem 42-Jährigen wird vorgeworfen, eine Frau vergewaltigt, geschlagen und gewürgt zu haben. Am neunten Verhandlungstag vor dem Landgericht Schweinfurt konnten erneut nicht alle geladenen Zeuginnen und Zeugen aussagen. Grund war, dass der psychiatrische Sachverständige, der ein Gutachten über den Gesundheitszustand des angeklagten Kai K. erstellen soll, verhindert war.

Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklage waren sich einig, dass der Gutachter die Aussagen der ehemaligen "Go&Change"-Mitglieder hören muss. Daher wurde am Freitag eine Zeugin direkt nach Hause geschickt und die Aussage einer 35-Jährigen nach kurzer Zeit abgebrochen. Lediglich ein 30-jähriger Mann verbrachte längere Zeit im Zeugenstand und gewährte Einblicke in die bizarr anmutende Welt der Gemeinschaft, die in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) ein ehemaliges Kloster bewohnt.

Der Zeuge gehörte "Go&Change" knapp drei Jahre an. Er sei anfangs "sehr, sehr begeistert" gewesen und habe eine "große Faszination für Kai und den Ort", also das frühere Kloster, entwickelt. Nachdem er Anfang 2021 - wie viele andere - aus der Gemeinschaft geworfen wurde und "der Rausch nachgelassen" habe, denkt er anders.

Was Kai K. kann? "Schwer in Worte zu fassen"

Bis heute blicke er dennoch manchmal zu Kai K. auf. "Er kann echt was", erklärte der Zeuge vor Gericht. "Was denn?", wollte Richterin Claudia Guba wissen. Die Aktenlage gebe hier nichts her. "Das ist schwer in Worte zu fassen", so der Zeuge. Führen könne K. jedenfalls "nicht so gut, da überschätzt er sich". Aber der Mann, der unter Anhängerinnen und Anhängern den Status eines Gurus genießt, könne helfen, "Ideen zu entwickeln, wie man sich selber besser helfen kann".

Kritisch sieht der 30-Jährige allerdings heute, dass "die eigene Wahrnehmung weniger wichtig als die Meinung von Kai" war. In der Gemeinschaft gelte die Maxime: "Wenn Kai etwas sieht, dann stimmt das. Wir haben uns immer auf die Perspektive von Kai verlassen."

Blick auf das ehemalige Kloster 'Maria Schnee' am Ortsrand von Lülsfeld zwischen Volkach und Gerolzhofen. Hier sollen sich bizarre Szenen abgespielt haben.
Foto: Daniel Peter | Blick auf das ehemalige Kloster "Maria Schnee" am Ortsrand von Lülsfeld zwischen Volkach und Gerolzhofen. Hier sollen sich bizarre Szenen abgespielt haben.

Gerade in der sogenannten Schattenarbeit, bei der in der Gemeinschaft die scheinbar negativen Eigenschaften von Mitgliedern "geheilt" werden sollen, habe sich das ausgewirkt. Dabei sei "mit extremen Sichtweisen auf Menschen eingewirkt" worden, so der Zeuge, viele hätten "verletzende Erfahrungen gemacht" und "das Kloster massiv verunsichert verlassen".

Wettstreit, wer mehr LSD nehmen kann

Auch den "ständigen Drogenkonsum" sieht der Mann inzwischen kritisch. So sei man anfangs noch zurückhaltend mit Drogen umgegangen. Später sei der Konsum in eine Art "Wettstreit" ausgeartet, bei dem es darum ging, wer am meisten LSD nehmen könne und "noch klar" bleibe. "Da gab es sogar Geprahle."

Drogen wurden laut dem 30-jährigen Zeugen nur bedingt freiwillig genommen. Es sei bestimmt worden, wer wie viel Drogen zu nehmen habe. Wer sich weigerte, sei kritisiert worden und mindestens "verdächtig" gewesen. "Ob man Drogen nahm, oder nicht, hatte Einfluss darauf, ob man Teil der Gruppe war, oder nicht", beschrieb der Zeuge den immer höheren Druck.

Zeugin: K. sprach von "Vampirfürstinnen"

Über den Drogenkonsum in der Gemeinschaft sprach am Freitag auch die erste Zeugin. Sie erinnere sich an eine Situation, als sie mit zwei Frauen LSD einnehmen sollte und Kai K. ihnen einen "Prozess" machen wollte. Sie seien "Vampirfürstinnen", habe er gesagt, und sie hätten alle "den gleichen Schatten". Regelrechte "Paranoia" habe er gehabt, so die 35-Jährige, und er habe immer wieder gedacht, seine damalige Partnerin würde ihn betrügen.

Die Schattenarbeit habe sich im Laufe der Zeit "verselbstständigt". Die Zeugin gab zu: "Ich hatte Gewissensbisse, dass wir Menschen eher schädigen, statt sie zu heilen." Immer häufiger sei es zu "Sex-geprägten Therapie- oder Heilungssettings" gekommen, so die Frau weiter. Eine eigene "Arbeitsgruppe" habe sich bei "Go&Change" damit beschäftigt.

Auch der 30-jährige Zeuge sieht den Umgang mit Frauen inzwischen kritisch. Er selbst habe einmal an einer "Sex-Orgie", wie er es nennt, teilgenommen; mit acht Männern und einer Frau, "die im Fokus stand". Die Frau habe zwar freiwillig mitgemacht. Heute frage er sich jedoch, "ob ich da bei etwas dabei war, das etwas Negatives ausgelöst hat".

Bizarre Szenen sollen sich im ehemaligen Kloster abgespielt haben

Auch auf Kai K.s Wirkung auf Frauen ging der Mann ein. Schon mehrfach hatten Zeugen vor Gericht erzählt, dass der Guru viele Verehrerinnen gehabt habe. K. sei davon überzeugt, so der Zeuge am Freitag, dass er "authentisch das, was dem klassischen Männlichkeitsbild entspricht, vertritt" und deshalb so gut bei Frauen ankomme. Einmal habe K. gesagt: "Ich spiele Frauen wie ein Orchester."

All das macht eine bizarre Szene deutlich, an die sich der Zeuge erinnerte: Einmal sei K. ins Wohnzimmer des ehemaligen Klosters gekommen und habe angekündigt, dass nun etwas geschehe, das "in die Geschichte von 'Go&Change' eingehen" werde. Daraufhin hätten vier nackte Frauen den Raum betreten und sich vor K. gekniet. Der habe dann Koks von ihren Hinterteilen "geschnüffelt".

Warum die Frauen das mitgemacht hätten, wollte Staatsanwältin Melanie Roth wissen. Das sei damals nicht hinterfragt worden, so der Zeuge.

Der Prozess wird am 22. April fortgesetzt. Insgesamt sind 21 Verhandlungstage angesetzt.

 
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  • Cornelius Beyer
    Gibt es denn keine Informationen zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Drogenkonsums?

    Da sprechen doch (jetzt erstmalig?) Zeugen vor Gericht davon, und die genannten drogen sind doch strafbewährt.
    Soweit mir bekannt doch auch für die Zeugen selbst.
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  • Peter Koch
    In der Realität interessiert es keine Staatsanwaltschaft was im privaten Bereich an Drogen konsumiert wird. Bestenfalls werden Dealer verfolgt.
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  • Cornelius Beyer
    Das kenne ich anders.
    Bei den Mengen wird gewöhnlich mindestens ein Verfahren gegen unbekannt eröffnet in dem dann der Konsument als Zeuge aussagen muss, woher das Zeug stammt.
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  • Martin Deeg
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