
In den vergangenen Tagen hat die Gewerkschaft IG Metall mit mehreren Pressemitteilungen für Furore gesorgt. Thema darin waren Befürchtungen, die großen Industriebetriebe in Schweinfurt und der Region Main-Rhön könnten in den kommenden Jahren Personal abbauen. Ein Thema war auch der ZF Standort in Schweinfurt, an dem in drei Werken 9100 Mitarbeitende arbeiten. Der Automobilzulieferer mit Stammsitz in Friedrichshafen ist in der Region der mit Abstand größte kommerzielle Arbeitgeber. Im Gespräch widerspricht Standortleiter Manfred Süß den Befürchtungen deutlich. ZF habe gut 350 Millionen Euro in die Werke in Schweinfurt investiert und keine Pläne, sich mit der Elektromobilität aus Deutschland dauerhaft zurückzuziehen.
Manfred Süß: Ich kann nur für ZF sprechen und da sage ich für Schweinfurt: nein. Es gibt nichts Neues, das uns aus der Bahn werfen würde oder anders wäre als das, was wir schon lange planen. Wir haben uns mit dem Projekt 2030 früh auf den Weg gemacht für die Transformation. Die IG Metall treibt vielleicht das gesamte Schweinfurt-Bild um, weniger die ZF.
Süß: Entwickelt wurde es gemeinsam mit dem Betriebsrat, um den neuen Weg in die Elektromobilität gemeinsam zu gehen. Wir wollen am Standort investieren, aber auch schauen, wie man wettbewerbsfähig bleibt. Es gab sieben Teil-Projekte und 27 Initiativen, unter anderem neue Arbeitszeitmodelle im Schichtbetrieb, Führungsverhalten, Remote Work, Optimierung von Prozessen nicht nur in der Produktion. Es wurde viel umgesetzt, was jetzt auch wirkt.
Süß: Geplant waren 180 Millionen Euro, wenn man genau hinschaut, ist es sogar das Doppelte geworden, was in den vergangenen Jahren vom Konzern in den Umbau der Produktion investiert wurde. So viel Produktionsfläche wie heute hatte der Standort Schweinfurt noch nie. Die Frage, wann sich etwas verändert, hängt davon ab, wie lange Fahrzeuge mit Verbrennermotor hergestellt werden. Man muss das beobachten. Wir sind aktuell voll ausgelastet und es läuft gut.
Süß: Von der Auftragslage und der Beschäftigung geht es uns gut. Natürlich ist es im Moment schwer, mit der Elektro-Mobilität insgesamt Geld zu verdienen.

Süß: Die Zahl kommunizieren wir schon lange. Wenn die Transformation abgeschlossen ist und die Elektromobilität kommt, braucht man in der Produktion weniger Mitarbeiter, da die Fertigungstiefe im Vergleich zum Verbrenner niedriger ist. Bei gleichem Umsatz und Produktionsvolumen braucht man weniger Beschäftigung. Darauf sind wir vorbereitet und es ist auch kein Abbau und funktioniert, zum Beispiel wenn Mitarbeitende in Rente gehen. In den vergangenen Jahren konnten wir 100 neue Stellen gar nicht besetzen, weil die Fachkräfte fehlen.
Süß: Wir haben gerade über 350 Millionen Euro am Standort Schweinfurt in Elektromobilität investiert. Ich denke, diese Zahlen sagen alles. Für ZF ist die Auftragslage im Moment gut, aber das gesamte Thema Transformation ist für jeden Automobilzulieferer eine Herausforderung. Das Unternehmen hat durch Zukäufe eine hohe Schuldenlast, dennoch gibt es für Deutschland eine große Investitionsbereitschaft. Jedes Unternehmen muss sich bewusst sein, dass es wichtig ist, weltweit für die Kunden vor Ort in deren Märkten zu produzieren. Die Zeiten sind vorbei, Produkte in hohen Stückzahlen über die Ozeane zu transportieren. Der Standort Schweinfurt wird kommendes Jahr 130 Jahre alt. Das alleine zeigt, wie innovativ und offen für Wandel der Standort ist, kommend vom Fahrradgeschäft oder dem klassischen Sachs-Motor bis heute zum Elektromotor. Der Slogan 'Aus Tradition innovativ' trifft da voll zu. Es gab immer Wandel und wir haben das auch gekonnt. Und können es jetzt auch.
Süß: Es ist viel Kommunikation nötig, dass alle mitziehen. Wir müssen den Mitarbeitenden die Angst vor etwas Neuem nehmen. Der Vorteil ist, dass man in der Automobilbranche eine größere Planbarkeit hat, was es in anderen Industriebereichen so nicht gibt.

Süß: Planbarkeit. Bei den Energiekosten ist es kein Geheimnis, dass wir in Deutschland nicht vorne dabei sind. Vor zwei Jahren gab es die Diskussion über Plug-In-Hybridantriebe, die ich immer noch für eine sehr gute Übergangstechnologie halte. Im vergangenen Jahr wurde die Förderung für Elektro-Fahrzeuge gestoppt, was den Endverbraucher verunsichert. ZF hat an vielen Standorten in Deutschland hohe Summen investiert und es ist wichtig, dass es für Jahre Planbarkeit gibt. Es wäre fatal, wenn man jetzt von der Elektromobilität wieder weg geht. ZF ist ein Technologieführer, der mit seinen Neuentwicklungen immer vorne dabei ist. Die Entwicklungen gehen dabei hin zu einem modularen Baukastensystem, sodass man auch das Equipment komplett über Jahre auslasten kann und ein Großteil der Komponenten für das gesamte System verwenden kann, auch wenn unsere Kunden ihre Stückzahlen an einer Stelle verändern. Man muss sich als Standort so qualifiziert aufstellen, dass der Kunde sagt, da gibt es kompetente Mitarbeitende, mit denen ich auf Augenhöhe eine Neuentwicklung machen kann. Mit unserem besonderen Einsatz und Können müssen wir auch weiterhin überzeugen, damit wir auch in zehn Jahren noch gut dabei und für die Zukunft gut aufgestellt sind.